Mähgut von öffentlichen Flächen – Rohstoff oder Abfall?
Ökologische Mähkonzepte finden immer stärkeren Einzug in die Pflege von öffentlichem Grün. Die Abfuhr des Mähguts soll die Flächen abmagern und so die Artenvielfalt erhöhen. Statt Grünflächen zu mulchen, stehen Bauhöfe, Grünflächenämter, Straßenmeistereien und deren Dienstleister neuerdings häufig vor der Frage: Wohin mit dem Mähgut?
Kommunales Mähgut ist Abfall im Sinne der Gesetzgebung
Da es sich bei Mähgut des öffentlichen Grüns nicht um geerntete Anbaubiomasse handelt, sondern es meist aus Pflegegründen anfällt, muss ein „Entledigungswille“ angenommen werden, der es rechtlich in der Regel zu Bioabfall werden lässt. So entstehen teils komplexe Anforderungen, welche die Anwendbarkeit aufgeführter Beispiele im Einzelfall einschränken können. Der vorliegende Artikel möchte keine abschließenden rechtlichen Einordnungen vornehmen, sondern die Vielfalt der potenziellen Anwendungen darstellen und Grundlagen vermitteln, die einer Diskussion um die Diversifizierung der rechtlichen Möglichkeiten dienlich sein kann und perspektivische Lösungsansätze aufzeigt. Zur tatsächlichen Umsetzung von Verwertungsbeispielen sollten grundsätzlich lokale Genehmigungsbehörden kontaktiert werden.
Besonderheiten des Materials
Mähgut von öffentlichen Flächen ist zwar stofflich oft identisch zu Grünlandaufwüchsen, kann aber auch Eigenschaften aufweisen, die eine Verwertung erschweren. Dabei sind neben einer hohen Artenvielfalt und der Verholzung des spät geschnittenen Materials vor allem potenzielle Fremd- oder Schadstoffgehalte und Problempflanzen wie unter anderem die allergene Beifußblättrige Ambrosie, das Orientalische Zackenschötchen oder das Jakobskreuzkraut zu beachten. Je nach betrachtetem Verwertungspfad können solche Eigenschaften mehr oder weniger große Hürden darstellen oder unter Umständen sogar vorteilhalft sein.
Grundlagen der Mähgutverwertung
Man unterscheidet drei Hauptpfade der Verwertung: die stoffliche Verwertung, die stofflich-energetische Verwertung sowie die rein energetische Verwertung. Eine stoffliche Verwertung ist gemäß der Abfallhierarchie einer rein energetischen vorzuziehen. Hochwertige Verfahren sind nämlich solche, welche die wertgebenden Eigenschaften der Restbiomasse möglichst umfassend nutzen und hohe Emissionsstandards erfüllen (Knappe et al. 2018). Als konventionelle Verfahren gelten die Kompostierung (stoffliche Verwertung), Vergärung (stofflich-energetische Verwertung) sowie die Verbrennung (energetische Verwertung). Am hochwertigsten wird dabei die Vergärung angesehen, da das energetische Potenzial der Biomasse genutzt wird und die Gärreste meist als Dünge- oder Bodenverbesserungsmittel verwendet werden. Aber auch andere Produkte wie Verpackungen und Kartonagen können aus den Gärresten hergestellt werden, zum Beispiel vom Unternehmen Benas Power Group im niedersächsischen Ottersberg. Es sei hier ebenfalls erwähnt, dass auch die Aschereste der Verbrennung zu Düngemitteln aufbereitet werden können, wie es beispielsweise das Technologie und Förderzentrum (TFZ) in Straubing erforscht (Bachmeier et al. 2021).
Innovative Vergärung von faserreichen Reststoffen
Das Verfahren der Integrierten Festbrennstoff- und Biogasproduktion aus Biomasse (IFBB) kombiniert die Vergärung mit der Produktion von hochwertigen Brennstoffpellets. Es wurde speziell für schwer vergärbare Substrate entwickelt und wird hier beispielhaft für eine Vielzahl weiterer innovativer Verfahren zur Vergärung von Reststoffen genannt. Nach einem Anmaischen wird die Biomasse mechanisch entwässert, wobei ein Presssaft und -kuchen entsteht. Der Saft wird vergoren und verstromt, während die Abwärme zur Trocknung des damit pelletierbaren Presskuchens verwendet wird. Die Pellets sind gut lagerbar und zeigen ein verbessertes Abbrandverhalten: Durch das Abpressen problematischer Nährstoffe mit dem Pflanzensaft ist die Verschlackung und Korrosion im Feuerraum reduziert. Eine Verbrennung von kommunalem Mähgut kann zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn sich viele Problempflanzen im Mähgut befinden.
