Zwillinge – bis aufs Herz
Die beiden Vierachser könnten Zwillinge sein, besitzen mit D15- und D26-Motor aber unterschiedlich große Herzen. Welches Triebwerk sich für einen Solo-Kipper besser eignet, bringt ein Vergleich ans Licht.
Das Mischen wird digital
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Kann ein klassischer MAN-Baukipper in 8x4-Version auch mit kleinem D15-Motor überzeugen oder braucht es dafür das größere und stärkere D26-Triebwerk? Antwort auf diese Frage soll der Doppeltest mit zwei fast identischen Vierachsern liefern. Zum Vergleich auf Straße und im Gelände rund um München treten deshalb an: in Grau – der TGS 35.400 mit 400 PS aus 9,0 l Hubraum und in Gelb der TGS 35.470 mit 470 PS aus 12,4 l Hubraum.
Vor allem für nutzlastsensible Transporte mit Betonmischer oder Tankfahrzeug hat MAN in 2019 seinen 9 l großen D15-Motor auf den Markt gebracht und verspricht Gewichtsvorteile von etwa 230 kg gegenüber der größeren D26-Maschine. MAN traut seinem 9er-Aggregat, das ohne Abgasrückführung die Euro 6d-Grenzwerte erreicht, noch mehr zu. Es soll unter bestimmten Bedingungen auch für schwere Kipper eine echte Alternative sein, ohne dem Fahrer Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Das wollen wir doch mal sehen.
MAN TGS mit aufgeräumtem Cockpit
Das Multifunktionslenkrad besitzt einen weiten Verstellbereich. Zum schnellen Ein- und Aussteigen kann es komplett nach vorne in die Waagrechte klappen. In Gegenrichtung lassen sich die Fahrersitze weit nach hinten rücken. Selbst hochgewachsenen Fahrern können so bequem arbeiten. Platz für Werkzeug, Bauhelm und Fahrerjacke ist zwischen Sitz und Rückwand zwar vorhanden, aber äußerst knapp bemessen. Das Cockpit wirkt edel. Die Bedienung von Tipmatic-Getriebe und Dauerbremse über den Lenkstockhebel rechts erfolgt intuitiv. Die Assistenzsysteme steuert der Fahrer über Tasten und Wippschalter links am Lenkrad. Rechts bedient er Telefon, Radio und die Menüs im digitalen Hauptdisplay mit 3D-Anzeige in der Mitte. Damit es anständig groß ausfallen konnte, läuft der Drehzahlmesser im Halbrund gegen den Uhrzeiger. Daran hat sich der Mann am Steuer schnell gewöhnt.
Eine feine Sache ist der Dreh-Drück-Steller namens Smart-Select. Über zwei Drehringe und Tastendrücker bewegt man sich durch die verschiedenen Menüs im 12,3“ großen Bildschirm in der Mittelkonsole. Das klappt selbst, wenn sich die Kabine schüttelt. Sehr gut kommt auch Easy-Control an. Über die vier Tasten an der Innentür bedient der TGS-Fahrer Warnblinker, Motorstart/-stopp, Nebenabtrieb und Arbeitsscheinwerfer auch von außen und muss nicht jedes Mal in die Kabine klettern.
Der feine Unterschied zwischen den den TGS-Kippern
Schwach ist dabei relativ zu sehen. Immerhin spendieren die Münchener ihrem D15-Motor in der kräftigsten Version mit 400 PS ganz ordentliche 12,5 PS/t an Leistungsgewicht für den 32-Tonner. Mit 470 PS an Bord kommen voll beladenen im gelben Pendant immerhin 14,7 PS/t zustande. Und in der Regel mit solchen Dreiseitenkippern nur die Hälfte aller Touren beladen zurückgelegt werden können, stehen für die 50%igen Leerfahrten immerhin über 27 PS/t respektive sogar üppige 32 PS/t bereit. Das sollte in beiden Fällen für zügige Umläufe ausreichen – sofern nicht steile Berge im Weg stehen. Dann kann so ein 400-PS-Bruder schon mal zum Bremser für einen 470-PS-Boliden mutieren. Doch die schiere Nennleistung entscheidet nicht allein über flotte Fahrt. Auf der gesamten Strecke nutzt der Fahrer ihr Potenzial eher selten aus. Wichtiger ist die Kraft im mittleren Drehzahlband. Steht dort wenig Drehmoment zur Verfügung, muss es eben die Gesamtübersetzung richten.
Hier scheiden sich die Geister. Während der 400er einer Achsübersetzung von 4,0 aufwartet, kann der 470er mit längerer Achsübersetzung (i=3,7) punkten. Da beide TGS-Kipper mit einem Overdrive-Getriebe samt identischer Übersetzung im größten Gang ausgerüstet sind, ergeben sich Gesamtübersetzungen von 3,08 beziehungsweise 2,85. Damit tourt der TGS 35.400 bei Marschtempo von 85 km/h mit gut 1.300/min in Stufe zwölf, während der TGS 35.470 hier bei gleichem Tempo mit fast 100/min weniger über die Schnellstraßen rollt. Das dürfte zu weniger Verbrauch und Verschleiß führen.
