Wirst Du noch ferngesteuert, oder fährst Du schon autonom?
Fahrermangel und geringe Produktivität plagen die Bauindustrie und nähren den Traum von der autonomen Baumaschine. Die Fernsteuerung bietet viele Vorteile autonomer Baumaschinen, ist aber technisch leichter zu realisieren. Wir geben einen Überblick über die am Markt verfügbare Technik und die Zukunftspläne der Hersteller.
Das Mischen wird digital
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Wer regelmäßig Baumaschinen bedient, der weiß, wie anstrengend das auf Dauer sein kann: Staub, Lärm und Vibrationen führen zu schneller Ermüdung. Dazu kommt noch das Unfallrisiko, und zwar nicht nur in gefährlichen Arbeitsumgebungen - im Berg- und Tunnelbau beispielsweise, in kontaminierten Bereichen sowie überall dort, wo gesprengt wird -, sondern ironischerweise schon beim Auf- und Absteigen von der Maschine. Für das Bedienpersonal sind ferngesteuerte Baumaschinen also vor allem eine ziemlich saubere Sache - und sicherer.
Auch Caterpillar bietet seine Kettenbagger-Baureihen 320 bis 340, die Dozer D5 und D6 und den Radlader 988K seit 2021 mit der Fernsteuerung „Cat Command“ an. Es gibt sie in zwei ganz unterschiedlichen Ausführungen: als tragbare Konsole mit maximal 400 Metern Reichweite oder als maschinenähnliche Bedienstation an einem beliebig weit entfernten Ort. Die mobile Konsole funktioniert so, wie wir herkömmliche Fernsteuerungen kennen: Sie wird mit Hilfe eines Schultergurts getragen und ermöglicht das sichere und bequeme Steuern aller Maschinenfunktionen in direktem Sichtkontakt mit der Maschine. Diese Lösung erfordert kein Mobilfunknetz auf der Baustelle und eignet sich ideal für Kurzzeit- und Notfalleinsätze unter gefährlichen Bedingungen. Nach dem gleichen technischen Prinzip, allerdings mit Smartphone-Bedienung statt tragbarer Konsole, hat Bobcat die Fernsteuerung "Maxcontrol" für seine Kompaktlader ersonnen.
Stationärer Kabinennachbau mit Live-Sound von der Baustelle
Nachrüstung der Fernsteuerung für Caterpillar-Baumaschinen möglich
Die „Command“-Technik kann von jedem Caterpillar-Händler in Form eines Bausatzes nachgerüstet werden. Das dauert bei der „Command“-Konsole etwa eineinhalb Tage, bei der Bedienstation zwei bis zweieinhalb Tage. Der Bausatz kann einfach zwischen ähnlichen Maschinen ausgetauscht werden, damit Bauunternehmen die Fernsteuerung flexibel einsetzen können.
Fernsteuerung von Baumaschinen verhindert Arbeitsunfälle
Zum Einsatz kommt die Technik vor allem dann, wenn eine Gefährdung der Fahrerinnen und Fahrer in der Kabine ausgeschlossen werden soll. In Steinbrüchen zum Beispiel ermöglichen die „Geistermaschinen“ eine kontinuierliche Produktion unmittelbar vor und nach Sprengungen oder bei schlechten Wetterbedingungen, die normalerweise den Betrieb stoppen würden. Aber auch bei anderen Einsätzen, zum Beispiel im Gebäudeabbruch, können sich die Fahrerinnen und Fahrer dank der Fernsteuerung außerhalb des Gefahrenbereichs aufhalten. Auch typische Arbeitsunfälle, wie sie beim Besteigen oder Verlassen der Maschinen immer wieder passieren – laut BG Bau die Hauptursache von Unfällen bei der Arbeit mit Baumaschinen in der Erdbewegung –, fallen mit der Fernsteuerung weg.
Baumaschinen-Fernsteuerung ermöglicht mehr Fahrerkomfort
Doch nicht nur im Hinblick auf die Sicherheit unter extremen Einsatzbedingungen hat die Fernsteuerung Vorteile, sondern auch für den Fahrerkomfort. Zwar investieren Baumaschinenhersteller viel Mühe in den Fahr- und Bedienkomfort ihrer Maschinen und insbesondere die Ausstattung der Fahrerkabinen, aber an die Bequemlichkeit und Ruhe einer Bedienkonsole im Büro kommen sie nicht heran. Maschinenvibrationen, die die Fahrerinnen und Fahrer normalerweise ordentlich durchschütteln und sie schneller ermüden lassen, gibt es hier nicht.
Fernsteuerung lindert Fahrermangel
Autonom fahrende Muldenkipper von Caterpillar
Mit „Cat Minestar Command für Hauling“ ausgestattete autonom fahrende Cat-Muldenkipper haben in Bergbauen in Nord- und Südamerika sowie Australien seit 2013 schon mehr als drei Milliarden Tonnen Gestein bewegt. Die Cat-SKW (Schwerlastkraftwagen)mit Einsatzgewichten von 200 bis 400 Tonnen sind in 17 verschiedenen Tagebauen unterwegs und transportieren dort unter anderem Eisenerz, Ölsand, Kupfer, Kohle und Gold. Die Technik ist in diesem Umfeld jahrelang erprobt und hat sich bewährt, sowohl was die Vermeidung von Unfällen angeht als auch in Bezug auf die Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Produktion beispielsweise nach Sprengungen oder bei widrigen Wetterbedingungen.
Sind autonome Baumaschinen im Tiefbau realistisch?
