„Wir bauen noch immer wie vor 2000 Jahren“
Um erschwinglichen Wohnraum zu schaffen, muss die Digitalisierung und die Industrialisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft vorangetrieben werden, meint Christoph Gröner. Ein „Weiter so“ der Bau- und Immobilienwirtschaft gibt es nicht für den Firmengründer, Namensgeber und Vorstandsvorsitzenden der CG Gruppe AG.
Das Mischen wird digital
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Man müsse sich auch darüber unterhalten, wie Mieter durch Nebenkosten belastet werden: „Unsere Wohnungen haben niedrigere Nebenkosten, weil Fenster dicht schließen. Nebenkosten sind mit 0,5 bis 1 Euro pro Quadratmeter anzusetzen, bei steigendem Ölpreis noch mehr. Unsere Wohnungen verbrauchen sehr viel weniger Energie, weil wir oft Photovoltaik und Geothermie einsetzen. Das ist preisstabil.“
Außerdem seien auch regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen: „In Erfurt sind 13 Euro zu viel, in München oder Hamburg dagegen ist das günstig. Warum? Weil ich in Erfurt auch günstiger bauen kann. Weil in Erfurt die Handwerker günstiger sind und das Material günstiger auf die Baustelle kommt und die Bauabwicklung günstiger ist.“
Den steigenden Baupreisen könne die CG Gruppe entgegenwirken, weil sie in Deutschland vierhundert Fahrstühle, tausende Quadratmeter Trockenbauwände, tausende von Türen einkaufe. „Dazu ist natürlich unsere Größe ganz gut geeignet, auf die Baupreise Einfluss zu nehmen, indem wir Einkaufsgemeinschaften eingehen oder auch beim Hersteller selber kaufen. Dadurch kann man der Preisentwicklung entgegenwirken“, so Gröner.
Vorbild Automobilindustrie
Bauen wie im alten Rom
Die beklagten hohen Baupreise führt Gröner auch auf die hoffnungslos rückständige Baupraxis zurück: „Warum? Weil wir auf den Baustellen wie vor 2000 Jahren den Bauprozess abwickeln. Der war nämlich im alten Rom so wie heute: Jemand hebt eine Baugrube aus, dann stellt einer fest, dass die Baugrube nicht tief genug ist, dann ist Wasser in der Baugrube. Das ist heute teilweise immer noch so, statt von vornherein vernünftig zu planen.“ Hinzu komme die mangelnde Digitalisierung: „Zwar machen gute Architekturbüros heute einen Abgleich. Sie werden aber niemals in der Lage sein, an zweidimensionalen Plänen eine fehlerfreie Planung, abgestimmt zwischen Statik, der Gebäudeausrüstung und so fort, hinzubekommen.“ Vor allem müssten Bauprozesse neu organisiert werden: „Das heißt: ich baue ein Haus und ich habe die Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) nach HOAI bereits in der Phase 3 (Entwurfsplanung) schon drin, so dass ich mich entschieden habe, wie das Haus auszusehen hat. Details müssen also schon frühzeitig feststehen. Dafür taugt die HOAI aber nicht mehr, möglicherweise wird sie nach EU-Recht sowieso obsolet.“
Mit Fertigteilen die Produktivität erhöhen
Dass die Zukunft des Bauens in der Vorfertigung liegt, davon ist Christoph Gröner überzeugt, auch um dem eklatanten Fachkräftemangel zu begegnen: „Bei guter Planung wäre ein Haus mit Fertigteilen in einem Viertel der Zeit gebaut, und wenn dann auch die Innenwände noch als Teilfertigwände erstellt würden, dann wäre ein Haus ohne irgendwelche qualitativen Einbußen in sechs bis neun Monaten gebaut.“ In seiner Vision kann die Produktivität um das Sechsfache erhöht werden: Wenn in der Halle vorproduziert wird, zum Teil mithilfe von Robotern, könne der Lohnanteil um 55 bis 60 % reduzieren werden.