Dezentrale Kompostierung
Die anhaltende Abnahme der Humusgehalte landwirtschaftlicher Böden ist alarmierend, während dauerhaft hohe Energiepreise zu einer Verteuerung von Mineraldüngern führen. Auch reduziert sich der Torfabbau aus Klimaschutzgründen und Erdenhersteller suchen nach Alternativen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Kompost, als wichtiger Bodenverbesserer, zukünftig stärker verwendet wird. Kompostwerke verteilen sich aktuell allerdings meist pro Landkreis oder darüber hinaus und verarbeiten große Mengen an Biomassen effizient aber vergleichsweise zentral, was hohe Anlieferkosten für Unterhaltspflichtige zur Folge haben kann. Ein Ausbau von dezentralen Kleinkompostieranlagen (vgl. LfU 2023) kann deshalb gerade für Kommunen interessant sein, um Bauhofmitarbeitern und Bürgern einen guten Service zu bieten, Landwirten einen Haupt- oder Nebenerwerbszweig zu eröffnen und einen regionalen Mehrwert zu schöpfen.
Nutzung der Kompostwärme
Bei der Kompostierung entsteht durch den mikrobiellen Ab- und Umbau organischer Substanz unter Anwesenheit von Sauerstoff eine Prozesswärme, welche den Kompost hygienisiert. In sogenannten Biomeilern versucht man diese Wärme über Wärmetauscher nutzbar zu machen. Die stärkere Einhausung eines Biomeilers kann allerdings zu einem stärkeren Sauerstoffausschluss führen, was Fäulnisprozesse oder eine Treibhausgasbildung begünstigen kann. Stark verholztes strukturreiches Mähgut verklumpt allerdings weniger und kann deshalb vorteilhaft sein. An der Effizienz, Steuerbarkeit und Kompostqualität solcher Systeme muss allerdings weiter geforscht werden. Neben einem Wärmebedarf müsste ein potenzieller Anwender auch einen Kompostbedarf aufweisen, weshalb kommunale Bauhöfe, Landwirte (vgl. Morell & Morell 2022) und Gärtnereien unter Umständen besonders als Anwender geeignet wären (Schmidt-Baum & Jaschke 2020).
Mulchschichten an Gehölzstrukturen
Wird Mähgut auf einer selbst bewirtschafteten Fläche verwendet, bezeichnet man dies als Eigenverwertung, wobei nur die Paragrafen 6 bis 8 der Bioabfallverordnung berücksichtigt werden müssen. Kommunales Mähgut kann folglich als Mulchauflage für Pflanzungen oder Gehölzstrukturen auf Gemeindeflächen verwendet werden. Die positiven Effekte der Mulchschicht (Düngeeffekt, Wasserspeicherung) sollten dann zu einer erhöhten Holzproduktion führen, welche gegebenenfalls für die kommunale Wärmeversorgung genutzt werden kann. Potenzielle Problempflanzen sollten dabei nicht verschleppt werden. Es ist demnach empfehlenswert, solche Konzepte nur an ausgewählten, räumlich besonders geeigneten Teilflächen umzusetzen und immer auch darauf zu achten, naturschutzfachlich besonders relevante Gehölzstrukturen auszunehmen. An Obstbäumen wird außerdem empfohlen, das Mulchmaterial im Herbst wieder zu entfernen, um keine negativen Effekte durch Mäuse befürchten zu müssen.
Kreative Ideen sind gefragt
Auch kleinstrukturierte kreative Verwertungsformen können im kommunalen Umfeld gefunden werden, zum Beispiel die Verwendung von Mähgut für Feste: Sitzgelegenheiten, Hüpfburgen oder Einstreu gegen die Verschlammung von Bühnenbereichen können die Wertschöpfung der Grünpflege indirekt erhöhen. Gleiches gilt zum Beispiel für die Verwendung von Heuballen an Rodelpisten als Aufprallschutz. Hierbei gilt es grundsätzlich an die Kreativität kommunaler Entscheidungsträger zu appellieren.
