Einstweilige Verfügung: Ansprüche durchsetzen auch nach VOB/B
Baustreitigkeiten vor Gerichten dauern oft lange. Jetzt gibt es erste Entscheidungen zu einem beschleunigten Verfahren, mit dem Auftraggeber und Auftragnehmer vorläufig ihre Ansprüche durchsetzen können. So hat das Kammergericht Berlin aktuell die Zahlungsverpflichtung eines Auftraggebers per einstweiliger Verfügung ausgesprochen.
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Schnellere Entscheidung ohne Beweisaufnahme
Bei diesem Problem hat der Gesetzgeber angesetzt. Seit Anfang 2018 gibt es eine gesetzliche Regelung, die es ermöglicht, in beschleunigten Verfahren – sogenannten einstweiligen Verfügungsverfahren – Ansprüche vorläufig durchzusetzen. Der Unterschied dieser Verfahren zu den normalen Klagen ist, dass es nicht zu einer umfangreichen Beweisaufnahme kommt, sondern die Entscheidung auf Grundlage von Glaubhaftmachung erfolgt. Das geht natürlich schneller. Es kann aber dazu kommen, dass in einem späteren „ordentlichen“ Verfahren andere Ergebnisse herauskommen.
Die Besonderheit dieser Verfügungsverfahren wirkt sich natürlich für Auftraggeber und Auftragnehmer aus. Auftragnehmer müssen etwa einen Werklohnanspruch glaubhaft machen, Auftraggeber können ihrerseits das Vorliegen von Mängeln glaubhaft machen. Eine Beweisaufnahme mit Sachverständigen, geladenen Zeugen usw. findet in diesen einstweiligen Verfügungsverfahren dabei für den Vortrag beider Seiten nicht statt. Mittel der Glaubhaftmachung sind vor allem eidesstattliche Erklärungen und mitgebrachte Zeugen.
Werklohnansprüche nach VOB/B durchgesetzt
Die angesprochene gesetzliche Regelung des § 650d BGB schien lange Zeit weitgehend wirkungslos. In der letzten Zeit sind jedoch einige Urteile auf dieser Grundlage ergangen. Sie decken eine große Bandbreite von Gestaltungen ab. Ganz aktuell hat Anfang März das Berliner Kammergericht auch eine einstweilige Verfügung über die Zahlung von Werklohn zugunsten eines Auftragnehmers erlassen, immerhin in fünfstelliger Höhe (KG, Urteil vom 02.03.2021 - 21 U 1098/20). Die wesentliche Funktion des § 650d BGB ist, dass normalerweise für den Erlass einer einstweiligen Verfügung eine ganz besondere Dringlichkeit erforderlich ist, bei Zahlungsansprüchen etwa eine besondere Notlage oder eine Existenzbedrohung.
Diese besondere Anforderung entfällt für die in § 650d BGB angesprochenen Fälle. Das ist eine erhebliche Erleichterung und ein ganz wichtiger Unterschied zu den anderen einstweiligen Verfügungsverfahren. Ausdrücklich im Gesetz angesprochen ist, dass dies für den Streit um eine Vergütungsanpassung gilt. Hier setzt das Urteil des Kammergerichts an und sagt, dass es bei einem solchen Streit auch um Ansprüche nach der VOB/B gehen kann. Das ist bereits eine wichtige Weichenstellung, da die VOB/B kein Gesetz ist und deswegen im BGB auch nicht ausdrücklich angesprochen wird.
Entscheidung: Auftraggeber muss zahlen
Im entschiedenen Fall hatte der Auftragnehmer glaubhaft gemacht, dass ihm für bestimmte Nachträge ein Werklohnanspruch zusteht. Dabei hat er diese Werklohnansprüche im Einzelnen nachgewiesen. Das ist deswegen wichtig, weil er sich nicht auf eine weitere gesetzliche Erleichterung stützen konnte. Als weitere Erleichterung für Auftragnehmer sieht § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB vor, dass Auftragnehmer bei Nachträgen 80 Prozent ihrer in einem Nachtragsangebot geltend gemachten Forderung verlangen können. Diese Vermutung, dass 80 Prozent berechtigt sind, bindet das Gericht jedoch nicht. Daher kam es auch darauf an, dass der Auftragnehmer im Detail glaubhaft machen konnte, welche Ansprüche er hat.
Keine Gegenansprüche geltend gemacht
Gegenansprüche hat der Auftraggeber übrigens nicht geltend gemacht, sodass es nicht darauf ankam, ob der Auftraggeber seinerseits die Gegenansprüche ausreichend glaubhaft gemacht hatte. Diese Möglichkeit hätte er aber, er könnte beispielsweise dem Zahlungsanspruch des Auftragnehmers Mängel entgegenhalten. Kann der Auftraggeber diese ausreichend glaubhaft machen und auch die hierauf gestützten Ansprüche der Höhe nach ausreichend untermauern, hätte er sich hiermit auch in diesem Verfahren verteidigen können. Das gleiche gilt natürlich für alle anderen möglichen Gegenansprüche.
Diesen Risiken hat das Kammergericht damit Rechnung getragen, dass es bei einzelnen Nachträgen nur 30 Prozent des vom Auftragnehmer geltend gemachten Betrages angesetzt hat. Das Kammergericht hat außerdem auch klargestellt, dass der Auftragnehmer die abgerechnete Menge einer geänderten Leistung nachweisen und glaubhaft machen muss. Bei zahlreichen anderen Nachträgen hatte das Kammergericht die Ansprüche sogar insgesamt abgelehnt, etwa weil der Auftraggeber vorgetragen hatte, ein vom Auftragnehmer verwendetes Material sei ungeeignet oder der Nachtrag sei nicht ausreichend dargelegt, weil die Voraussetzungen für eine geänderte Leistung nicht vorgetragen wurden.
Auftragnehmer muss keine Schlussrechnung legen
Anordnung einer Leistungsänderung
Das einstweilige Verfügungsverfahren steht den Parteien aber auch in anderen Fällen offen, nämlich insbesondere dann, wenn es um die Wirksamkeit einer Anordnung einer Leistungsänderung geht. Eine solche Anordnung ist Voraussetzung für einen Anpassungsanspruch und soll daher ebenfalls möglichst frühzeitig durch eine solche einstweilige Verfügung geklärt werden können. Bereits 2019 wurde entschieden, dass eine solche einstweilige Verfügung nicht erreicht werden kann mit dem Ziel, einen Auftragnehmer zum unverzüglichen Beginn der Ausführung von Arbeiten zu verpflichten. In einem weiteren Verfahren ging es darum, dass ein Auftraggeber klarstellen wollte, er habe gerade keine ändernde Anordnung erteilen wollen. Auch dies führt natürlich zu einer erheblichen Klärung auf der Baustelle. Bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung steht damit erst einmal fest, dass es keine Anordnung gab und der Auftragnehmer daher auch nicht berechtigt wäre, etwa einen Nachtrag geltend zu machen und bei Nichtzahlung die Arbeiten einzustellen.
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Sanktion bei Vollstreckung
Hinzuweisen ist aber darauf, dass eine solche einstweilige Verfügung, anders als ein rechtskräftiges Urteil, nachträglich noch abgeändert werden kann. Die jeweils unterliegende Partei hat die Möglichkeit, in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren weiter vorzutragen und die Sache doch noch zu gewinnen. Deswegen ist die Vollstreckung aus einer solchen einstweiligen Verfügung auch an eine harte Sanktion geknüpft: Wer eine solche einstweilige Verfügung vollstreckt, haftet unabhängig von einem Verschulden für den daraus entstehenden Schaden.
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