Fragen lohnt sich
Auftraggeber und Auftragnehmer sind Vertragspartner im besten Sinn. Die oft langwierige, technisch anspruchsvolle und potentiell konfliktträchtige Zusammenarbeit bei einem Bauvorhaben verlangt von beiden, sich partnerschaftlich und fair zu verhalten. Dies ist nicht nur eine soziale Forderung oder ein Zeichen guter Erziehung, sondern beruht auch auf rechtlichen Gründen.
Das Mischen wird digital
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Während der Vertragsdurchführung wollte er nun wegen der aus seiner Sicht unwirksamen Klausel eine zusätzliche Vergütung einklagen. Das OLG Celle hat entschieden, dass ihm dieses Recht nicht mehr zusteht, weil er sich gegen den angeblichen Vergabeverstoß in Form der Vergütungsklausel nicht gewehrt hatte (v. 15.03.2017, 14 U 42/14).
Fair verhalten vor Vertragsschluss
Hintergrund der Entscheidung ist, dass Auftragnehmer den Auftraggeber nicht sehenden Auges ins offene Messer laufen lassen dürfen, etwas überspitzt ausgedrückt. Der Gedanke ist aber der gleiche wie bei diesem sicherlich etwas überzeichneten Bild. Wenn der Auftragnehmer einen Fehler in Vergabeunterlagen erkannt hat, darf er es dabei nicht belassen, sondern muss sich bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses beim Auftraggeber melden und auf diesen Fehler eindeutig hinweisen.
Bei öffentlichen Auftraggebern muss er bei Verträgen mit einem Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte ein Nachprüfungsverfahren beantragen. Weil diesem Verfahren zwingend ein Hinweis des Bieters in Form einer Rüge vorausgehen muss, hat der Auftraggeber die Möglichkeit, allein aufgrund dieser Rüge bereits seinen Fehler zu korrigieren.
Bei anderen Auftraggebern muss der Auftragnehmer in ähnlicher Weise auf eine Fehlerkorrektur hinwirken. So muss er den Auftraggeber ganz eindeutig auf den Fehler hinweisen. Weil ein Nachprüfungsverfahren nur gegenüber öffentlichen Auftraggebern möglich ist, muss er natürlich bei anderen Auftraggebern ein solches Verfahren nicht beginnen.
Der Auftraggeber muss aber eine vergleichbare Möglichkeit haben, seinen Fehler zu korrigieren. Es ist sicher nicht falsch, sich an der bei einem öffentlichen Auftraggeber erforderlichen Rüge zu orientieren und den Auftraggeber ausdrücklich und deutlich auf einen Fehler in den Vergabeunterlagen hinzuweisen.
Reagiert der Auftraggeber auf diesen eindeutigen Hinweis des Bieters auf seinen Verstoß bzw. Fehler nicht, ist dies so zu sehen wie bei einer Bedenkenanmeldung während der Vertragsdurchführung: Der Auftraggeber ist an den Fehler gebunden und kann sich nicht auf Unkenntnis berufen.
Bei technischen Fehlern für Klarheit sorgen
Im entschiedenen Fall ging es um einen rechtlichen Fehler in den Vergabeunterlagen. Viel häufiger dürfte der Fall sein, dass die Vertragsunterlagen in technischer Sicht unklar oder widersprüchlich sind. Auch hierzu hat die Rechtsprechung entschieden, dass ein Bieter vor dem Vertragsschluss Fehler nicht hinnehmen darf, sondern den Auftraggeber hierauf hinweisen muss.
In den meisten entschiedenen Fällen war es so, dass der Bieter eine Unklarheit in den Vergabeunterlagen erkannt hat und von sich aus an bestimmte Art der Kalkulation gewählt hat. Die Gefahr besteht darin, dass der Auftraggeber genau die gleichen Passagen in seinen Vergabeunterlagen ganz anders versteht und es hierüber zu Streit kommt.
Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem ein Gericht bei unklaren Vergabeunterlagen am Ende nicht doch einen bestimmten genauen Inhalt festgestellt hat. Das Risiko besteht für die Praxis darin, dass dieses Ergebnis für die Vertragspartner nicht immer vorhersehbar ist. Sehr oft lassen sich Gerichte in solchen Fällen durch Sachverständige unterstützen, die ihnen den Sinn der Vergabeunterlagen erklären sollen.
Kann sich ein Auftragnehmer auf solche Schwierigkeiten bei der Ermittlung des genauen Inhaltes der Vergabeunterlagen berufen?
