B_I: Frau Prof. Mettke, Sie gelten als Expertin für das Thema Recyclingbeton. Seit wann forschen Sie zu dem Thema?


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Prof. Mettke: Eigentlich fasziniert mich der Baustoff Beton mein gesamtes Berufsleben. Seit den 80er Jahren habe ich mich verstärkt mit der Wiederverwendung von Betonbauteilen auseinandergesetzt, um zu klären, ob industriell hergestellte Gebäude (Montagebauten) überhaupt rückbaufähig sind und ob die Betonbauteile beschädigungsarm demontiert werden können, um sie als Bauteil wiederholt nutzen zu können. Tatsächlich hat das Upcyceln von Betonfertigteilen funktioniert. Nun sind aber viele Gebäude in Massivbetonbauweise, also in Ortbeton oder als Mauerwerk errichtet und stehen jetzt zum Rückbau an. Dabei geht es darum, aus dem erzeugten Bauschutt die Zuschlagstoffe/Gesteinskörnungen Kiese oder Splitte zurückzugewinnen, d.h. um ein rohstoffliches Recycling. Bei der Verwertung der rezyklierten Baustoffe sollte es vor allem um einen wertgleichbleibenden Einsatz gehen und nicht um einen minderwertigen. Es handelt sich ja um einen Sekundärrohstoff, der möglichst wieder so eingesetzt werden sollte, wie er ursprünglich beansprucht war, möglichst noch qualitativ besser: Fachleute sprechen dann zuweilen vom Upcycling im Gegensatz zum Downcycling, wenn geprüfter und zertifizierter Recyclingbaustoff lediglich für Verfüllzwecke verwendet wird.

Zum Thema Recyclingbeton wurde auch schon zu DDR-Zeiten geforscht, aber leider nicht umgesetzt. Ich habe später, im Jahr 2008, im Rahmen eines von der DBU geförderten Projektes gemeinsam mit dem IFEU-Institut eine Untersuchung zur Akzeptanz von Recyclingbaustoffen zur Herstellung von Beton durchgeführt. Meine diesbezüglichen wissenschaftlichen Begleituntersuchungen erfolgten beim Bau eines Wohnhauses in Ludwigshafen. Gemeinsam mit dem Transportbetonproduzenten TBS am Standort in Mannheim wurden mehrere Betonrezepturen mit rezyklierter Gesteinskörnung getestet und schließlich auch nach umfangreichen Prüfungen, den normativen Vorgaben entsprechend, verbaut. Das war damals insofern neu, weil das Thema Bauen mit Recyclingbeton in Vergessenheit geraten war.

Prof. Angelika Mettke im Interview über RC-Beton: "Der Recyclinganteil könnte höher sein"
„Betonarbeiten sollten zumindest produktneutral ausgeschrieben werden.“ Prof. Dr.-Ing. Angelika Mettke | Foto: BTU Cottbus

B_I: Sie haben das in Recyclingbeton realisierte Projekt Umweltstation in Würzburg wissenschaftlich begleitet. Auf welche Herausforderungen mussten Sie sich einstellen?

Prof. Mettke: Eine besondere Herausforderung war, lokale Lieferanten zu finden, die in der Lage sind, Recycling-Gesteinskörnungen für Beton qualitätsgerecht zu produzieren und Betonproduzenten zu kontaktieren, die bereit sind, RC-Beton herzustellen. Aus ökologischen Gründen (geringe Transportwege) war es Ziel, dass die Produzenten aus der Region kommen. Da war zunächst eine umfangreiche kommunikative und interdisziplinäre Arbeit zu leisten, um beispielsweise zu erklären, welche bau- und umwelttechnischen Anforderungen rezyklierte Gesteinskörnungen erfüllen müssen. Mit der der Firma Bäuerlein fanden wir einen Lieferanten, bei dem schnell die Erkenntnis wuchs, dass man mit Recyclingbaustoffen die eigenen natürlichen Ressourcen schonen kann. Mit verschiedenen Betonproduzenten wurden Versuche gefahren, um Rezepturen für die geforderten Betonfestigkeitsklassen zu entwickeln. Das war sehr interessant und hat auch Spaß gemacht, gemeinsam mit den Praktikern zu arbeiten und deren Sichtweisen zu verstehen.