Tiere als „Mähgerät"
Mähgut als Tierfutter
Als Tierfutter für Milchvieh eignet sich spät geschnittenes verholztes Material wegen geringerer Proteingehalte nur bedingt. Pferdebesitzer haben diesbezüglich eher ein Interesse an spät geschnittenem Heu. Problempflanzen oder Fremdstoffe im Material müssen dabei wiederum ausschließbar sein, da zum Beispiel Giftstoffe auch im abgetrockneten Zustand erhalten bleiben. Um eine Halbierung der Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung, insbesondere dem Futterbau und der Düngung zu erreichen, sollten künftig verstärkt Reststoffe verfüttert werden (Gebendorfer 2022).
Reststoffe in der Insektenzucht
Besonders dafür geeignet ist die Insektenzucht (Tang et al. 2019). Insekten wandeln beinahe die gesamte aufgenommene Biomasse in eigene Körpermasse um. Wirbeltiere dagegen wandeln den Großteil in Körperwärme um. Im Vergleich fallen so der Wasserverbrauch und die Klimagasbildung in der Insektenzucht deutlich geringer aus, während auch eine Massentierhaltung tierethisch vertretbarer ist. Insektenproteine haben einen hohen Nährwert und können auch vom Menschen genutzt werden. Da Insekten in Europa allerdings noch nicht als Gaumenschmaus gelten, werden sie meist zu Tierfutter verarbeitet, zum Beispiel als Schrot für die Fischzucht. Tatsache ist allerdings, dass weltweit rund 2300 Insektenarten für etwa eine Milliarde Menschen eine regelmäßige Mahlzeit darstellen (Jongema 2017).
Bioraffinerien: Beispiel Rohproteinproduktion als Mastfutter
Im multinationalen Projekt „GO-GRASS“ des europäischen Horizon-Förderprogramms werden unter anderem Rohproteine aus Grasschnitt extrahiert (www.go-grass.eu): eine weitere innovative Futtermittelproduktion. Möglich machen dies sogenannte Bioraffinerien, welche die wichtigste Säule einer nachhaltigen Wirtschaftstransformation hin zur Bioökonomie bilden. Analog zu Erdölraffinerien werden hier Biomassen mithilfe verschiedener Technologien in ein Spektrum an Zwischen- und Endprodukten (Chemikalien, Werkstoffe, Bioenergie, inklusive Biokraftstoffe, Futtermittel) umgewandelt. Ziel ist es, sämtliche stofflichen und energetischen Potenziale einer Biomasse nutzbar zu machen. Es handelt sich um ein komplexes Feld mit einer Vielzahl an Methoden, Produkten und Anwendungen. Für artenreiches Mähgut besteht noch ein Forschungs- und Entwicklungsbedarf, weil die notwendigen Bestandteile wie Zucker und Aminosäuren häufig nicht in einer ausreichenden Menge vorhanden sind (Thumm 2018).
Kompostställe – die etwas andere Einstreu
Daneben kann das Material in der Tierhaltung als Einstreu eingesetzt werden. Auch hierbei sind enthaltene Problempflanzen kritisch zu sehen. In tierwohlfreundlichen Kompostställen kann dies weniger problematisch sein, zumindest wenn das Material stark zerkleinert und vermischt oder in pelletierter Form vorliegt. Typischerweise bilden feinere Hackschnitzel, Hobelspäne, Sägemehl oder Getreidespelzen die Hauptbestandteile. Dieses etwa 70 Zentimeter hohe Gemisch wird nach Bedarf nachgestreut und zweimal am Tag umgefräst. So wird dabei qualitativ hochwertiger Kompost im Stall produziert.
