Baurecht: Häufige Fehler bei der Angebotskalkulation
Angebotskalkulation: Fehler können passieren, aber nicht jeder Fehler rechtfertigt eine Preisanpassung oder Vertragsaufhebung. | Foto: Pixabay

Wie bei allen Dingen im Leben können auch bei der Kalkulation von Angeboten Fehler passieren. Lohnkosten werden vergessen, Besonderheiten der Baustelle werden nicht berücksichtigt, der Preis wird für t statt für kg angegeben – die Liste lässt sich beliebig verlängern. Kann ein Auftragnehmer verlangen, dass der Auftraggeber auf den Fehler Rücksicht nimmt und den Preis anpasst – oder sogar vielleicht ganz von der weiteren Durchführung des Vertrages absieht?

Häufige Fehler: Vergessene Lohnkosten, falsche Maßeinheiten

Das soll an drei typischen Fallgestaltungen dargestellt werden:
1. Der Unternehmer gibt einen Einheitspreis an und verrechnet sich bei der Ermittlung des Gesamtpreises für die Position.

2. Der Auftragnehmer verliest sich bei den Anforderungen an ein Produkt und kalkuliert mit dem günstigeren Preis eines ungeeigneten Produkts. Deswegen ist er im Ergebnis etwas günstiger als die Konkurrenz. Der Fehler ist für den Auftraggeber nicht erkennbar und fällt dem Unternehmer erst nach Auftragserteilung auf.

3. Der Unternehmer gibt ein Angebot ab. Er bemerkt erst nachträglich, dass er einen großen Teil der Arbeitskosten nicht einkalkuliert hat. Sein Angebot ist deswegen ca. 25 % günstiger als die der Konkurrenz.

3.a) Der Auftraggeber hat den Auftrag noch nicht erteilt, als ihn der Unternehmer informiert.

3.b) Der Auftrag ist schon erteilt.

Kann der Auftragnehmer eine Preisanpassung verlangen?

Der erste Fall ist ganz eindeutig zu lösen: Nach der VOB/A ist im Zweifelsfall der Einheitspreis maßgeblich. Fehler bei der Multiplikation können ohne weiteres korrigiert werden. Die VOB/A greift damit auf die Zeit ihrer Entstehung zurück, als noch mit dem Rechenschieber gerechnet wurde.

Einheitspreis und Gesamtpreis: Ein Rechenfehler

Der zweite Fall ist schon eher ein Nachdenken wert, aber auch eindeutig zu lösen. Der Auftragnehmer kann in keiner Weise eine Vertragsanpassung verlangen. Es geht bei der Kalkulation um einen Vorgang, der sich intern beim Auftragnehmer abspielt und der von vielen Faktoren beeinflusst wird. Die zu berücksichtigenden Kosten sind bei jedem Auftragnehmer unterschiedlich, je nach Vergütungs- und Kostenstruktur seines Betriebes. Auch die Auftragslage und die gesamtwirtschaftliche Situation spielen eine Rolle. Ist der Auftragnehmer dringend auf einen Auftrag angewiesen, wird er anders kalkulieren als mit einem vollen Auftragsbuch.

Fallbeispiele aus der Praxis

Ganz eindeutig hat dies gerade das OLG Stuttgart entschieden. In einem Urteil vom 16.05.2024 hat es festgestellt, dass ein Irrtum bei der Kalkulation der Einheitspreise für ein Gebot in einem Vergabeverfahren dem Unternehmer keine Möglichkeit gibt, einen Vertrag z.B. durch eine Anfechtung zu beenden oder anzupassen. (OLG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2024 - 2 U 146/22).

Fall 1: Einheitspreis vs. Gesamtpreis

VOB/A als klare Regelungshilfe

In dem kurzen Fall ist natürlich auch wichtig, dass der Kalkulationsirrtum für den Auftraggeber nicht erkennbar war. Denn dies ist einer der Unterschiede zu dem dritten Fall, in dem der Unternehmer deutlich günstiger als seine Konkurrenten angeboten hat.