Das Ergebnis war jeweils: es spricht nichts gegen den Einsatz von Recyclingbeton. Das Bauwerk in seiner elliptischen Form war insgesamt anspruchsvoll – aus architektonischer und Tragwerks-Sicht. Und auch Sichtbetonqualität sollte erreicht werden. Es stellte sich heraus, dass Recyclingbeton sich genauso verhält wie jeder herkömmliche Beton. Das Wesentliche ist, dass die Anforderungen detailliert ausgeschrieben werden und die Bauausführung regelmäßig überwacht wird. Und das war hier der Fall. Wir haben ständig Gespräche mit allen am Projekt beteiligten Akteuren geführt.

B_I: Sie haben also quasi Grundlagenforschung betrieben? Gab es noch keine Voruntersuchungen und Erfahrungen?

Prof. Mettke: Nein Grundlagenforschung haben wir nicht betrieben, denn wir konnten auf normative Grundlagen und Regelwerke zurückgreifen und außerdem auf Kenntnisse und eigene Erfahrungen. Wenn jedoch der Betonproduzent eine neue Betonsorte produziert, muss ein neuer Nachweis erbracht werden, es muss eine sogenannte Erstprüfung erfolgen. Bei der Produktion von Recyclingbeton muss außerdem eine sogenannte erweiterte Erstprüfung erfolgen. Denn am rezyklierten Gesteinskorn haftet in der Regel noch etwas Zementstein, der poröser ist als das Gesteinskorn (Kies oder Splitt) selbst und Wasser stärker aufnimmt. Daher ist die Wasseraufnahme der rezyklierten Gesteinskörnung zu prüfen, um den Wasser-Zement-Wert, der Einfluss auf die Verarbeitbarkeit und Festigkeit hat, bestimmen zu können.

B_I: Warum gibt es in Deutschland so viel Vorbehalte gegenüber Recyclingbeton?

Prof. Mettke: Ja, das stimmt: Vorbehalte gibt es in der Tat immer noch, auch wenn sie unberechtigt sind, denn ein Baustoff definiert sich über die Qualität und mehrfach wurde bewiesen, dass Recyclingbeton gegenüber (Normal-)Beton gleichwertig ist. Angeführt werden solche Argumente wie: „Weshalb soll rezyklierte Gesteinskörnung zur Betonherstellung verwendet werden, wenn doch Qualitätskies vor Ort ansteht bzw. verfügbar ist. Außerdem sei dieser kostengünstig erhältlich“. Hinzu kommt, dass viele Betonproduzenten eigene Kiesgruben besitzen. Aber die Verfügbarkeit natürlicher mineralischer Rohstoffe ist nicht flächendeckend gegeben. So importieren zum Beispiel. norddeutsche Betonhersteller die Gesteinskörnungen aus Skandinavien oder südbayerische Betonhersteller bereits ihre Zuschlagstoffe aus Kroatien. Die Auffassung, Naturrohstoff sei noch überall ausreichend vorhanden, muss ausgeräumt werden. Aber auch die Unkenntnis zum Baustoff Recyclingbeton an sich spielt eine Rolle. Deshalb ist es wichtig, entsprechende Kenntnisse in der Aus- und Weiterbildung zu vermitteln. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz oder Berlin ist man offensichtlich am weitesten, denn inzwischen sind etliche Bauvorhaben mit Recyclingbeton realisiert worden.

