Fehler im Angebot
Ein Unternehmen beteiligt sich an einem Vergabeverfahren und vertut sich massiv beim Preis: Darum ging es in einer Grundsatzentscheidung des BGH. Der Auftraggeber fand das Angebot natürlich attraktiv und wollte den Bieter beauftragen. Der verweigerte sich jedoch.
Das Mischen wird digital
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Der BGH (Urteil v. 11.11.2014, X ZR 32/14) hat einleitend klargestellt, dass im Ausgangspunkt jeder Bieter an sein Angebot gebunden ist. Wer einem privaten oder öffentlichen Auftraggeber ein Angebot schickt, ist bis an den Ablauf der jeweiligen Bindefrist an die Bedingungen dieses Angebotes gebunden. In Ausschreibungsverfahren tritt diese Bindung erst etwas später ein, nämlich nach Öffnung der Angebote. Bis zu diesem Zeitpunkt kann ein Bieter jederzeit und ohne Angabe von Gründen sein Angebot zurückziehen oder austauschen. Bei einem Austausch muss er ganz deutlich machen, welches Angebot maßgeblich sein soll.
Diese Bindung an das Angebot gilt auch dann, wenn der Bieter sich bei seinem Angebot verrechnet oder in anderer Weise verkalkuliert hat (im rechtlichen Sprachgebrauch wird hier von Irrtum gesprochen). Diese Bindung an das einmal abgegebene Angebot ist zumindest die Regel, von der es nur wenige Ausnahmen gibt. Von dieser Regel ist der BGH auch in dem geschilderten Fall ausgegangen. Wie der Bieter zu seinen Preisen kommt, ist seine Sache, und er kann diese Verantwortung nicht auf den Auftraggeber übertragen.
Im entschiedenen Fall kamen allerdings Besonderheiten hinzu. Der Preisunterschied zu dem zweitgünstigsten Angebot war sehr groß. Außerdem hatte der Bieter dem Auftraggeber bereits vor Zuschlagserteilung erklärt, er sei bei einer Position von einem falschen Mengenansatz ausgegangen. Er bat deshalb den Auftraggeber darum, dass sein Angebot aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen wird.
Nur Dumping-Angebote werden ausgeschlossen
Hört man das, denkt man erst einmal an die Regelung in der VOB/A, dass ein Auftraggeber auf ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis den Zuschlag nicht erteilen darf, § 16 Abs. 6 VOB/A. Hätte sich der Bieter nicht hierauf berufen können? Nun, diese Vorschrift der VOB/A wird so verstanden, dass sie nur den Auftraggeber schützen soll. Der Auftraggeber soll eine Möglichkeit haben, Dumping-Angebote auszuschließen, bei denen von vorneherein abzusehen ist, dass ein Auftragnehmer die Leistung für den Preis nur schlecht oder wegen einer Insolvenz gar nicht ausführen kann. Der Auftraggeber kann sich aber davon überzeugen lassen, dass der Bieter auch dann den Auftrag zuverlässig ausführen wird, wenn das Angebot knapp oder sogar mit Verlust kalkuliert ist. Es kann dem Bieter beispielsweise darum gehen, erst einmal ein Referenzprojekt zu bekommen, oder er benötigt den Auftrag, um anderenfalls auftretende Auslastungsprobleme zu vermeiden. Zwingend ist ein Angebot nur dann auszuschließen, wenn es nur deswegen so niedrig ist, um einen Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Ein solcher Fall liegt im Baubereich praktisch nie vor, weil es in der Regel reichlich andere Auftraggeber – private wie öffentliche – gibt und es daher praktisch unmöglich ist, einen Konkurrenten bei allen Angebotsabfragen zu unterbieten.
Beispiel für zulässige Angebote:
a) Der Bieter kann die benötigten Baumaterialien nur in großen Chargen bestellen. Mit einem ersten sehr üppig kalkulierten Auftrag hat er die nötige Menge nicht erreicht, und er ist daher um fast jeden Preis daran interessiert, andere Aufträge zum Auffüllen zu bekommen.
b) Der Bieter ist die Zweigniederlassung einer großen Baufirma. Eigentlich laufen die Geschäfte sehr gut. Dennoch hat die Muttergesellschaft angekündigt, die Niederlassung zu schließen, wenn sie ein bestimmtes Umsatzziel nicht erreicht. Hierfür benötigt der Bieter genau den betroffenen Auftrag.