Bei den Folgen eines erkennbaren Kalkulationsirrtums, den der Unternehmer dem Auftraggeber nicht vor der Auftragserteilung mitgeteilt hat, ist allerdings die Situation auch noch nicht immer ganz sicher vorhersehbar. In einem ebenfalls vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall ging es um eine Leistung, die nachträglich ca. 240.000 Euro kosten würde, vom Unternehmer aber nur mit 2.115,17 Euro kalkuliert worden war. Allerdings gab es wohl auch Zusatzkosten, weil der Unternehmer die Leistung zwischendurch verweigert hatte und deswegen die Kosten gestiegen sind (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.12.2018 - 12 U 180/17). Hier hat das OLG dem Bieter keine Anpassung erlaubt.

Fall 2: Falsche Produktkalkulation

Interne Kalkulationsfehler und deren Auswirkungen

Besser vorhersehbar ist die Situation, wenn der Unternehmer den Auftraggeber noch vor der Auftragserteilung über einen Kalkulationsfehler informiert. Natürlich kann es rechtlich nicht darauf ankommen, dass ein Unternehmer von einem nur etwas ungünstigen Vertrag zurücktreten will oder sich ihm eine noch bessere Gelegenheit bietet.

Aber der Auftraggeber ist auch rechtlich ein Vertrags“partner“ und muss auf legitime Interessen des Auftragnehmers Rücksicht nehmen. Bei Fehlern der Kalkulation ist natürlich zu überlegen, was genau in diesem Fall „legitim“ sein soll. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ja auch legitime Interessen hat, nämlich die Vertragstreue des Auftragnehmers, also nicht zuletzt die Bindung an die angebotenen Preise. Der Auftraggeber hat sich bewusst für gerade diesen Auftragnehmer mit genau diesem Angebot entschieden. Diese Vertragstreue ist ein ganz wichtiger Aspekt und greift natürlich in vielen Situationen für beide Vertragspartner. Deswegen darf ein Verzicht auf die Vertragstreue nur unter besonderen Umständen verlangt werden.

Rechtliche Bewertungen und Urteile

Also muss sich eine Rücksichtnahme des Auftraggebers auf die Fälle beschränken, in denen dem Auftragnehmer wegen des Kalkulationsfehlers eine besondere Härte treffen würde und dies dem Auftraggeber (ausnahmsweise) zumutbar ist. Dies hat die Rechtsprechung schon in einigen Verfahren zu entscheiden gehabt.

In einem vom BGH entschiedenen Fall hatte Bieter einen Einheitspreis angeboten, der nur rund 1/6 der üblichen Vergütung betrug. Insgesamt lag sein Angebot 27% unter dem Angebot des zweitgünstigsten Bieters sowie einem realistischen Auftragswert. Dieser Preis sei, so der BGH keine „auch nur annähernd äquivalente Gegenleistung“ für die auszuführenden Leistungen. Deswegen könne es dem Auftragnehmer nicht zugemutet werden, den Vertrag auf Grundlage des falsch kalkulierten Preises auszuführen (BGH, Urteil vom 11.11.2014 - X ZR 32/14).

Urteil des OLG Stuttgart: Einheitspreis-Fehler - Keine Vertragsanpassung durch Kalkulationsirrtum

Das Beispiel macht deutlich, dass die Latte hoch liegt. Ein Preisunterschied von 27 % und ein Gesamtpreis weit entfernt von einem wirtschaftlich normalen Angebot sind so ungewöhnlich, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer nicht mehr am Vertrag festhalten darf. Das OLG Dresden hat in einem anderen Fall entschieden, dass eine Ausführung bei einem Kalkulationsfehler mit einer Unterdeckung von 24 % nicht mehr zumutbar ist (OLG Dresden, Beschluss vom 02.07.2019 - 16 U 975/19). Liegt die Unterdeckung niedriger, bleibt der Auftragnehmer an seinen Vertrag gebunden.