Die Gerichte sagen solchen Fällen durchweg, dass allein eine Unklarheit oder Schwierigkeiten beim Verständnis dem Bieterauftragnehmer in solchen Fällen nicht helfen. Der Bieter und spätere Auftragnehmer ist nämlich verpflichtet, den Auftraggeber auf solche Stellen hinzuweisen. Er darf nicht einfach ein eigenes Verständnis von den unklaren Unterlagen entwickeln und seiner Kalkulation zugrunde legen, sondern er muss dies gegenüber dem Auftraggeber ansprechen und für Klarheit sorgen.
Vorsicht: Vorgehen in Vergabeverfahren
Vergaberechtlich ganz unzulässig ist es auch, dem Auftraggeber sein eigenes Verständnis aufzudrängen, indem der Unternehmer eine Kalkulation erstellt und den Auftraggeber, beispielsweise in einem Angebotsbegleitschreiben, über seine Vorstellungen informiert.
Ein öffentlicher Auftraggeber muss ein Unternehmen dann vom Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Angebot von den Vorgaben des Auftraggebers abweicht. Dies ist dann der Fall, wenn die so vom Unternehmer eingeführten Vorstellungen von denen des Auftraggebers unterschiedlich sind. Daher ist dies „Aufdrängen“ bei einem korrekt vorgehenden öffentlichen Auftraggeber im Ergebnis die schlechteste Möglichkeit.
Manchmal kommt es auch dazu, dass der Auftragnehmer dennoch den Zuschlag erhält. In solchen Fällen hat die Rechtsprechung den Auftragnehmer an den Vorgaben des Auftraggebers festgehalten, wenn nämlich sein Hinweis auf eine abweichende Kalkulation nicht ganz eindeutig und hervorgehoben war. Der Auftragnehmer ist in solchen Fällen gegenüber dem Auftraggeber zum Schadensersatz verpflichtet worden, weil er den Auftraggeber nicht ausreichend deutlich auf den abweichen Inhalt seines Angebotes hingewiesen hat. Dieser Hinweis zeitgleich mit der Angebotsabgabe ist daher nicht zu empfehlen. Die erkannte Unklarheit wird letztlich nicht rechtssicher und vorhersehbar geklärt.
„Durchschnittliche“ Auslegung von Unklarheiten
Aus Sicht der Auftragnehmer ist allerdings wichtig, dass Unklarheiten in Vergabeunterlagen nicht automatisch dazu führen, dass diese zulasten des Auftragnehmers ausgelegt werden. Ganz generell und auch in diesen Fällen versuchen die Gerichte, das Verständnis eines durchschnittlichen Unternehmens zu ermitteln und als Verständnis der Vergabeunterlagen zugrunde zu legen. Natürlich gibt es ein solches durchschnittliches Unternehmen nur theoretisch, und es ist manchmal durchaus zufällig, ob das tatsächlich beauftragte Unternehmen das gleiche Verständnis hat wie dieses durchschnittliche Unternehmen oder nicht. Eine andere Möglichkeit, einen möglichst objektiven Inhalt zu ermitteln, gibt es aber letztlich nicht.
Dieses weitgehend objektive Verständnis ist es dann, nach dem die Gerichte vorgehen und das sie beim Verständnis der Vergabeunterlagen und der Entscheidung über geltend gemachte Nachträge etc. zugrunde legen. Weil die Vertragspartner aber immer erst im Nachhinein erfahren, wie ein Gericht die Unterlagen versteht, ist diese gerichtliche Klärung nicht nur mühsam und teuer, sondern auch oft im Ergebnis frustrierend.
Fazit: Konstruktiv und sachlich bleiben
Unklarheiten in Vertragsunterlagen und Leistungsbeschreibungen sollten möglichst früh aufgeklärt werden. Auftragnehmer gehen sonst das Risiko ein, dass ein „objektives“ Verständnis der Kalkulationsgrundlagen von ihren Vorstellungen abweicht und sie fest erwartete Zusatzvergütungen nicht durchsetzen können.
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Nebenbei sind solche ganz frühen Hinweise an den Auftraggeber auch ein guter Test, wie er auf konstruktiv und sachlich vorgetragene Hinweise eines potentiellen Auftragnehmers reagiert. Ist er solchen Argumenten gegenüber nicht offen, wird er auch während der Baudurchführung auf Probleme eher unsachlich reagieren, und ein Unternehmen sollte überlegen, ob es mit einem solchen Auftraggeber zusammenarbeiten will.
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