Vielfältige Verwendung von Pflanzenkohle
In einem weiteren innovativen Einstreukonzept wird Pflanzenkohle genutzt. Das Geheimnis der Pflanzenkohle ist ihr hohes Porenvolumen und die daraus resultierenden Effekte. In der Geflügelhaltung zum Beispiel soll Pflanzenkohle als Einstreu effektiv Schadstoffe und Flüssigkeiten binden, um Fußballenkrankheiten zu verringern. Zur Herstellung von Pflanzenkohle wird Biomasse unter hohem Druck und unter Ausschluss von Sauerstoff stark erhitzt, was den natürlichen Prozess der Verkohlung imitiert.
Weil der Kohlenstoff, welchen die Pflanzen der Atmosphäre zuvor in Form von Kohlenstoffdioxid entnommen haben, dabei stabil eingeschlossen wird, kann Pflanzenkohle dem Klimawandel entgegenwirken, solange die Abwärmemengen des Prozesses genutzt werden und die Kohle in Böden oder Baustoffen verwendet beziehungsweise eingeschlossen wird. Marktreife Technologien sind die Pyrolyse sowie die Hydrothermale Carbonisierung (HTC). Pflanzenkohlen können mannigfaltig zum Einsatz kommen, indem sie unter anderem den Boden, Baustoffe oder industrielle Prozesse verbessern.
Werkstoffe und Baumaterialien
Die Renaissance des Lehmbaus
Neben diesen technischen Möglichkeiten Baustoffe zu erzeugen, gibt es ein steigendes Interesse an der Lehmbauweise, die als besonders nachhaltig gilt. Üblicherweise wird Stroh als Strukturmaterial verwendet. Der Vorteil ist dabei, dass über die Strohhalme auch Luft im Lehm eingeschlossen wird, was die Dämmwirkung erhöht. Ist dies nicht von Nöten, kann auch Heu als Strukturmaterial eingesetzt werden.
Fazit
Die erwähnten Beispiele zeigen, dass grundsätzlich viele unterschiedliche Verwertungsformen für Mähgut bekannt und aus fachlicher Perspektive machbar sind – beziehungsweise, dass vielversprechende Innovationen oder perspektivische Lösungsansätze bestehen. Der Gesetzgeber sollte im Sinne des Arten- und Klimaschutzes sowie zur Stärkung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft abfallrechtliche Hürden überprüfen oder anderweitige Anreize zur verstärkten Verwendung von ungefährlichen Restbiomassen wie Grünschnitt oder Landschaftspflegematerialien setzen.
Literaturhinweise
- Tang, C., Yang, D., Liao, H. et al. (2019): Edible insects as a food source: a review. Food Prod Process and Nutr 1, 8.
- Knappe, F.; Reinhardt, J.; Kern, M.; Turk, T.; Raussen, T.; Kruse, S.; Hüttner, A. (2018): Ermittlung von Kriterien für eine hochwertige Verwertung von Bioabfällen und Ermittlung von Anforderungen an den Anlagenbestand. Ifeu Institut für Energie- und Umweltforschung, Heidelberg, 149 S.
- Morell, S & Morell, P (2022): Mist macht warm. Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt BLW 21: 42-43.
- Schmidt-Baum, T. & Jaschke, N. (2020): Mehrkammer-Biomeiler – Neue Möglichkeiten zur Schließung regionaler Energie- und Stoffkreisläufe durch flammlose energetische Nutzung von Reststoffen. In: Tagungsband zum 14. Rostocker Bioenergieforum/19. DIALOG Abfallwirtschaft MV.
- Jongema, Y. (2017): Worldwide list of recorded edible insects. The Netherlands: Department of Entomology, Wageningen University & Research.
- Gebendorfer, H. (2022): Reststoffe gezielt verfüttern. Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt (BLW), 7, 26-27.
- Thumm, U. (2018): Use of grassland for bioenergy and biorefining. In Improving Grassland and Pasture Management in Temperate Agriculture; Marshall, A., Collins, R., Eds.; Burleigh Dodds Science Publishing: Cambridge, S 425–436
- Bachmeier, H.; Kuptz, D.; Hartmann, H. (2021): Stoffliche Nutzung von Biomasseaschen als Baustein der Bioökonomie. Berichte aus dem TFZ 72; Straubing; 112 S.
- LfU [Bayerisches Landesamt für Umwelt] (2023): Dezentrale Kleinkompostieranlagen – Merkblatt; Hrsg. Bayerisches Landesamt für Umwelt; Augsburg; 27 S.
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