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Verbändebündnis fordert mehr Fördergelder und weniger Standards

Das Verbändebündnis Wohnungsbau hat die Bundes- und die Landespolitik aufgefordert, sofort eine Sonderförderung für den Wohnungsneubau aufzulegen. Pro Jahr sind 23 Milliarden Euro nötig, um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, so die Verbände. Das Fehlen von inzwischen 800.000 Wohnungen sei sozialer Sprengstoff und drohe weiten Teilen der Wirtschaft massiv zu schaden.

Wohnungsbau-Krise: Verbändebündnis fordert mehr Fördergelder und weniger Standards
In Deutschland wird nur noch teurer Wohnungsbau gefördert. Das muss dringend geändert werden, fordert das Verbändebündnis Wohnungsbau. | Foto: B_I/bb

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Der Wohnungsbau steckt tief in der Krise. Seit 2020 sind die Baukosten um über 42 Prozent gestiegen, die Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau rückläufig. In diesem Jahr erwarte das Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beim Wohnungsbauvolumen einen deutlichen nominalen Rückgang von 5,4 Prozent, sagte Prof. Martin Gornig auf dem diesjährigen Wohnungsbautag im Verbändehaus im Berliner Regierungsviertel. Für den Staat bedeute das ein dickes Minus von fast 5 Milliarden Euro bei den Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr.

Gleichzeitig berge das Fehlen von mittlerweile 800.000 Wohnungen in Deutschland sozialen Sprengstoff, so das Wohnungsbau-Bündnis, das den Wohnungsbautag am 11. April bereits zum 15. Mal organisierte. Nicht nur, dass fehlender Wohnraum Fachkräfte aus dem Ausland zunehmend davon abhält, nach Deutschland zu kommen. Jeder dritte Mieterhaushalt sei inzwischen mit seinen Wohnkosten überlastet, jeder sechste Mieterhaushalt müsse über 40 Prozent für die Kaltmiete aufbringen. Zudem lebten aktuell über 9 Millionen Menschen in Deutschland in überbelegten Wohnungen, besagt eine aktuelle Studie des Kieler Bauforschungsinstituts ARGE. „Durch die Krise im Wohnungsbau eskaliert die Wohnungsnot. Gelingt es nicht, die Krise abzuwenden, folgt den wohnungsbaupolitischen Defiziten ein sozialpolitisches Versagen“, warnt das Wohnungsbau-Bündnis.

Zeigte die immense Bedeutung des Wohnungsbaus für die deutsche Wirtschaft auf: Prof. Dr. Martin Gornig, DIW Forschungsleiter | Foto: Tobias Seifert
Zeigte die immense Bedeutung des Wohnungsbaus für die deutsche Wirtschaft auf: Prof. Dr. Martin Gornig, DIW Forschungsleiter | Foto: Tobias Seifert

Baubranche leidet unter eingebrochenem Wohnungsbau

Das Wegbrechen des Wohnungsneubaus trifft die Baubranche hart. Fast 20 Prozent der Wohnungsbauunternehmen berichten aktuell laut ifo Institut von stornierten Aufträgen, zu wenig neu Aufträge kommen hinzu. Über 56 Prozent der Baubetriebe meldeten einen Auftragsmangel. „Wegen fehlender Aufträge reduzieren viele Unternehmen ihre Bauaktivität“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. Dazu kommt der Fadenabriss bei den Baugenehmigungen. Nicht umsonst sind die Geschäftserwartungen im Wohnungsbau pessimistisch. Noch halten die Bauunternehmen weitgehend ihr Personal, doch immer häufiger ist von Kurzarbeit und Kapazitätenabbau die Rede. Für den hohen Bedarf an Neubautätigkeit ist das fatal: „Wir können dann einfach nicht mehr bauen“, sagte ZDB-Präsident Wolfgang Schubert-Raab auf dem Wohnungsbautag.

Wie schafft Deutschland den Weg aus der Wohnungsbau-Krise?

Um den Wohnungsbau wieder in Fahrt zu bringen, hat das Verbändebündnis verschiedene Forderungen aufgestellt. So müsse der Staat eine „Ad-hoc-Förderung“ für den Wohnungsneubau bereitstellen, die KfW-Förderung verstetigen und die baulichen Standards lockern, um die Baukosten zu senken. Nach Berechnungen der Kieler ARGE müsse der Staat pro Jahr 23 Milliarden Euro in den Wohnungsneubau stecken, allein 15 Milliarden Euro für 100.000 Sozialwohnungen und weitere 8 Milliarden Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen. Schon vor einem Jahr hatte das Verbändebündnis ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro bis 2025 gefordert. Geschehen ist in dieser Richtung aber nichts.

