Bakterien reparieren spannungsbedingte Risse
Ein Mikrobiologe aus den Niederlanden ist dabei, die Baustoffwelt umzuwälzen. Sein Bio-Beton enthält Bakterien, die sich bei auftretenden Rissen selbst aktivieren und Schäden beheben. Dafür wurde Hendrik Jonkers jetzt für den Europäischen Erfinderpreis nominiert.
Das Mischen wird digital
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Gebäude und Bauwerke aus Beton, die selbst in der Lage sind, spannungsbedingte Risse bis zu 0,8 cm im Material zu schließen und sich selbst zu reparieren? Dank der Erfindung des Mikrobiologen Hendrik „Henk" Marius Jonkers ist das bald Realität. Seine Vision: die Zugfestigkeit und Umweltfreundlichkeit des Materials mithilfe der Natur zu verbessern. So entwickelte der Niederländer den Biobeton – mit Bakterien, die bis zu 200 Jahre in einer Betonstruktur überleben können, um bei auftretenden Schäden zu „erwachen" und sie durch die Produktion von Kalkstein zu heilen.
Für seine Erfindung wurde der Niederländer jetzt als einer von drei Finalisten für den renommierten Europäischen Erfinderpreis 2015 in der Kategorie „Forschung" nominiert. Am 11. Juni wird in Paris die begehrte Auszeichnung im Rahmen eines Festakts zum zehnten Mal verliehen. „Hendrik Jonkers‘ bakterienhaltiger Bio-Beton verlängert die Lebensdauer von Brücken, Straßen und anderen Bauwerken, und eröffnet damit völlig neue Perspektiven für die Betonproduktion", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten.
Selbstheilungseffekt aus der Natur nutzen
Reparaturkraft auch nach 200 Jahren
Um die Risse im Beton zu schließen, wählte Jonkers Bakteriengattungen (Bacillus pseudofirmus und B. cohnii), die Kalkstein produzieren können. Ein positiver Nebeneffekt: Die Bakterien verbrauchen bei diesem Vorgang Sauerstoff, wodurch die Korrosion von Stahlbeton im Inneren verhindert wird. Für Menschen sind die Bakterien ungefährlich, da diese nur unter den alkalischen Bedingungen innerhalb des Betons überleben können. Auf dieser Basis entwickelten Jonkers und sein Forscherteam drei verschiedene Arten der bakterienhaltigen Betonmischung: einen selbstheilenden Beton, der bereits mit den Bakterien verbaut wird, sowie einen Reparaturmörtel und eine flüssige Reparaturlösung, die erst bei akuter Beschädigung auf die Betonstellen aufgetragen werden.
Bakterien in Pulverform
Der selbstheilende Beton ist die komplexeste der drei Varianten. Dabei werden die Sporen der Bakterien in zwei bis vier Millimeter großen Tonpellets eingekapselt und der Betonmischung zusammen mit separat eingeschlossenem Stickstoff, Phosphor und einem Nährstoff auf Kalziumlaktat-Basis beigemischt. Diese Methode gewährleistet, dass die Bakterien bis zu 200 Jahre schlafend im Beton verharren und erst dann mit den Nährstoffen in Kontakt treten, wenn Wasser durch Risse in die Betonkonstruktion eindringt – und nicht etwa beim Zementmischprozess. Aus diesem Grund eignet sich diese Variante vor allem für Bauwerke, die der Witterung ausgesetzt sind und an Stellen, die für Wartungsarbeiter schwer erreichbar sind. Teure und komplizierte manuelle Reparaturen werden somit überflüssig.
Schnelle Markteinführung geplant
In den vergangenen Jahren durchlief der bakterienhaltige Beton Langzeittests unter verschiedenen äußerlichen Einflüssen an einem speziell errichteten Gebäude im niederländischen Breda. Die Markteinführung der Reparaturflüssigkeit soll noch in diesem Jahr erfolgen. Denn Jonkers‘ patentierte Erfindung hat das Potenzial, die Instandhaltungskosten für Brücken, Tunnel und Stützmauern, die sich alleine in den EU-Staaten jährlich auf vier bis sechs Milliarden Euro belaufen, deutlich zu senken.
Aktuell forscht er an einer alternativen Technik zur Einkapselung der Bakterien. Damit wäre es möglich, die Produktionskosten des bakterienhaltigen Betons im Vergleich zur derzeitigen Methode der Partikelbeschichtung nochmals um die Hälfte zu senken. Während sich die Herstellungskosten von herkömmlichem Beton auf 80 Euro pro Kubikmeter belaufen, würde ein Kubikmeter des selbstheilenden Betons mit dem neuen eingekapselten Wirkstoff zwischen 85 und 100 Euro kosten – wobei sich diese geringfügig höheren Kosten bei allen Betonkonstruktionen durch deutlich niedrigere Reparatur- und Austauschkosten über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes amortisieren.
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