Wird das schon auf seinen Baustellen praktiziert? „Nein“, sagt er, „aber wir arbeiten daran, wir bilden unsere Leute in diesem Sinne aus. Wir haben in Leipzig ein Innovationszentrum gegründet, in dem geforscht wird, wie wir beispielsweise auf der Baustelle die Fliesen vorkonfektionieren. Wenn wir einen Raum dreidimensional aufnehmen, kann das Parkett fertig geschnitten auf die Baustelle kommen, damit der Parkettleger nicht fünfmal nachmessen muss. sondern das vornummerierte Parkett verlegt“.
In Erfurt baut die Unternehmensgruppe gerade ein Fertigteilwerk. Hier sollen ab dem kommenden Jahr die ersten Fertigteile vom Band laufen, und zwar Betonwände und -decken, alles ab der Bodenplatte, monolithisch. Mit zehn Meter langen und vier Meter breiten Schaltafeln könne jede Form hergestellt werden. Bei bis zu 97 % Vorfertigung sei dann kaum noch Handarbeit nötig. Bis zu 2000 Wohnungen sollen auf diese Weise jährlich gebaut werden können. Die Gefahr der Typisierung und der Wiederholung sieht Gröner nicht, im Gegenteil: „Weil wir hier in Mitteleuropa eine Stadtentwicklung pflegen, sollte in der Stadt alles aufeinander abgestimmt sein, beispielsweise die Fassaden. Das entspricht unserer Wohnkultur, wir brauchen Vielfalt.“
„Tempelhof bebauen“
Protesten könne man entgegenwirken, wenn beispielsweise konsequent ökologisch geplant würde, mit Nullenergie-Gebäuden, mit grünen Flächen und Flächen für Radfahrer. Wichtig sei jedoch, die Bevölkerung in die Entscheidungen einzubinden und zu sagen: „Ihr entscheidet jetzt über höhere Baupreise, wenn ihr Kleingartensiedlungen, Flughäfen und sonstiges nicht bebauen lasst. Hat das denen jemand gesagt? Hat jemand gesagt: Wenn ihr das so entscheidet, entscheidet ihr über 12 Euro Miete und nicht 8 Euro?“
„Die Zukunft ist BIM“
In der Baubranche hat sich Christoph Gröner wegen seiner Kritik an der nach seiner Auffassung zu schleppenden Digitalisierung der Baubranche nicht nur Freunde gemacht. Doch er ist überzeugt, dass BIM zum Selbstverständnis der Bau- und Immobilienindustrie werden muss. Das Ziel, die Produktion von Wohnflächen ohne Abstriche an der Qualität industriell zu schaffen, könne nur durch BIM gelingen, weil nur dadurch Transparenz und Darstellbarkeit gewährleistet seien. „Wer BIM beherrscht, hat eine solche Transparenz, dass alle am Bauvorhaben Beteiligten sie nachvollziehen können: Gibt es eine Kostenüberschreitung, wo sind wir in der Bauzeit. Diese Transparenz ist auch gut im Verhältnis zu Banken. Wer BIM beherrscht, kann sich teure Gutachten von Ernst & Young sparen, das haben wir dann auf Tastendruck.“
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Nach seiner Meinung werde BIM oft vereitelt, weil immer noch an einer zweidimensionalen Ausschreibung festgehalten werde. „Wir müssen dazu kommen, die 3D-Planung in eine Massenermittlung zu bringen. Das geht heute. Dazu müssen Datenbanken angelegt werden. Das alles ist keine Hexerei.“ In anderen Wirtschaftzweigen sei das längst Praxis, sagt er und bemüht wieder die Autobranche: „Ein Auto ist viel komplexer als ein Haus. Allein ein Motor enthält mindestens so viele Teile wie ein Haus. Die Zukunft ist BIM. Ich glaube, dass in den nächsten zwei Jahren der Durchbruch kommt und sich dabei die Spreu vom Weizen trennt.“ Bei der Digitalisierung müsse die Politik eine Vorreiterrolle spielen, beispielsweise bei Bauanträgen. Wenn die Genehmigungsverfahren digitalisiert würden, hofft Gröner, könnten die Sachbearbeiter das Doppelte abarbeiten. Aber: „All das wird von der Politik leider vernachlässigt“.
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