Probefahrt mit Prototyp: Mit Mercedes-Benz eActros 600 auf Tour
Der Prototyp eines Mercedes eActros 600 auf Testfahrt durch Südwestdeutschland. | Foto: Daimler Truck AG
Er sieht futuristisch aus, gleitet fast geräuschlos über die Straßen, stößt währenddessen kein Klimagas aus und soll eine Reichweite von etwa 500 km ohne Zwischenladen schaffen: der neue eActros 600 von Mercedes-Benz Trucks. Noch ist der E-Lkw nur ein seriennaher Prototyp. Das Modell läuft erst Ende des Jahres vom Band. Doch einige Fachjournalisten hatten bereits die Möglichkeit, den neuen Schwer-Stromer im praxisnahen Fahreinsatz während der „eActros 600 Driving Experience“ Probe zu fahren. Dafür hat der schwäbische Lkw-Hersteller drei Strecken ausgewählt, die durch anspruchsvolles Terrain mit guter Streckenmischung in Südwestdeutschland führten.

Mercedes-Benz eActros 600: Kraftvoller E-Antrieb

Das auffällige Design des futuristischen ProCabin-Fahrerhauses sorgte dabei für interessierte Blicke am Straßenrand. Die Formgebung des Elektro-Trucks hat Mercedes ganz auf optimale Aerodynamik für einen geringen Energieverbrauch ausgelegt. Einsteigen, Platz nehmen, Lenkrad in die Hand nehmen – alles wie in einem klassischen Sattelzug. Doch kaum nimmt der Fahrer nach dem Einschalten den Fuß von der Bremse, rollt der 40-Tonner mit Standardauflieger sofort los. Derweilen ist in der Kabine nichts außer dem Kompressor, dem Abrollgeräusch der Reifen und dem Fahrtwind zu hören. Batterieelektrische Lkw wie den eActros 600 zu fahren ist einfach faszinierend. Unterwegs auf Autobahn, Bundes- und Landstraße sowie in Industriegebieten und Ortschaften fällt sofort das entspannte Dahingleiten auf.

Das Multimedia-Cockpit im eActros 600 gibt Auskunft über Akku-Ladezustand, Restreichweite und Energieverbrauch. | Foto: Daimler Benz Trucks
Das Multimedia-Cockpit im eActros 600 gibt Auskunft über Akku-Ladezustand, Restreichweite und Energieverbrauch. | Foto: Daimler Benz Trucks

Trotz wechselnder Topographie sind Schaltpunkte mit Zugkraftunterbrechungen kaum auszumachen. Über den gesamten Drehzahlbereich stellen die Elektromotoren das gleiche hohe Drehmoment bereit. Dadurch beschleunigt das eActros 600-Gespann in allen Situationen – selbst unter Volllast – kraftvolle und scheinbar mühelos. Das hat die Sattelzugmaschine der E-Hinterachse mit ihren zwei Elektromotoren und Viergang-Getriebe zu verdanken. Die Technik ist eigens für den Einsatz im Fernverkehr auf 800 V ausgelegt und die E-Motoren generieren eine Dauerleistung von 400 kW (544 PS), die Spitzenleistung liegt bei 600 kW (815 PS).