In einem solchen Fall kann der Bieter verlangen, dass der Auftraggeber ihn nicht weiter beauftragt, jedenfalls ist eine Arbeitseinstellung kein Vertragsbruch und führt auch nicht dazu, dass der Auftraggeber seinerseits aus wichtigem Grund kündigen kann. Der Auftraggeber hat auch keinen Schadensersatzanspruch, wenn er nach einer solchen Arbeitseinstellung die Leistungen anderweitig vergeben muss. Alternativ kann auch in Einzelfällen an eine Vertragsanpassung gedacht werden, allerdings passt dies nicht ganz dazu, dass der Auftraggeber vielleicht andere Angebote bevorzugt hätte (wäre aber manchmal eine praktische Lösung).

BGH-Urteil zur Unzumutbarkeit von Kalkulationsfehlern: Extremfälle und ihre Auswirkungen

Nebenbei ist anzumerken, dass nach der relativ neuen Rechtsprechung des BGH ein Unterkosten-Preis nur für die beauftragte Leistung geht, bei Nachträgen nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, § 2 Abs. 5 VOB/B kann der Auftragnehmer nach den (hier vermutlich deutlich höheren) tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge abrechnen.

Interessant ist, dass der BGH nicht fordert, dass der unterkalkulierte Vertrag den Auftragnehmer in eine Insolvenz treibt oder sonst seinen gesamten Betrieb in Schieflage bringt. Der BGH sieht sich allein den einzelnen Vertrag an.

Praktische Tipps für Auftragnehmer

Frühzeitige Fehlerkommunikation

Kann ein Unternehmen verlangen, in einem solchen Fall gar nicht erst beauftragt zu werden? Es könnte sein, dass der Unternehmer z.B. an einem Vergabeverfahren teilnimmt und durch die Submission von den Angeboten der Konkurrenten erfährt. Ihm fällt auf, dass die anderen Angebote viel höher sind. Er prüft sein eigenes Angebot, stellt einen Fehler fest und teilt ihn dem Auftraggeber mit. Tatsächlich wäre es reiner Formalismus, erst das fehlerbehaftete Angebot zu beauftragen, um dann den betroffenen Auftragnehmer aus dem Vertrag zu entlassen und ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Allerdings ist vom Bieter zu fordern, dass er den Auftraggeber schnellstmöglich über den Fehler informiert.

Rücksichtnahme beider Vertragspartner

Will der Bieter, dass der Auftraggeber Rücksicht auf seinen Fehler nimmt, muss er seinerseits Rücksicht auf den Auftraggeber und sein Interesse an einer Ausführung der Leistung nehmen. Eine späte Meldung des Fehlers untergräbt außerdem die Glaubwürdigkeit des Auftragnehmers und führt schnell zu der Annahme, er habe nachträglich die Freude an dem Auftrag verloren und suche jetzt nach Gründen, ihn doch noch loszuwerden.

Hinzu kommt, dass ein Zögern des Bieters im Zweifel den Schaden beim Auftraggeber vergrößert, weil die ursprünglichen Angebote verfallen sind und der Auftraggeber nun unter einem erheblichen Druck steht, möglichst schnell einen anderen Auftragnehmer zu finden. Dies könnte die anderen Unternehmen dazu verleiten, eher großzügig zu kalkulieren.

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Fazit: Wann eine Anpassung gerechtfertigt ist

Fehler können passieren. Kleinere Fehler und daraus resultierende Unterdeckungen muss ein Unternehmen selbst tragen und den Anspruch des Auftraggebers auf Vertragstreue des Auftragnehmers akzeptieren. Bei unzumutbaren Unterdeckungen sollte der Auftragnehmer den Auftraggeber möglichst bald informieren. Eine Unzumutbarkeit ist allerdings erst bei erheblichen Fehlern anzunehmen, die Rechtsprechung hat (erst) ca. 25 % für ausreichend gehalten.


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