Die Folgen eines verzögerten Zuschlags
Ein öffentlicher Auftraggeber will einem Bauunternehmer den Zuschlag erteilen – kann oder darf dies aber nicht. Beim Zuschlag dann haben sich die Umstände für die Vertragsausführung oft erheblich verändert, z.B. durch höhere Preise. Muss der Auftraggeber die entstandenen Mehrkosten übernehmen oder nicht?
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Mitte 2009 hat der Bundesgerichtshof erstmals über die Folgen eines verzögerten Zuschlages entschieden. Die ersten Entscheidungen mussten noch vieles offen lassen. Mittlerweile hat sich eine gefestigte und verlässliche Rechtsprechung entwickelt, die fast alle der anfänglichen Fragen und Lücken abdeckt.
Ausgangsfall
Ein öffentlicher Auftraggeber will einem Bauunternehmer den Zuschlag erteilen – kann oder darf dies aber nicht. In den meisten Fällen liegt dies an einem Nachprüfungsverfahren, manchmal aber auch an einem verzögerten Planfeststellungsverfahren oder einfach an internen Gründen. Entscheidend ist jeweils, dass es um Gründe geht, die eher den Auftraggeber als den Auftragnehmer betreffen – ohne dass der Auftraggeber auf sie Einfluss nehmen könnte. Ganz unjuristisch geht es um alle Situationen, in denen der Auftraggeber gerne den Zuschlag erteilen würde, dies aber aus bestimmten Gründen nicht kann oder darf.
Kein Zuschlag im Nachprüfungsverfahren
Ausgangspunkt der Rechtsprechung zum verzögerten Zuschlag war eine gewissermaßen klassische Situation: Ein Konkurrent hat ein Nachprüfungsverfahren beantragt, und während des Nachprüfungsverfahrens darf der Auftraggeber von Gesetz wegen den Zuschlag nicht erteilen. Dieses Zuschlagsverbot hat der Gesetzgeber aufgestellt, um zu verhindern, dass einem Nachprüfungsantrag durch Zuschlagserteilung Sinn und Fundament entzogen werden. Denn Ziel des Nachprüfungsverfahren ist es, Art und Weise einer bevorstehenden Vergabe zu prüfen und die rechtswidrige Benachteiligung von Unternehmen zu beseitigen und insbesondere ihnen die Chance auf die Auftragserteilung offen zu halten.
Angebotsbindung verlängern
Nachprüfungsverfahren dauern vor der Vergabekammer nur wenige Wochen, aber das zweitinstanzliche Verfahren vor dem Oberlandesgericht kann schon etwas länger dauern. Im allerersten vom BGH entschiedenen Fall ging es beispielsweise um eine Verzögerung von insgesamt einem Jahr. In einem solchen Fall werden die Bieter eigentlich immer gebeten, die Bindung an ihr Angebot zu verlängern.
Der Auftraggeber würde also gerne den Zuschlag erteilen, darf bzw. kann es aber nicht.
Die alten Termine gelten weiter!
Im ersten vom BGH entschiedenen Fall war es so, dass die ursprünglich in den Vergabeunterlagen vorgesehenen Termine bei Zuschlagserteilung bereits abgelaufen waren. Der öffentliche Auftraggeber hat ja das Problem, dass er in Offenen Verfahren die Vertragsbedingungen nicht mehr verhandeln kann – und schon gar mit nur einem einzigem Bieter.
Der BGH hat von Anfang an entschieden, dass der Vertrag in so einem Fall (erst einmal) mit den ursprünglich vorgesehenen Terminen abgeschlossen wird – auch wenn diese schon abgelaufen sein sollten. Das ist für den unjuristischen Betrachter und für viele Juristen ein ganz ungewöhnlicher Ansatz, für den der BGH sich entscheiden hat. Auch wenn also die in den Vergabeunterlagen genannten Termine vorbei sind, sind sie Vertragsinhalt. Dabei kann es aber natürlich nicht bleiben, denn eine sichere Terminsituation ist für Auftraggeber wie Auftragnehmer ein entscheidender Vertragsbestandteil.
Terminanpassung nötig
In einer zweiten Stufe ist daher – nach Vertragsschluss – der Vertrag mit seinen Terminen der Wirklichkeit anzupassen. Diese Anpassung läuft dann wieder in sehr bekannten Bahnen, nämlich in Anlehnung an § 2 Abs. 5 VOB/B. Weil der Auftraggeber keine „Anordnung“ erteilt, sondern sich nur dem Zwang des Faktischen beugt, greift § 2 Abs. 5 VOB/B nicht direkt – aber das ist in der Praxis zum Glück praktisch unwichtig.
Anspruch nur bei Terminänderung
Für einen Anspruch auf eine geänderte/zusätzliche Vergütung müssen also zwei Voraussetzungen vorliegen: verspäteter Zuschlag und eine notwendige Anpassung des geschlossenen Vertrages an neue Termine.
Aber auch ohne neue Termine kann ein verspäteter Zuschlag erhebliche Folgen haben. Dies musste ein Auftragnehmer spüren, der seinen Fall ebenfalls bis zum BGH gebracht hat. Und zwar hatte er einen Auftrag über Renaturierungsmaßnahmen, bei dem durch Pumpen etc. sehr viel Strom verbraucht wird. Er hatte einen Stromlieferanten gefunden und für die Angebotsphase gebunden. Als sich aber die Angebotsphase verlängerte und der Auftraggeber den Zuschlag nicht erteilte, sprang der Subunternehmer ab und der Auftragnehmer musste einen neuen finden. Dieser neue Subunternehmer war jedoch teurer, und bei den benötigten Strommengen machte sich das in einem mehrstelligen Betrag bemerkbar.
