Verzugsschäden können früher verjähren

Der Bundesgerichtshof hat eine wichtige Entscheidung zu der Verjährung von Verzugsschäden und Vertragsstrafenansprüchen bei Bauverträgen getroffen. Sie betrifft jeden, der im Verhältnis zu seinem Vertragspartner Ansprüche wegen verspätetem Arbeitsbeginn oder verspäteter Herstellung geltend machen will. Das Besondere: Solche Ansprüche beginnen nicht erst mit der Abnahme zu verjähren, sondern gegebenenfalls deutlich früher.

BGH-Urteil: Verzugsschäden können früher verjähren
Verzug beim Bau eines Einfamilienhauses: In einem Fall, der bis vor den BGH ging, verjährten die Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz eines Verzugsschadens schon vor der Abnahme. | Foto: Pixabay/Talpa

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Das lässt sich an dem vom BGH zu entscheidenden Sachverhalt gut erkennen (BGH v. 19.05.2022, VII ZR 149/21). In diesem Fall sollte der Auftragnehmer im Jahr 2008 ein Gebäude errichten, wegen Streitigkeiten um Mängel und einbehaltene Zahlungen stellte er doch die Arbeiten ein. Anfang 2009 scheiterten Vergleichsgespräche. Wie es dann weiterging, schildert der BGH nicht näher, er geht erst auf den 2013 erklärten Rücktritt des Auftraggebers kurz ein. Der Auftraggeber wollte Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung und eine Vertragsstrafe geltend machen, insgesamt fast 100.000 Euro. Das ist bei einem ursprünglich vereinbarten Pauschalpreis von rund 160.000 Euro natürlich nicht wenig.

Allerdings hat der Auftraggeber die Klage zu spät eingereicht, nämlich erst 2017. Der BGH begründet dies damit, dass der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens und auf Zahlung einer Vertragsstrafe bereits Ende 2008 begonnen habe zu verjähren. Dies liegt daran, dass die (unterbliebene) Fertigstellung für 2008 vorgesehen war und ab diesem Zeitpunkt eine Verjährung von drei Jahren lief, und zwar beginnend mit dem Jahresende. Der Auftraggeber hätte also nur bis Ende des Jahres 2011 Zeit gehabt, diese Ansprüche geltend zu machen. Zu diesem Zeitpunkt aber war der Streit in der eigentlichen Hauptsache noch in vollem Gange.

Das ist die eigentliche und wichtige Mitteilung dieser Entscheidung: Der von den Parteien als Hauptsache angesehene Streit um mangelhafte Leistungen war erst 2013 mit dem Rücktritt zu einem gewissen Abschluss gekommen, und zu diesem Zeitpunkt waren die streitigen Ansprüche bereits verjährt.

Kurze Verjährung auch bei Mehrkosten durch Verzögerung

Als Verzugsschaden, der wie hier beschrieben gesondert verjährt, sind alle Schäden anzusehen, die auf der verspäteten Herstellung bzw. Fertigstellung der Leistung beruhen. Dies können z.B. Mehrkosten der Anmietung einer Ersatzwohnung oder Unterstellkosten für Möbel sein. Aber auch Mehrkosten wegen zwischenzeitlicher Preissteigerungen müssen angedacht werden. In diesem Fall des BGH ging es nicht um solche Mehrkosten für Preissteigerungen, aber die geltend gemachte Vertragsstrafe tritt letztendlich an die Stelle solcher Schadensersatzansprüche. Es ist deswegen davon auszugehen, dass auch Mehrkosten durch eine Verzögerung der hier beschriebenen kurzen Verjährung unterliegen. Das erscheint auf den ersten Blick erstaunlich, weil der Vertrag ja erst durch den Rücktritt beseitigt wurde. Auf den zweiten Blick wird aber klar, dass die Mehrkostensteigerungen im Moment der Bauzeitüberschreitung faktisch und auch rechtlich angelegt sind. Daher ist es jedenfalls konsequent, sie auch ab dem Moment der Bauzeitüberschreitung verjähren zu lassen.

Verjährung beginnt schon bei Kenntnis des Anspruchs

Bei den hier betroffenen Ansprüchen beginnt die Verjährung am Ende des Jahres, in dem der Berechtigte die maßgeblichen Umstände für seinen Anspruch kennt, und endet dann drei Jahre später zum Jahresende. Die Möglichkeiten einer Hemmung zur Verhinderung der Verjährung sind unten angesprochen. Soweit es um weitere Schäden geht, die auf der ursprünglichen Ursache beruhen, aber noch nicht entstanden sind, muss der Berechtigte gegebenenfalls eine sogenannte Feststellungsklage erheben. Wenn im Beispiel die Ersatzwohnung über das Jahr 2011 hinaus angemietet werden musste, wäre beispielsweise eine Feststellung der richtige Weg gewesen.

Kurze Verjährung nicht bei Mängelansprüchen

Diese besondere Verjährung betrifft natürlich nicht alle Ansprüche. Geht es zum Beispiel um Mängel, kommt es auch weiterhin auf den Zeitpunkt der Abnahme der Leistung an. Die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen oder Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln beginnt immer taggenau mit der Abnahme (also nicht erst mit Jahresende wie die vom BGH entschiedenen Schadensersatzansprüche).