Agiler D15-Motor auf flachem Land
Das automatisierte Tipmatic-Getriebe mit zwölf Gängen leistet bei beiden Kandidaten wertvolle Hilfe und unterstützt die Motoren bei ihrer Arbeit. Es präsentiert sich jetzt fitter und schaltet flinker als früher. Das liegt daran, dass MAN die Software für die Traxon-Box nun selbst schreibt und sich dabei nicht mehr auf ZF verlässt. Die Gangwechsel gehen geschmeidig, schnell und unauffällig vonstatten. Die Ganganschlüsse passen. Die Lenkung mit bautypisch hoher Übersetzung und über fünf Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag arbeitet in allen Situationen straff genug und zielgenau, muss aber noch ohne elektrische Unterstützung auskommen. Damit fehlt eine sanfte automatische Spurrückführung, sobald der Pilot gravierend von seiner ldeallinie abweicht. Dafür wird er vom dezenten Ratterton des Spurverlassenswarner (LDW) geweckt und so zur Lenkreaktion animiert.
GPS-Tempomat für Landstraße
Als hilfreich auf breiten, gut ausgebauten Straßen stellt sich auch der verbesserte GPS-Tempomat Efficient-Cruise heraus. Damit ist allein der TGS mit D26-Motor ausgerüstet, steht aber auch für Modelle mit D15-Verbrenner zur Verfügung. Ähnlich wie beim Wettbewerb kennt die Software neben der Topografie die Besonderheiten wie Kreisverkehre, Kreuzungen und Ortseinfahrten auf der Strecke und passt die Geschwindigkeit automatisch den Gegebenheiten an. Das klappt in den meisten Situationen tadellos. Nur selten geht der TGS mit zu wenig Tempo in den Berg. Dann muss die Tipmatic in der Steigung zurückschalten, was Geschwindigkeit und Sprit kostet. Und an manchen Ortseingängen geht Efficient-Cruise zu forsch ans Werk, nimmt zu spät Gas weg und muss vorm Ortsschild abbremsen, um mit exakt 50 km/h einzulaufen. Ähnlich verhält sich der ACC-Tempomat mit Stop & Go-Funktion, mit dem beide Test-TGS bestückt sind. Bei Stau auf der Autobahn rollen die Kipper nicht immer früh genug aus, so dass teils hartes Abbremsen nötig ist. Das automatische Anfahren und Abbremsen im Stau klappt dagegen tadellos, solange die Stehzeit nicht länger als zwei Sekunden dauert. Danach muss der Fahrer wieder selbst loslegen und das Gaspedal bedienen.
Die zwei Vierachser im Gelände
Im Gelände empfiehlt es sich, in den Offroad-Modus des Getriebes zu wechseln. Das lässt höhere Motordrehzahlen zu. Gleichzeitig sind ABS und ESP auf ein Minimum reduziert und die ASR-Funktion abgeschaltet. Zusätzlich sind feine Helfer wie Längs- und Quersperre, Berganfahrhilfe, Freischaukelmodus und Lenkbremse an Bord. Selbst eine Fertigerbremse ist vorhanden und lässt sich wie andere Unterstützer per Tastschalter aktivieren. Als besonders nützlich für die 8x4-Kipper erweist sich die Lenkbremse. Bis Tempo 30 bremst sie im Gelände die kurveninneren Hinterräder bei Lenkeinschlag diskret ab. Das verkleinert den Wendekreis und schont sensible Untergründe, da der Lkw in engen Kurven weniger über die Vorderräder geschoben wird. Ein genialer Trick, den man nur bei MAN kaufen kann.
Kann der MAN TGS 35.400 mit kleinerem Motor bei der Nutzlast punkten? Auf der Waage stellt sich Ernüchterung ein. Die auf dem Papier ausgewiesenen 230 kg Gewichtsvorteil fressen die massiven AP-Achsen an Blattfedern zusammen mit der elektrischen und ferngesteuerten Meiller-Schiebeplane wieder auf. Beide TGS-Testfahrzeuge landen bei rund 14,5 t Leergewicht, was für Gleichstand bei der Nutzlast (17,5 t) sorgt. So bleibt dem D15 bestückten Vierachser nur ein Plus bei der Bodenfreiheit mit knapp 8 cm gegenüber dem TGS 35.470, dessen einfach übersetzte Hypoidachsen größere Achsdifferenziale erforderlich machen. Dieses Mehr an Bodenfreiheit lässt sich im Fall der Fälle vollständig nutzen, da die Achsen jeweils den tiefsten Punkt zwischen den Rädern bilden und den Durchgang völlig frei machen.
Unsere Meinung: MAN TGS Kipper im Vergleich
Die Vierachser der neuen TGS-Generation machen eine gute Figur. Geräumige Fahrerhäuser in hochwertiger Ausstattung, komfortable Bedienung, gute Übersichtlichkeit und die vielen kleinen Finessen für den Offroad-Einsatz machen die MAN-Baulöwen zur guten Wahl. Bei hohem Nutzlastbedarf im Flachland und bei leichten Hügeln in Norddeutschland hat der kleine 9-l-Motor im 8x4-Kipper durchaus seine Chance. Aber bitte nur in der stärksten 400-PS-Version, ausschließlich im Solobetrieb und als Straßenkipper mit einfach übersetzten Hinterachsen konfiguriert. Sonst ist sein Nutzlastpotenzial schnell dahin. Geht es in die Berge oder ist auch mal ein Anhänger mitzunehmen, sollten Triebwerke mit 2.000 Nm aufwärts zum Einsatz kommen. Die 12-l-Maschinen sind zwar schwerer, marschieren dafür aber starke Steigungen souveräner und flotter hinauf. Außerdem dürften sie dem Fahrer mehr Freude bereiten und nicht so schnell über den Wechsel zur Konkurrenz nachdenken lassen.
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