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Deutschlands digitaler Flickenteppich: Standort-Risiko Internet?
Digitaler Flickenteppich: von flächendeckender Hochleistungsversorgung noch weit entfernt. Nur in Ballungsgebieten (helle Flächen) ist die Breitband-Versorgung gut. | Quelle BMVI

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Das Mischen wird digital

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Der Mann hat es nicht leicht. Als Administrator eines mittelständischen Baudienstleisters in Kiel muss Michael Möhle dafür sorgen, dass täglich eine Menge Daten über das Internet bewegt werden können, im Jahr bis zu 3 Millionen Megabyte. Dafür steht ihm eine Telefonleitung zur Verfügung, die sich mit 2 x 2 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) durch das Internet quält. „Die Leitung ist uralt, sie ist noch papierummantelt und muss aus den frühen 50er Jahren sein. Wegen der städtischen Randlage des Unternehmens scheut sich der Provider, eine moderne leistungsfähigere Leitung zu verlegen. 50 Mbit/s wären schon prima“, resümiert er, „dann würden Internetaktionen nicht den ganzen Betrieb lahm legen“. Sein Kunde hat errechnet, dass der Betrieb mit einer schnelleren Leitung bis zu 2.000 Arbeitsstunden im Jahr einsparen könnte. Zum Jahreswechsel 2014/15 kam es zum Super-Gau, als Feuchtigkeit die Telefonleitung für acht Tage lahmlegte: „Da ging gar nichts mehr. Gottseidank war der Betrieb wegen der Feiertage ohnehin eingeschränkt“, sagt er.

Langsames Internet kein Einzelfall

Das Kieler Beispiel ist kein Einzelfall. Die schnelle Internetversorgung in Deutschland ist eher die Ausnahme: Laut Statistischem Bundesamt hat nur jedes vierte deutsche Unternehmen Zugang zum schnellen Internet. Damit liegt Deutschland mal knapp über dem europäischen Durchschnitt. Außerdem fällt Deutschland wegen des geringen Ausbautempos kontinuierlich zurück. Unter einer schnellen Online-Verbindung ist eine Datenübertragungsrate von mindestens 30 Mbit/s zu verstehen. Spitzenreiter in Europa ist Dänemark, hier hat jedes zweite Unternehmen einen schnellen Zugang. Im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) betrachtet man – im Gegensatz beispielsweise zur Versorgung mit Wasser oder Strom – die digitale Versorgung nicht zur staatlichen „Daseinsvorsorge“ gehörig. Sie sei einzig und allein Sache der Netzbetreiber und nicht der Politik.

„Beim Ausbau des Mobilnetzes wurde bisher der Fokus auf Endgeräte gelegt und die Belange der Unternehmen vernachlässigt“, meint Administrator Michael Möhle
„Beim Ausbau des Mobilnetzes wurde bisher der Fokus auf Endgeräte gelegt und die Belange der Unternehmen vernachlässigt“, meint Administrator Michael Möhle

Ziel: Breitband für alle bis 2018

Um jedoch unterversorgte Gebiete zu fördern, hat die Bundesregierung ein Investitionsprogramm von 10 Mrd. Euro. aufgelegt. 1,1 Mrd. davon stammen aus dem Investitionspaket der Bundesregierung und etwa 1 Mrd. erhofft man aus den Frequenzversteigerungen für das Mobile Breitband. 8 Mrd. haben die Netzbetreiber für die Modernisierung ihrer Netze zugesagt.

Denn nach dem Wunsch der Bundesregierung soll Deutschland 2018 flächendeckend mit Breitbandnetzen versorgt werden, das mindestens 50 Mbit/s leisten kann. Für die Versorgung Europas sieht die „Digitale Agenda“ der EU-Kommission die Versorgung mit 30 Mbit/s bis zum Jahr 2020 vor. Sie sieht darüber hinaus eine Kostensenkungsinitiative vor: so sollen Synergieeffekte genutzt werden, um beispielsweise bei Straßenbaumaßnahmen die digitale Versorgung gleich mit zu berücksichtigen. Außerdem soll die sogenannte „Passive Infrastruktur“ wie Leitungsrohre, Einstiegsschächte und andere Trägerstrukturen zu fairen und angemessenen Konditionen von den Netzbetreibern gewährt werden.