Bei streitig beendeten Bauvorhaben wird gelegentlich übersehen, dass auch nach einer Kündigung eine Abnahme durchgeführt werden muss. Der Auftraggeber muss bei dieser Abnahme besonders vorsichtig sein und deutlich machen, dass er sich alle Gewährleistungsansprüche wegen bekannter Mängel vorbehält. Das gilt erst recht für die Fälle, in denen wegen der Mängel die Kündigung erklärt wurde.

Vergütungsanspruch nicht verjährt

Im entschiedenen Fall gab es noch einen interessanten Anspruch des Auftraggebers. Während der (versuchten) Vertragsdurchführung hatte der Auftraggeber einen Teil der vertraglichen Werklohnansprüche des Auftragnehmers bezahlt. Weil er den Rücktritt vom Vertrag erklärt hat, musste der Auftragnehmer diese Gelder zurückzahlen. Der Rückzahlungsanspruch wird dabei verrechnet mit einem Wertzuwachs, den der Auftraggeber dauerhaft erhält. Wegen dieses sogenannten Verrechnungsverhältnisses und der damit verbundenen Probleme der Wertermittlung wird in solchen Fällen eher der Weg der Kündigung eingeschlagen. In diesem Fall des BGH hat der Auftraggeber aber konsequenterweise auch die bereits bezahlte Vergütung zurückgefordert. Diese wurde ihm als nicht verjährt zugesprochen. Diesen Anspruch konnte der Auftraggeber nämlich erst nach Erklärung des Rücktritts geltend machen und hatte dies vor Ablauf der Verjährung auch getan. Dies macht deutlich, wie genau zwischen den einzelnen Ansprüchen differenziert werden muss.

Anspruch auf Vertragserfüllung verjährt in drei Jahren

Nicht entscheidungserheblich, für die Praxis aber wichtig, ist ein weiterer Aspekt der Entscheidung: Auch der Anspruch auf Erfüllung eines Vertrages verjährt innerhalb von drei Jahren. Also war auch der Anspruch der Bauherren auf Erfüllung des Bauvertrages bereits Ende 2011 verjährt. Auch wenn es vielleicht ungewöhnlich ist, dass man sich so lange über die Erfüllung streitet und die Baustelle bis zu einer Entscheidung mehrere Jahre stillsteht, kann es dennoch immer wieder vorkommen. Dann ist auch der eigentliche Anspruch auf Erfüllung des Vertrages im Auge zu behalten, damit er nicht noch während des Streites und damit für den Auftraggeber vorzeitig verjährt.

Daher muss man bei der Geltendmachung solcher Ansprüche gegebenenfalls rechtzeitig handeln. Natürlich muss man erstens überhaupt an die Verjährung denken – das darf gerade nach diesem Urteil des BGH nicht vernachlässigt werden. Zweitens muss man überlegen, wie man den Ablauf der Verjährung hemmt, d.h. hinausschiebt, oder einen Neubeginn der Verjährung erreicht.

Eintreten der Verjährung verhindern

Eine gute Möglichkeit, die Verjährung zu verlängern, besteht zum Beispiel in der Verhandlung über die Ansprüche. In dem entschiedenen Fall hatte man allerdings nur sehr kurze Zeit und erfolglos im Jahr 2009 diese Ansprüche verhandelt. Die Verhandlungen müssen weder vor Gericht noch mit einem Anwalt stattfinden und sind eine gute Möglichkeit, mit wenig Aufwand und ohne Eskalation den Lauf der Verjährung zu hemmen. Wichtig ist dabei die Dokumentation, wann wie verhandelt wurde. Enden die Verhandlungen oder laufen sie leise aus, beginnt die Verjährung weiter zu laufen.

Denkbar ist auch eine Vereinbarung über die Hemmung der Verjährung. Allerdings muss man sich hierfür erst einmal darüber klar sein, dass überhaupt eine Verjährung läuft.

Natürlich verhindert auch das Einreichen einer Klage oder eines Mahnbescheids das Eintreten der Verjährung. Das ist aber immer mit zusätzlichen Kosten verbunden und natürlich eine Eskalation der Situation. Bei einem Mahnbescheid muss man berücksichtigen, dass er zwar schnell erstellt und kostengünstig ist, aber nicht ganz ohne Tücken. So kann man nur fällige Geldforderungen geltend machen, nicht aber die vom BGH für künftige Schäden angesprochenen Feststellungsansprüche. Und man muss den geltend gemachten Anspruch möglichst genau bezeichnen, damit klar ist, welche Ansprüche erfasst werden und welche nicht.

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Ein Neubeginn der Verjährung ist die Folge z.B. eines Anerkenntnisses, also etwa einer Teilzahlung. Abschlagszahlungen auf Rechnungen haben im Baubereich keine solche Anerkenntniswirkung, aber Zahlungen auf geltend gemachte Schadensersatzforderungen. Auftraggeber sollten daher vorsichtig sein, wenn sie aus Kulanz oder zur Vermeidung einer Eskalation eine kleinere Zahlung leisten. Sie sollten unmissverständlich klarstellen, dass sie den Anspruch nicht anerkennen und die Zahlung nur ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht leisten.

Fazit: Ansprüche frühzeitig prüfen

Die Verjährung eines Anspruches tritt lautlos und unangekündigt ein. Weil viele Ansprüche gemeinsam zum Ende des Jahres verjähren, lohnt es sich, rechtzeitig vorher etwaige kritische Ansprüche zu überlegen und gegebenenfalls verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.


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