Kalkulation ohne Bedeutung
Der Zuschlag war aber ganz knapp vor den immer angedachten Anfangsterminen erteilt worden. Der Vertrag konnte also so durchgeführt werden wie geplant und der BGH hat dem Auftragnehmer daher keinerlei zusätzlichen Ansprüche zugestanden. Dabei hat er ausdrücklich gesagt, dass die Kalkulation des Bieters nicht Vertragsgrundlage wird und daher auch im Verhältnis zum Auftraggeber keine Bedeutung hat (jedenfalls bei dieser Konstellation des verspäteten Zuschlags).
Letztlich scheiterte das Nachtragsverlangen des Auftragnehmers im entschiedenen Fall allein daran, dass die ursprünglich im Vertrag genannten Termine nicht überschritten waren bzw. überschritten werden mussten.
Ausweichversuche
Weil es bei den Ansprüchen der Bieter meist um viel Geld geht, versuchen Auftraggeber natürlich, diesen auszuweichen bzw. vorzubeugen. Der BGH hatte bereits Gelegenheit, sich mit einigen solchen Versuchen zu befassen.
Schon im ersten Verfahren hatte sich der Auftraggeber damit verteidigt, dass der damalige Bieter und spätere Auftragnehmer doch die Bindefrist stets ohne Vorbehalt, Mehrkostenanzeige, Behinderungsanzeige oder ähnlichem verlängert hat. Daher, so die Auffassung des Auftraggebers, sei er an die angebotenen Preise gebunden (die angebotenen Termine waren wie gesagt verstrichen). Dies, so der BGH, verhindert einen Anspruch des Auftragnehmers jedoch nicht. Vor Abschluss des Vertrages gäbe es keine vertraglichen Verpflichtungen und damit auch keine Verpflichtung zu einer Mehrkostenanzeige. Außerdem seien die Mehrkosten zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch gar nicht vorhersehbar, weil der genaue Zeitpunkt des Zuschlages noch gar nicht feststand.
Mehrkostennachweis
Bei § 2 Abs. 5 VOB/B muss der Auftragnehmer nachweisen, welche Mehrkosten ihm entstanden sind. Ausgangspunkt ist dabei die Auftragskalkulation, also die Kalkulation, die dem Vertrag in seiner abgeschlossenen Form entspricht. Bei den Mehrkosten muss der Auftragnehmer genau nachweisen, welche Leistungen er ursprünglich zu welchen Preisen einkalkuliert hatte und wie sich die Leistungen und ihre Preise genau verändert haben. Dieser Nachweis muss bei § 2 Abs. 5 VOB/B positionsbezogen erfolgen. Ein großer Behinderungsnachtrag ohne Bezug zum Leistungsverzeichnis ist daher unzulässig und vom Auftraggeber zurückzuweisen.
Richtiges Verhalten des Auftragnehmers
Der BGH hat sich nicht dazu geäußert, wie sich der Auftragnehmer richtig verhalten muss, um seinen Anspruch nicht zu gefährden. Aus den Urteilen des BGH lässt sich folgendes zusammenfassen: Der BGH sagt nichts dazu, dass der Auftragnehmer irgendwann vor dem Zuschlag Behinderung angemeldet hat. Dies ist konsequent, weil vor dem Zuschlag noch keine vertraglichen Verpflichtungen (und damit auch keine Pflicht zu Behinderungsanzeige) bestehen. Übrigens: In anderem Zusammenhang bei Planungsfehlern oder anderen Fehlern in den Vergabeunterlagen hat der BGH durchaus eine Hinweispflicht gesehen.
Vorbehalt der Mehrkosten nicht erklären
Sehr intensiv geht der BGH aber auf die Frage ein, ob der Bieter bei der Verlängerung der Bindefrist einen Vorbehalt der Mehrkosten hätte erklären müssen. Dies wird vom BGH ausdrücklich verneint. Ganz im Gegenteil zeigt der BGH sogar das Risiko auf, dass ein solcher Vorbehalt zum Ausschluss des Angebotes führen könnte – denn der Vorbehalt könnte als unzulässige Änderung oder als unerlaubte Nachverhandlung angesehen werden. Auch nach dem Vertragsschluss wurde der Bieter nicht sofort aktiv, sondern er hat erst nach einer gewissen Zeit auf die eingetretenen Preissteigerungen und damit seinen Anpassungsanspruch hingewiesen. Auf diesen Punkt ist der BGH nicht ausdrücklich eingegangen, allerdings hat er insoweit wohl keine Probleme gesehen.
Zunächst kein Handeln nötig
Dies heißt für Bieter und Auftragnehmer, dass sie vor dem Zuschlag nichts unternehmen müssen, um Mehrkosten geltend zu machen. Ganz im Gegenteil könnte ein solcher Vorbehalt sogar als Änderung des Angebotes missverstanden werden und zum Ausschluss des Angebotes führen. Deswegen kann von einem solchen Vorbehalt nur abgeraten werden.
Auch nach Erhalt des Zuschlags müssen Bieter nicht sofort aktiv werden (also keine Auftragsbestätigung mit Einschränkungen oder ähnliches), allerdings sollten sie dann schnellstmöglich auf die Verschiebung der Termine und drohende Mehrkosten hinweisen.
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Möglichkeit für zusätzliche Vergütung
Die Verzögerung des Zuschlages durch den Auftraggeber gibt dem Auftragnehmer die Möglichkeit, eine geänderte oder zusätzliche Vergütung zu verlangen – wenn die Zuschlagsverzögerung sich auch auf die Bauzeit auswirkt. Dabei ist der Auftragnehmer zum genauen Nachweis der Mehrkosten verpflichtet, in Anlehnung an § 2 Abs. 5 VOB/B muss dies positionsweise erfolgen.
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