Bieter darf nicht eigenen Ausschluss fordern
In solchen Fällen darf der Auftraggeber also einen Auftrag auch dann erteilen, wenn die angebotenen Preise nicht auskömmlich sind. Jedenfalls darf kein Bieter fordern, dass sein eigenes Angebot ausgeschlossen wird, allenfalls darf er dies für ein Konkurrenzangebot verlangen!
Also musste der Bieter in dem vom BGH entschiedenen Fall einen anderen Ausweg suchen. Dieser andere Ausweg war eine ganz eng zu verstehende Ausnahme von dem Grundsatz, dass Bieter an ihr Angebot gebunden sind. Der BGH hat dazu formuliert, dass ein Bieter dann nicht an sein Angebot gebunden ist, wenn er einen Kalkulationsirrtum begangen hat und
- aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers
- bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise
- schlechterdings nicht erwartet werden kann,
- dass sich der Bieter mit dem Preis als noch annähernd äquivalente Gegenleistung
- für die zu erbringende Bauleistung begnügt.
Schon die verwendeten Begriffe machen zweierlei deutlich: Zum einen sind die zu überwindenden Hürden hoch, und zum anderen muss man im Einzelfall sehr genau prüfen, ob der Bieter die Hürden überwunden hat oder weiterhin an sein Angebot gebunden ist. Wann kann man „schlechterdings“ nicht erwarten, dass der Bieter sich mit einem Preis begnügt? Was ist eine „noch annähernd äquivalente Gegenleistung“?
Vertragsbrüchiger muss Schaden übernehmen
Einen Hinweis hat der BGH immerhin gegeben, in seiner Begründung geht er auch auf den Preisabstand zum zweitrangigen Bieter ein. Was aber, wenn der andere Bieter bewusst mit Verlust kalkuliert hat? Oder es gar keinen zweiten Bieter gibt? Oder die anderen Bieter eine massive Gewinnspanne einkalkuliert hatten?
Lohnt es sich, dieses Risiko einzugehen? In dem entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber dem Bieter trotz dessen Widerstand den Zuschlag erteilt. Der Bieter blieb bei seiner Auffassung und weigerte sich, den Vertrag auszuführen. Daraufhin kündigte der Auftraggeber den Auftrag und beauftragte ein anderes Unternehmen mit den Leistungen. Dieses andere Unternehmen war deutlich teurer, und der Auftraggeber verlangte vom ersten Bieter die Erstattung der Differenz als Schadensersatz.
Dies ist im Ansatzpunkt erst einmal rechtlich ohne weiteres nachvollziehbar. Weigert sich ein beauftragtes Unternehmen, den Auftrag durchzuführen oder begeht es eine andere schwere Vertragsverletzung wie z.B. eine mangelhafte Leistung, kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen (bei einem Mangel nach VOB/B natürlich nur nach Fristsetzung und Kündigungsandrohung). Verteuert sich die ausgeführte Leistung wegen der Kündigung und der Einschaltung eines anderen Unternehmens, muss der Vertragsbrüchige diesen Schaden übernehmen.
Das gilt sogar dann, wenn der Bieter noch vor Zuschlagserteilung erklärt, er werde den Auftrag auf keinen Fall durchführen. Dann sind Zuschlagserteilung und nachfolgende Kündigung überflüssige Formalitäten.
Möglichkeiten des Bieters
Der Bieter hat also zwei Möglichkeiten. Er kann hoffen, dass ein Kalkulationsfehler so massiv ist, dass er die Voraussetzungen des BGH erfüllt. In diesem Fall verweigert er die Vertragsausführung und riskiert, erst am Ende eines langen Rechtsstreits zu wissen, ob er Recht hat oder nicht. Die andere Alternative ist, dass der Bieter den Vertrag trotzdem ausführt, trotz der bekannten Unterdeckung. Das spart ihm jedenfalls die Auseinandersetzung mit dem Auftraggeber. Und sichert ihm möglicherweise weitere Aufträge, denn ein vertragsbrüchiger Auftragnehmer könnte vom Auftraggeber als unzuverlässig eingestuft und von weiteren Vergaben ausgeschlossen werden.
Fazit
Beim Umgang mit Kalkulationsfehlern ist große Vorsicht geboten. Ausgangspunkt ist, dass ein Bieter an sein Angebot gebunden ist. Nur in Ausnahmefällen kann er vom Auftraggeber verlangen, aus dieser Bindung entlassen zu werden.
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Dieser Artikel ist zuerst erschienen im B_I baumagazin, Ausgabe vom Januar 2015.
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