Wann Auftragnehmer einen Anspruch auf Preisanpassung haben
Knappe Baustoffe, explodierende Preise – die Marktbedingungen für das Baugewerbe sind seit Beginn des Ukraine-Krieges unerwartet schwierig geworden. Das Risiko der Kostensteigerung bei Bauaufträgen müssen sie als Auftragnehmer im Wesentlichen selbst tragen. Für einen Anspruch auf Preisanpassung gibt es hohe rechtliche Hürden.
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Voraussetzungen für einen Preisanpassungsanspruch
Grundsätzlich sind die vereinbarten Baupreise Festpreise. Sieht der Bauvertrag keine ausdrücklichen Regelungen für einen Preisanpassungsanspruch bei Kostensteigerungen wie eine Stoffpreisgleitklausel vor, kommt als gesetzliche Anpassungsregelung nur § 313 BGB über die „Störung der Geschäftsgrundlage“ in Frage.
Man unterscheidet zwischen der großen und der kleinen Geschäftsgrundlage. Unter der „großen“ Geschäftsgrundlage versteht man die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, dass also die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Von der „kleinen“ Geschäftsgrundlage spricht man dagegen in allen übrigen Fällen, wenn es also „nur“ um die den jeweiligen Vertrag betreffenden Umstände geht.
„Kleine“ Geschäftsgrundlage
Der Auftragnehmer, der eine Preisanpassung verlangt, beruft sich in der Regel darauf, dass Preise für Baumaterial in den letzten Monaten ungewöhnlich rasant gestiegen sind. Er macht geltend, dass er in Kenntnis dieser Baupreisentwicklung den jeweiligen Vertrag nicht oder zumindest nicht zu diesen Preisen geschlossen hätte.
Nach § 313 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Änderung vorausgesehen hätten und wenn einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diese Anforderungen sind extrem hoch. Es müssen demnach alle der drei folgenden Voraussetzungen zugleich vorliegen:
- Was sich geändert hat oder gestört ist, war für beide Parteien Grundlage des Geschäftes.
- Das Risiko einer solchen Störung ist nicht einer der Parteien zugewiesen.
- Die Störung ist so gravierend, dass ein Festhalten der einen Partei am unveränderten Vertrag nicht zumutbar ist.
Hindernis 1: Preise gehören nicht zur Geschäftsgrundlage
Der Anpassungsanspruch scheitert bereits auf der ersten Ebene daran, dass die Preise für Baumaterial überhaupt nicht zur Geschäftsgrundlage eines Bauvertrags im Sinne von § 313 BGB gehören. Die nach § 313 BGB relevanten Umstände (Abs. 1) oder Vorstellungen (Abs. 2) müssen „zur Grundlage des Vertrags“ geworden sein. Bloß einseitige, nicht erkennbare Motive oder Vorstellungen sind irrelevant. Daher kann sich der Auftragnehmer nicht darauf berufen, dass er den Vertrag nicht so abgeschlossen hätte, wenn er von den später eingetretenen Ereignissen gewusst hätte.
Es reicht auch nicht aus, dass ein Umstand einfach nur vorausgesetzt wird, er muss stillschweigend von beiden Vertragsparteien zur Bedingung gemacht worden sein. In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung des BGH bereits geklärt, dass die Kalkulationsgrundlagen des Auftragnehmers grundsätzlich keine Geschäftsgrundlage des später geschlossenen Vertrags sind. Das gilt selbst dann, wenn die Kalkulation des Auftragnehmers dem Auftraggeber offengelegt wird. Begründet wird dies damit, dass der Auftraggeber bei Vertragsschluss gar keinen Anlass hat, die Kalkulationsgrundlagen des Auftragnehmers in seinen Geschäftswillen aufzunehmen, da die Kalkulationsgrundlagen für den Auftraggeber letztlich ein unabwägbares Risiko darstellen.
Hindernis 2: Der Auftragnehmer trägt das Kostenrisiko
Der geltend gemachte Preisanpassungsanspruch scheitert zudem daran, dass die Konsequenzen aus Preissteigerungen nach der vertraglichen Risikoverteilung gerade dem Auftragnehmer zugewiesen sind. Als Grundlage der eigenen Kalkulation betrifft der Preis für das Baumaterial grundsätzlich den Risikobereich des Auftragnehmers. Dieser hat sämtliche Maßnahmen zu treffen, um die eigene Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Notfalls muss er alternative Bezugsquellen oder Produktionskapazitäten anfragen. Solange das Baumaterial selbst bei erheblichen Preissteigerungen lieferbar ist, betrifft dies den Risikobereich des Auftragnehmers. Das gilt auch, wenn sich das vom Auftragnehmer vertraglich übernommene Risiko durch höhere Gewalt verwirklicht.