Recycling ist ein regionales, sogar lokales Thema, denn städtische Ballungsgebiete liefern die besten Voraussetzungen zum Recycling: riesige Mengen an Bauschutt fallen durch Abbruch-/Rückbaumaßnahmen von Gebäuden und baulichen Anlagen an, die in der Regel wieder durch neue zu ersetzen sind. Recyclinganlagen befinden sich in unmittelbarer Nähe, meist am Stadtrand gelegen. Insofern gibt es kurze Wege von Lieferant zu Lieferant. Andererseits: es können niemals alle neuen Bauwerke in Recyclingbeton realisiert werden, da nur etwa 12-15 Prozent an natürlichen Rohstoffen durch Recyclingbaustoffe substituiert werden können.

Grundsätzlich besteht dennoch bis heute das Problem, dass noch zu wenig Recyclingbeton verbaut wird. Wir sind noch zu weit von einem normalen Vorgang entfernt. Es muss Recyclingbeton anstelle (Normal-)Beton ausgeschrieben und nicht per Ausschreibung verhindert werden. Insoweit sind die ausschreibenden Stellen für mich ein großer Hebel; Betonarbeiten sollten zumindest produktneutral ausgeschrieben werden. Aufgrund restriktiver Einsatzmöglichkeiten von Recyclingbeton scheiden einige Anwendungsbereiche ohnehin aus. Entsprechend des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der Beschaffungsrichtlinien der Länder sind umweltfreundliche Produkte zu bevorzugen, auch wenn sie teurer sein sollten.

B_I: In Deutschland gibt es eine Deckelung von aufbereiteten Recyclingbaustoffen im Frischbeton. Gibt es dafür berechtigte Gründe?

Prof. Mettke: Gemäß Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton dürfen maximal 45 Prozent der groben Gesteinskörnungen durch Recyclingbaustoffe substituiert werden, bei höherer Umweltbeanspruchung 25 Prozent. Der Anteil an Mauerwerksplitt soll zehn Prozent beim Liefertyp 1 (Betonsplitt) und 30 Prozent beim Liefertyp 2 (Bauwerksplitt) nicht überschreiten. Die Deckelung hängt von der Expositionsklasse ab, also davon wie stark der Beton von Umwelteinflüssen beansprucht wird, wie stark er der Witterung ausgesetzt ist, ob es sich um ein Innen- oder ein Außenbauteil handelt und von der Frostbeanspruchung. Davon hängt die Menge der Beimischung ab also 45 oder 25 Prozent.

Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Deutschen Ausschuss für Stahlbeton-Regelung wollte man zunächst Erfahrungen im Umgang mit Recyclingbeton sammeln. Ausgenommen ist der Einsatz von Recycling-Gesteinskörnungen zur Herstellung von Leichtbeton und Spannbeton. Die Festigkeitsklasse ist auf ein C30/37 begrenzt. Gleichwohl gibt es auch durch unsere Forschungsarbeiten den Nachweis, dass der Recyclinganteil höher sein könnte und höhere Festigkeitsklassen erzielbar sind. Wenn man außerhalb der normativen Vorgaben Recyclingbeton verbaut und produziert, ist eine „Zulassung im Einzelfall“ oder eine „allgemeine bauaufsichtliche Zulassung“ erforderlich. Es muss also immer ein zusätzlicher Nachweis erbracht werden. Hält man sich an die Vorgaben, sind keine zusätzlichen Nachweise erforderlich.

In der Schweiz beispielsweise ist das anders, dort dürfen 100 Prozent Recyclingbaustoffe beigemischt werden. Dort ist man also einen Schritt weiter. Das geht sogar so weit, dass natürliche Zuschläge nur dann verwendet werden dürfen, wenn Recyclingbaustoffe für das Bauwerk nicht geeignet sind. Allerdings gibt es dort auch nicht so viele natürliche mineralische Rohstoffe. Wichtig wäre, alle diesbezüglichen Ergebnisse aus dem universitären und bauwirtschaftlichen Bereich zu bündeln. Ich bin sicher, dass dann die heutige Regelung nachgebessert werden könnte. Im Übrigen ist eine Aktualisierung der Stahlbeton-Richtlinie des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton zum Recyclingbeton bereits in Bearbeitung.