Bundesbauministerin Klara Geywitz setzt beim Wohnungsbau auf regionalisierte Bedarfsprognosen. | Foto: DGfM/C. Pflug
Bundesbauministerin Klara Geywitz setzt beim Wohnungsbau auf regionalisierte Bedarfsprognosen. | Foto: DGfM/C. Pflug

Zinsverbilligungs-Programm von 1 Prozent gefordert

Nötig sei „ein breit angelegtes Zinsprogramm für den bezahlbaren Wohnungsbau“, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. „Ein Zinssatz von einem Prozent könnte die Bautätigkeit enorm ankurbeln.“ In Kombination mit der günstigeren seriellen und modularen Bauweise könnten Wohnungsunternehmen dann bezahlbare Mieten von 12 Euro pro Quadratmeter realisieren, „statt der derzeit notwendigen mindestens 18 Euro pro Quadratmeter, die sich kaum jemand noch leisten kann.“ Gefördert werde aktuell nur teures Wohnen.

Zudem müsse die Neubauförderung durch die KfW verstetigt werden, um verlässlich planen zu können, forderte das Bündnis. Immer wieder war es in den letzten Jahren zu einem vorzeitigen Versiegen der Fördertöpfe und Verzögerungen beim Wiederanfahren der Förderprogramme gekommen. Die Folge war eine starke Verunsicherung und Zurückhaltung der Immobilieninvestoren.

Baukosten senken durch Senken von Standards

„Wir müssen einfacher bauen. Wir müssen anders bauen. Sonst bauen wir bald gar nicht mehr.“ Prof. Dietmar Walberg | Foto: Tobias Seifert
„Wir müssen einfacher bauen. Wir müssen anders bauen. Sonst bauen wir bald gar nicht mehr.“ Prof. Dietmar Walberg | Foto: Tobias Seifert
Einen wichtigen Hebel sehen die Wohnungsbauexperten in der Verschlankung der gesetzlich vorgeschriebenen technischen Bauanforderungen. „Um schnell wieder bezahlbare Wohnungen bauen zu können, müssen sofort alle Möglichkeiten genutzt werden, die Baukosten zu senken. Und das geht nur über ein Senken der Standards“, sagte Prof. Dietmar Walberg von der Kieler Arge. Viele Normen, Vorgaben und Auflagen seien „schlichtweg überzogen“, so Walberg. In den letzten zwanzig Jahren hätten sich die Baukosten im Wohnungsbau pro Quadratmeter verzweieinhalbfacht. Preistreiber sei dabei vor allem die Gebäudetechnik. Vermindert werden könnten laut Walberg vor allem die Standards beim Schallschutz, aber auch beim Brandschutz und der Energieeffizienz. "Fachlich gesehen ist der GEG-Standard völlig ausreichend", so Walberg. Auch dem Klimaschutz würde das helfen, da weniger CO2-intensives Baumaterial wie Stahl und Beton verbraucht würde. Das Bündnis fordert deshalb, die KfW-Förderung nicht an den Standard EH40 zu binden. Walberg: "Wer glaubt EH40 habe etwas mit Klimaschutz zu tun, Entschuldigung, das ist grober Unfug."

Einfacher bauen mit "Regelstandard E"

„Einfacher Bauen“ sei möglich mit Maßhaltung, Skalierung, Substitution und Prozessoptimierung. Der so entstehende „Regelstandard E“ zeichnet sich durch 25 Prozent geringere Herstellungskosten, niedrigeren Ressourcen- und Materialverbrauch aus, ohne dabei geltende Normen oder Mindestanforderungen zu unterschreiten. Reduzierte Deckendicken (18 cm Stahlbetondecke, statt 20 cm) und geringere Außenwanddicken (11,5 cm KS-Außenwand statt 17,5 cm) würden nicht nur Baukosten senken, sondern führten auch zu zusätzlichen Wohnflächen und damit zu höheren Gebäudertragswerten. Die Wohnungsbauförderung in Schleswig-Holstein stelle bereits auf diesen „Regelstandard E“ ab und schaffe damit rechtssichere Rahmenbedingungen. Um dies auch ohne Förderung zu ermöglichen, da waren sich Politik und Verbände mal einig, braucht es dringend zivilrechtliche Änderungen. Denn die in der Niedrigzinsphase und mit Förderungshochlauf gebauten Wohnungen bestimmen derzeit die anerkannten Regeln der Technik. Um davon rechtssicher abzuweichen, ist ein staatlich vorgegebener Regelstandard nötig.

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