Um es auf den Punkt zu bringen: Der Auftragnehmer trägt das Risiko, dass er seine Leistungen erbringen kann und damit auch, dass ihm die benötigten Baustoffe zur Verfügung stehen. In die Risikosphäre des Auftraggebers fällt hingegen, dass er die finanziellen Mittel zur Verfügung hat, um den vereinbarten Werklohn zu bezahlen. Steigen unerwartet die Darlehnszinsen in erheblichem Umfang, kann der Auftraggeber auch nicht verlangen, dass die vereinbarte Werkvergütung nach unten angepasst wird.
Hinzukommt, dass das Festhalten des Auftragnehmers am Vertrag zu den vereinbarten Preisen für diesen in den meisten Fällen nicht unzumutbar im Sinne des § 313 BGB sein wird.
Unzumutbarkeit definiert sich nach der Vertragsregelung
Unzumutbar ist für die benachteiligte Partei ein Festhalten am unveränderten Vertrag immer dann, wenn redliche Parteien, hätten sie die später eingetretene Änderung der Verhältnisse vorhergesehen, etwas anderes vereinbart hätten ¬ wohlgemerkt beide Parteien, nicht nur die nun benachteiligte Partei. Entscheidend dafür ist auch hier die Risikozuweisung, die sich an der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, der Vorhersehbarkeit und der Zurechenbarkeit der eingetretenen Störung orientiert. Die Risikozuweisung darf also nicht durch allgemeine Zumutbarkeitserwägungen überspielt werden.
Es kommt auf die Abwägung der Interessen beider Parteien gegeneinander an. Eine Anpassung kommt – falls auch die beiden oben behandelten Voraussetzungen vorliegen – dann in Betracht, wenn dem betroffenen Vertragspartner eine erhebliche Entlastung auf eine Weise verschafft werden kann, die die Gegenpartei nur geringfügig beeinträchtigt. Ein Abwägungskriterium ist, ob durch die unveränderte Vertragsdurchführung der benachteiligten Partei eine Existenzvernichtung droht. Das zeigt, wie hoch hier die Unzumutbarkeitsschwelle liegt.
Hindernis 3: Keine Preisanpassung bei Absehbarkeit
Schlussendlich scheidet eine Anpassung auch dann aus, wenn der Auftragnehmer durch rechtzeitige Vorsorge, z.B. frühzeitige verbindliche Preisvereinbarungen mit Baustofflieferanten und Nachunternehmern das Risiko im eigenen Interesse hätte einschränken können.
Die Rechtsprechung ist gerade beim Kriterium der Vermeidbarkeit streng. Zeichnen sich Beschaffungsengpässe und/oder Preissteigerungen bereits bei Vertragsschluss ab, kommt eine Anpassung über § 313 BGB regelmäßig nicht in Betracht. Dies hat der BGH bereits 1978 für die Ölkrise (Preissteigerung im konkreten Fall teilweise mehr als 70 %) entschieden. Mehrere Oberlandesgerichte haben zu den stark gestiegenen Stahlpreisen in den Jahren 2003 bis 2007 später ähnlich entschieden, da bereits in der Vergangenheit vor der Abgabe des Angebots steigende Preise zu beobachten waren. Bei Verträgen, die zwar vor dem Ukraine-Krieg, aber in Kenntnis der Coronakrise (mit all ihren Auswirkungen auf Beschaffungsproblematiken und Lieferschwierigkeiten) geschlossen worden sind, wird es schwierig, sich auf die Unzumutbarkeit zu berufen, da bereits seit 2020 durch die Pandemie verursachte Preissteigerungen zu beobachten waren.