Experten halten die Planung des Bundesministeriums und der EU für sehr ambitioniert, wenn nicht unmöglich – schon der anfallenden Kosten wegen. Denn je weiter die Versorgung in die Randgebiete kommt, umso teurer wird sie. Wegen der damit verbundenen mangelnden Rentabilitätserwartungen zeigen kommerzielle Netzanbieter eine geringere Bereitschaft, städtische Randlagen oder ländliche Gebiete anzuschließen.

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Breitband für alle kostet 20 Milliarden Euro

Ein Gutachten des TÜV-Rheinland ergab, dass die flächendeckende, also 100%ige Breitbandversorgung aller rund 40 Millionen deutschen Haushalte und Betriebstätten mit mindestens 50 Mbits/s rund 20 Milliarden kosten. Würden nur 75% aller Haushalte und Betriebsstätten versorgt, sinken die Kosten auf überschaubare 5,3 Milliarden. Um die letzten 5 % aller Anschlüsse zu versorgen, müssen rund 8 Milliarden – d.h. 40% der Gesamtkosten – aufgewendet werden. Dieser Kostensprung erklärt sich aus den hohen Aufwendungen für die Anschlüsse in Randlagen. Dabei geht es um einen Technologiemix aus Glasfaser und bereits vorhandenen Kupfer- und Fernsehkabel. Nach Angaben der Telekom würde die Versorgung ausschließlich mit Glasfaser die Kosten vervierfachen. Das Unternehmen kalkuliert beispielsweise die Verlegung eines Kilometers Glasfaser mit 60-80.000,- Euro.

Investitionsbedarf für die Versorgung im Leitungsmix (Glasfaser, Kupfer, Fernsehleitungen). Die letzten 5 % aller Anschlüsse kosten 8 Milliarden Euro. | Quelle: TÜV Rheinland/BMVI
Investitionsbedarf für die Versorgung im Leitungsmix (Glasfaser, Kupfer, Fernsehleitungen). Die letzten 5 % aller Anschlüsse kosten 8 Milliarden Euro. | Quelle: TÜV Rheinland/BMVI

Es geht auch anders

Ausgerechnet der bevölkerungsarme hessische Odenwaldkreis ist zum Vorzeigeprojekt avanciert. Weil sich kein Netzanbieter fand, der den Kreis mit einem modernen Kommunikationsnetz versorgen wollte, griffen der Landrat Dietrich Kübler und Jürgen Walther, Geschäftsführer der Odenwald Regional-Gesellschaft mbH (OREG), zur Selbsthilfe. In nur 18 Monaten Bauzeit wurden die rund 44.000 Haushalte und 3.200 Betriebsstätten des Kreises mit einem 330 Kilometer langen Hochleistungsnetz versorgt, das bis zu 50 Mbits/s sichert. Betreiber des Netzes ist die HSE-Medianet GmbH aus Darmstadt, während die OREG Besitzerin des Netzes bleibt. Die Kosten von 22,2 Millionen Euro wurden mit Hilfe von Landesbürgschaften vom Kreis finanziert, ohne Fördergelder. Refinanziert wird das Projekt durch Verpachtung des Netzes an den Betreiber HSE Medianet.

Für die ansässigen kleinen und mittelständischen Betriebe bedeutet die Glasfasertechnologie langfristig eine Sicherung des Standortes, in den sie nun investieren können. „Wenn wir damals nicht gehandelt hätten, hätte die Gefahr bestanden, dass Betriebe in besser versorgte Gebiete abwandern“, ist Jürgen Walther, Geschäftsführer der OREG überzeugt. Heute ist der Odenwaldkreis immer noch der einzige flächendeckend mit Glasfasernetz ausgestattete Landkreis.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im B_I baumagazin 6+7/2015.

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