Außerhalb der kontrollierten Bedingungen in einem Steinbruch – etwa auf Baustellen im Hoch- oder Tiefbau – wird das autonome Fahren von Experten aber noch kritisch gesehen: Verschiedene Gewerke sind dort unterwegs, und immer wieder kreuzen auch Personen zu Fuß die Fahrwege der Baumaschinen. Viele Störfaktoren also für autonome Maschinen, auf die sie mit großem technischen Aufwand reagieren müssen. Außerdem sind Baustellen im Hoch- und Tiefbau im Gegensatz zur stationären Gewinnung von kurzer Dauer – lohnt sich das aufwändige Einrichten einer autonomen Baumaschinenflotte im Hoch- und Tiefbau also überhaupt?
Autonome Baumaschinen benötigen einheitlichen Datenstandard
Die Technik, die notwendig ist, damit Baumaschinen sich ferngesteuert oder autonom bewegen können – unter anderem Kameras und Sensoren –, ist ähnlich. Die elektrohydraulische Vorsteuerung über Joysticks, die elektrische Impulse in hydraulische Bewegungen umsetzt, ist eine Grundvoraussetzung. Gleichzeitig wird dadurch jede Maschinenbewegung mess- und damit nachvollziehbar – die Voraussetzung für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation. Und genau hier liegt das Problem: Die nach wie vor fehlenden Standards für Datenkommunikation in der Baumaschinenindustrie machen echte Autonomie derzeit noch unmöglich. Solange Maschinen nicht dieselbe Sprache sprechen, können sie nicht als „Schwarm“ betrieben werden, geschweige denn gemeinsam autonom agieren.
Wacker Neuson arbeitet an Prototypen für autonome Baumaschinen
Wacker Neuson beteiligt sich zwar an verschiedenen Forschungsprojekten und hat einige Prototypen gebaut, aber, so sagt Franz Rimböck, Leiter des Bereichs Digitalisierung bei Wacker Neuson, „ich sehe nicht, dass wir in den nächsten zwei Jahren eine autonome Maschine auf den Markt bringen. Der Markt ist noch nicht so weit.“ Dafür fehle in Europa noch der regulatorische Rahmen, und Kosten und Effizienz der Technik seien noch nicht marktfähig; umso weniger als Wacker Neuson bekanntermaßen im kostensensiblen Kompaktmaschinensegment tätig ist. „Wir beschäftigen uns im Moment mit grundlegenden Dingen wie Datenstandards, machen eine Menge Vorarbeiten, um Maschine-zu-Maschine-Kommunikation zu ermöglichen. Damit sind wir, denke ich, auf einem guten Weg, aber wir sind noch nicht am Ziel“, so Rimböck.
Zwischenlösung für Baumaschinen: Ferngesteuert und teil-autonom
Dr. Anton Demarmels, langjähriger Technischer Leiter der Ammann Group, teilt Rimböcks Einschätzung: „Aus meiner Sicht gibt es noch keinen Markt für autonome Baumaschinen. Das dauert noch“, meint er. „Wovon ich träume“, fügt er aber an, „ist ein Schwarm von kleinen Verdichtungsgeräten, die hinter einem Fertiger den Asphaltbelag verdichten.“ Nach den ferngesteuerten würden teil-autonome Baumaschinen sehr viel schneller die Markttreife erlangen als vollautonome, ist er sicher.
Teil-autonom arbeitende Baumaschinen
Akzeptanz für autonome Baumaschinen schaffen
Ein radikales Konzept wie das von Komatsus fahrerlosem Muldenkipper, Bomags autonomer Tandemwalze „Robomag“ oder von Volvo CE, deren vollautonome Baumaschinen im elektrifizierten Steinbruch konsequenterweise keine Kabinen mehr haben, plant Caterpillar auch deshalb zurzeit noch nicht. Und das, obwohl dies den Konstrukteuren natürlich große Freiräume im Design der Maschinen ermöglicht: Wo dank Fernsteuerung kein Fahrer mehr direkt in der Maschine sitzen muss, kann diese radikal anders aussehen und dadurch unter Umständen auch mit mehr Nutzlast ausgestattet werden. Caterpillar will aber vorerst nicht auf das klassische Maschinenelement Kabine verzichten. „Wir planen das noch nicht“, sagt Jason Ramshaw, der bei Caterpillar für Assistenzsysteme, Automatisierung und autonome Baumaschinen verantwortlich ist. „Wir wollen Kunden weiterhin die Flexibilität bieten, einen Fahrer in die Maschine zu setzen, wenn es nötig ist. In Europa bewegen sich die Maschinen ziemlich viel zwischen verschiedenen Baustellen, deshalb wollen wir den Kunden an dieser Stelle die Flexibilität bewahren.“
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Auf die Frage, ob ferngesteuerte Maschinen bei Caterpillar nun zum Standard würden, hat Ramshaw eine klare Antwort: „Wir müssen die Kunden auf diesem Weg mitnehmen. Wir können nicht direkt zu autonomem Fahren übergehen und erwarten, dass die Kunden ihr Unternehmen an autonomes Fahren anpassen. Sie sind darauf nicht eingestellt. Wir müssen ihnen das Schritt für Schritt anbieten. Wir beginnen mit der Fernsteuerung oder bewegen uns in Richtung Semi-Autonomie – die wir bei den Walzen schon haben – und dann vielleicht in Richtung Vollautonomie. Jeder dieser Schritte ist komplex, und wir müssen es einfach halten – einfach zu verstehen, einfach umzusetzen, einfach für das Change-Management.“
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