„Große“ Geschäftsgrundlage umstritten
Dass die „kleine“ Geschäftsgrundlage in der derzeitigen Situation einen Anpassungsanspruch nicht rechtfertigt, ist anscheinend den meisten Juristen, die dennoch einem Anpassungsanspruch das Wort reden, bewusst. Deshalb berufen sie sich – ohne sich mit den Voraussetzungen näher auseinanderzusetzen – darauf, dass bei Änderungen der Verhältnisse durch Krieg oder ähnlichen Ereignissen höherer Gewalt immer eine Störung der Geschäftsgrundlage vorläge. Sie spielen damit auf die sogenannte „große“ Geschäftsgrundlage an.
Unter der „großen“ Geschäftsgrundlage versteht man – wie bereits erwähnt – die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, dass also die Sozialexistenz nicht erschüttert werde.
Entscheidend ist, dass das Risiko des Eintritts solcher Ereignisse keiner der beiden Parteien zugewiesen ist. Keine Partei kann das Krisenrisiko besser beherrschen als die andere, weder die eingetretene Krise selbst noch die zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen.
Folgen des Krieges führen nur zur Leistungserschwerung
Maßgeblich ist also, dass – anders als bei der „kleinen“ Geschäftsgrundlage – nicht nur Erwartungen und Vorstellungen der Parteien eines konkreten Vertrages nicht in Erfüllung gehen, sondern, dass die „Sozialexistenz“ der gesamten Gesellschaft sich durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe durcheinandergerät. Von einer Erschütterung der Sozialexistenz kann nicht die Rede sein, wenn in einem anderen Land Krieg geführt wird oder sich eine Katastrophe ereignet und deshalb eine Leistungserschwerung oder -unmöglichkeit in Deutschland eintritt. Über solch eine Leistungserschwerung oder unmöglichkeit gehen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges in Deutschland aber nicht hinaus.
Aber selbst, wenn man hier von einer Störung der „großen“ Geschäftsgrundlage durch den Ukraine-Krieg ausginge, ist es hoch umstritten, ob dies einen Anspruch auf eine Vertragsanpassung eröffnet. Bei der Bewältigung einer Krise handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Mittel des Zivilrechts sind zur Bewältigung einer solchen Krise weder bestimmt noch ausreichend. Zivilrechtliche Ansprüche wirken nur für jeden einzelnen Vertrag und werden im Streitfall erst nach geraumer Zeit rechtskräftig entschieden.
Zivilrechtliche Ansprüche gelten nur für den Einzelvertrag
Die Störung der üblicherweise bestehenden Vertragsnetze kann weder gezielt noch mit der gebotenen Geschwindigkeit durch das Zivilrecht behoben werden: Ein gewerblicher Bauherr finanziert die Baumaßnahme über den Ertrag seines Unternehmens, der Bauunternehmer mietet nicht nur die Betriebsstätte, sondern er bezieht außerdem Baustoffe von Baustoffhändlern, Treib- und Schmierstoffe für Baufahrzeuge und -geräte usw.; sein Vermieter finanziert die Immobilie mit einem Darlehen und seine Mitarbeiter Lebensmittel aus dem Supermarkt für sich und ihre Familien. Zur Bewältigung der Krise müsste man in jede einzelne dieser Rechtsbeziehungen eingreifen.
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Dagegen sind öffentliche Hilfen – Zuschüsse jeder Art, Darlehen, Bürgschaften, Unternehmensbeteiligungen, Steuerstundungen – viel geeigneter, die von der Krise Betroffenen rasch, zielgerichtet und flächendeckend zu unterstützen. Als staatliche Regulierungsmaßnahme können darüber hinaus Regeln des Privatrechts abgeändert werden, z.B., wie in der Coronakrise, mit dem Kündigungsmoratorium für Mietverträge bei Zahlungsverzug.
Dennoch miteinander reden: Gemeinsam nach Alternativen suchen
Ist ein benötigtes Material auf dem Markt gar nicht mehr zu bekommen, liegt unter Umständen ein Fall der Unmöglichkeit vor, durch die der Auftragnehmer von seiner Leistungspflicht frei wird. Schadensersatzpflichtig ist er nur, wenn die Unmöglichkeit für ihn vorhersehbar war. Grund genug für beide Parteien, gemeinsam nach alternativen Ausführungsvarianten zu suchen, wobei auch eine Einigung über die Anpassung der Vergütung zumindest für die geänderte Leistung gefunden werden muss.
Anspruch auf Entschädigung bei Leistungsbehinderung
Über den Autor
Rechtsanwalt Christian Meier ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Er ist Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein. Kontakt: www.arge-baurecht.com
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