Vorausschauende Antriebsstrangregelung spart Energie

Darüber hinaus verfügt der eActros 600 über die explizit auf den E-Antrieb abgestimmte Tempomat- und Getriebesteuerung namens Predictive Powertrain Control (PPC). Für eine effiziente Fahrweise berücksichtigt die vorausschauende Antriebsstrangregelung automatisch Topografie, Straßenverläufe sowie Verkehrszeichen und bezieht die Routeninfos des Navigationssystems mit ein. Dadurch kann der Fahrer unnötiges Bremsen, Beschleunigen und Schalten vermeiden und Energie der Batterien sparen. Der Verbrauch hängt stark vom eingestellten Fahrmodus ab. Der Modus „Range“ steht für möglichst viel Reichweite. Er beschränkt die Motorleistung auf 70% und das Tempo auf 82 km/h. In „Economy“ sind immerhin 85% Leistung und 85 km/h möglich. Nur im „Power“-Modus erlaubt das Fahrzeug die 100%ige Motorleistung und bis zu 90 km/h bei gleichzeitig verringerter Reichweite. Darüber hinaus lassen sich im Bordcomputer individuelle Einstellungen für den vorausschauenden Tempomaten vornehmen. In Rollphasen sind Oberschwinger von 2 bis 10 km/h und Unterschwinger von -1 bis -10 km/h programmierbar. Zusätzlich kann der Fahrer festlegen, wie weit die Geschwindigkeit für eine Kurvenfahrt reduziert werden soll. Das Ausrollen vor Streckenereignissen wie beispielsweise Stopp- und Vorfahrtzeichen oder Kreisverkehre lässt sich ebenfalls einstellen.

eActros 600 mit intelligenter Rekuperation

Bei jedem Bremsvorgang oder durch aktives Betätigen des Lenkstockhebels in der Rollphase wandelt der Elektromotor Bewegungsenergie in elektrische Energie um. Die so rückgewonnene Energie wird in den Batterien des eActros 600 gespeichert, was die Reichweite erhöht. Situationsabhängig kann der Fahrer zwischen fünf verschiedenen Rekuperationsstufen wählen. Zudem lässt sich auf dem Touchscreen im digitalen Cockpit ein One-Pedal-Driving aktivieren. Damit wird der Lastzug per Rekuperation verzögert, ohne das Bremspedal für die mechanische Radbremse zu betätigen. Über den Ladezustand der Akkus an Bord, die verbleibende Reichweite sowie den aktuellen und durchschnittlichen Energieverbrauch in kWh pro 100 km informiert eine Anzeige im Multimedia Cockpit.

Ob Energie verraucht oder rekuperiert wird, verrät das rund Powermeter-Instrument rechts im Display. | Foto: Daimler Benz Trucks
Ob Energie verraucht oder rekuperiert wird, verrät das rund Powermeter-Instrument rechts im Display. | Foto: Daimler Benz Trucks

eActros 600: Batteriekapazität bis 621 kWh

Der eActros 600 verfügt über drei Batteriepakete mit jeweils 207 kWh Kapazität. Daraus ergibt sich eine installierte Gesamtkapazität von 621 kWh. Die Batterien basieren auf der Lithium-Eisenphosphat-Zelltechnik und sollen sich durch eine hohe Lebensdauer besitzen. Neben dem CCS-Laden mit bis zu 400 kW ist der eActros 600 auch für das Megawattladen (MCS) vorbereitet. Bereits im April dieses Jahres wurde erstmals ein E-Lkw bei Mercedes-Benz Trucks in Wörth mit 1.000 kW Ladeleistung erfolgreich aufgeladen. Das soll künftig kurze Ladezeiten und große Tagesreichweiten ermöglichen. Der eActros 600 könne seine Batterien an Ladesäulen mit mindestens 1 MW Leistung in zirka 30 min von 20 auf 80% nachladen.

eActros 600: Praktisches Berechnungstool für Routenanalyse

Um schon im Vorfeld zu prüfen, ob eine geplante Tour mit dem E-Lkw machbar ist und wo es nachgeladen werden kann, gibt es die kostenlose Webanwendungssoftware „eTruckReady“. Hier wählt man zunächst den Fahrzeugtyp und die Variante aus. Im Fall des eActros 600 die 4x2-Sattelzugmaschine oder das 6x2-Fahrgestell mit oder ohne Anhänger. Dann folgen Aufbau oder Trailer. Neben der Wegstrecke sind zudem Parameter wie Tag und Uhrzeit, Außentemperatur sowie Zuladung konfigurierbar. Das Tool berechnet daraufhin unter Berücksichtigung der Topographie die Route und zeigt an, ob sie mit den eingegebenen Parametern elektrisch fahrbar ist. Es werden die Gesamtdistanz und die Fahrtdauer angezeigt. Reicht die Batteriekapazität dafür nicht aus, lassen sich Wegepunkte zum Nachladen einfügen.