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B_I: Lieferanten von Recyclingbaustoffen klagen über Fremdstoffe im Recyclingmaterial, insbesondere Kunststoff, das mühsam aussortiert werden muss.

Prof. Mettke: Ich kenne viele Recycler, die in ihrer Recycling-Anlage eine Sichteranlage installiert haben. Dabei werden leichte Stoffe wie Kunststoffe im Luftstrom oder durch Waschen ausgetragen. Grobe, größere Fremdstoffe werden maschinell oder per Hand ausgelesen. Meine Untersuchungen haben ergeben, dass etwa ein Prozent Störstoffe im aufgegebenen Bauschutt enthalten sind. Bewehrungseisen im Beton werden durch das Zerkleinern freigelegt und wird mit Überkopfmagneten aussortiert und dann ebenfalls recycelt.

B_I: Kommen wir zu den Kosten. Ist die Angst vor höheren Kosten bei Recyclingbeton berechtigt?

Prof. Mettke: Nach unseren Untersuchungen konnte der Recyclingbeton mitunter etwa fünf Euro günstiger pro Kubikmeter als herkömmlicher Beton hergestellt werden. Das Problem ist eher, überhaupt einen Recycler in der jeweiligen Region zu finden. Ein großer Kostenfaktor ist der Transport. In Berlin werden Kiese teilweise aus einer Entfernung von etwa 120 Kilometer angefahren, dann hat Recyclingbeton natürlich einen besseren Stellenwert. Mein Fazit: Recyclingbeton ist nicht beziehungsweise muss nicht teurer sein; es hängt von den lokalen Rahmenbedingungen ab.

Die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid in Betonrezyklat kann die Klimabilanz verbessern - neben der Möglichkeit, den Zementanteil im Frischbetonmix zu reduzieren. | Foto: Riechsteiner/Neustark
Die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid in Betonrezyklat kann die Klimabilanz verbessern - neben der Möglichkeit, den Zementanteil im Frischbetonmix zu reduzieren. | Foto: Riechsteiner/Neustark

B_I: Aus der Schweiz ist ein neues Verfahren zur Karbonatisierung, also zur Einlagerung von CO2 in Recyclingbeton bekannt geworden. Was halten Sie davon?

Prof. Mettke: Mir sind diesbezügliche Versuche bekannt, die an der Bauhaus-Universität in Weimar vor etwa 10 Jahren durchgeführt wurden und ich gratuliere dem Gründerteam aus der Schweiz, dass sie ihre Idee, CO2 in der rezyklierten Gesteinskörnung einzubinden, bis zur Marktreife geführt haben. Aus der Literatur geht hervor, dass pro Kubikmeter Recyclingbeton mehr als 10 Kilogramm CO2 gespeichert wird. Jede Entwicklung, die dazu führt, dem Beton ein umweltverträglicheres Image zu verleihen, wird unterstützt. Wobei nochmals betont werden sollte, dass der Zement für die hohen CO2-Emissionen im Beton verantwortlich ist und nicht die Gesteinskörnung. Deshalb wird an verschiedenen Themen geforscht, auch um Zement substituieren zu können. Aber auch die Zementindustrie forscht seit Jahren und hat bereits etliche Maßnahmen umgesetzt, die zur Verminderung der CO2-Emissionen führen. Hinzuzufügen ist, dass im Laufe des Nutzungszyklus der Beton etwa 16 Prozent CO2 aus der Luft aufnimmt. Das haben japanische Forscher ermittelt. Dies erfolgt in Anwesenheit von Feuchtigkeit. Dann carbonatisiert der Beton.

B_I: Vielen Dank, Frau Prof. Mettke, für das Gespräch.
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