Boxenstopp: Das Aufladen der Fahrakkus erfolgt noch per CCS-Stecker mit maximal 400 kW. | Foto: Daimler Truck AG
Boxenstopp: Das Aufladen der Fahrakkus erfolgt noch per CCS-Stecker mit maximal 400 kW. | Foto: Daimler Truck AG

Vorhergesagte Routenanalyse auf den Punkt genau

Für unsere geplante 72 km lange Rundstrecke in Südwestdeutschland prognostiziert „eTruck Ready“ bei 64% Ladezustand ab Start und 40 t Gesamtzuggewicht einen Rest-Ladezustand von 49%. Und die Realität? Nach gut einstündiger Fahrt mit dem seriennahen Prototyp bestätigt die Anzeige im Display des eActros 600 auf den Punkt genau den Ladezustand der „eTruck Ready“-Prognose. Dabei sind der tatsächliche Verbrauch und die resultierende Reichweite von vielen Faktoren abhängig. Maßgeblich sind neben Gewicht, Fahrzeugausstattung und Reifen-Rollwiderstand auch Temperatur, Wetterbedingung, Verkehrsaufkommen, Topographie, Fahrmodus und natürlich die Fahrweise des Fahrers.

Serienproduktion des eActros 600 startet Ende 2024

Mit der Entwicklung des rein elektrischen eActros 600 befindet sich Mercedes-Benz Trucks auf der Zielgeraden. Um noch mehr Erfahrungen auf den unterschiedlichsten Routen in verschiedenen Topografien und Klimazonen Europas zu sammeln, hat der Hersteller zwei voll ausgeladene Lastzüge auf die „eActros 600 European Testing Tour 2024“ durch über 20 europäische Länder geschickt. Hier sollten auf über 13.000 km vor allem der Energieverbrauch, die Reichweiten und das „Nachtanken“ ausschließlich an öffentlichen Ladestationen unter die Lupe genommen werden. „Die Test-Tour hat uns gezeigt, dass batterieelektrischer Fernverkehr in Europa schon heute möglich ist. Die beiden eActros 600 Prototypen haben sich dabei als äußerst zuverlässige Gefährten erwiesen“, sagt Christof Weber, Chef-Tester bei Mercedes-Benz Trucks. Die kalkulierte Reichweite von 500 km mit einer Batterieaufladung hätte sich trotz anspruchsvoller Topografie sowie bei Wind und Regenwetter als realistisch erwiesen. Der Beginn der Serienproduktion im Lkw-Werk Wörth am Rhein ist für Ende 2024 geplant.

Künftig soll der eActros 600 per Megawattladen seine Energie bekommen. Erste Versuche mit 1.000 kW Ladeleistung hat Mercedes bereits erfolgreich in Wörth durchgeführt. | Foto: Daimler Truck AG
Künftig soll der eActros 600 per Megawattladen seine Energie bekommen. Erste Versuche mit 1.000 kW Ladeleistung hat Mercedes bereits erfolgreich in Wörth durchgeführt. | Foto: Daimler Truck AG

Neue Marke TruckCharge

Alle bestehenden und zukünftigen Angebote rund um E-Infrastruktur und das Laden von Elektro-Lkw wie Beratung, Hardware und digitale Dienste fasst Daimler Truck unter der neuen Marke TruckCharge zusammen. Das Unternehmen will Kunden damit von der Energiegewinnung bis hin zum Fahrzeugbetrieb ein wirtschaftliches Gesamtpaket anbieten. Da in der Regel Lkw unterschiedlicher Hersteller in Speditionen eingesetzt werden, soll TruckCharge unabhängig von der Lkw-Marke funktionieren. Die offizielle Vorstellung von TruckCharge soll auf der IAA Transportation 2024 in Hannover erfolgen.

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Die Ladebuchse am eActros 600 befindet sich wahlweise links oder rechts am Chassis. | Foto: Daimler Truck AG
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