Was wird aus den Friedhöfen?
Sie dienen in Städten und Dörfern nicht nur als grüne Lungen, sondern ebenso als Orte der Ruhe, Trauer und Erinnerung: Friedhöfe – ein Kulturgut. Allerdings wächst dort der Leerstand, denn die Bestattungskultur wandelt sich. Wie steht es also um ihre Zukunft? Darum ging es in einem Kongress auf der Fachmesse „Stone+Tec" in Nürnberg, wobei die Meinung junger Menschen im Blickpunkt stand.
Diskussion junger Experten der Generationen Y und Z
Der Austausch der interdisziplinär besetzten Runde junger Experten der Generationen Y und Z wurde ergänzt durch Fachbeiträge aus Psychologie, Zukunftsforschung, Landschaftsarchitektur und zu „menschen-orientierter Friedhofsentwicklung“. Referenten waren Bart Brands, Experte für Landschaftsarchitektur, Günter Czasny, Sprecher der Initiative Raum für Trauer sowie Initiator interdisziplinärer Projekte zur Friedhofsentwicklung und Forschungsprojekte, sowie Michael Lehofer, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Der Friedhof wird von ihnen als potenziell heilsamer Raum der Begegnung und des gesellschaftlichen Miteinanders verstanden. Dabei spielen unter anderem die therapeutischen Wirkkräfte, die als Trauerorte gestaltete Beisetzungsorte haben können, eine wesentliche Rolle. Laut Lehofer können Friedhöfe als heilende Räume wirken, die es den Hinterbliebenen ermöglichen, ihren Verlust zu verarbeiten und neuen Lebensmut zu schöpfen. Er ist sicher: Kommunen und Kirchen könnten so ihrer Fürsorge-Verantwortung viel besser gerecht werden als bisher.
Friedhöfe als fürsorgliche Infrastruktur einer sorgenden Gemeinschaft
„Institutionalisieren wir den Friedhof als einen ,place to be‘ – in der urbanen Stadt und im kleinen Dorf“, sagt Soziologe Max Geiger, „im Mittelpunkt stehen Individual- und Sozialräume als achtsame Angebote, die den Menschen und ihren Bedürfnissen zugewandt sind.“ Dafür brauche es keinen allgemeingültigen „Eins-zu-Eins-Plan“ für alle Friedhöfe einheitlich. Jeder Friedhof habe seine eigene Charakteristik. „Die Gegebenheiten sind unterschiedlich, die Bedingungen kaum zu vergleichen“, so Geiger, „oft reichen kleine bewusste Veränderungen, die aus Friedhöfen wertvolle und niedrigschwellig zugängliche Kraftorte für die Gesellschaft in zentraler Lage machen.“
Bestattung
In Deutschland gibt es eine Bestattungspflicht, die für alle verstorbenen Menschen gilt. Sie ist in den entsprechenden Gesetzen der Bundesländer geregelt. Meist beinhaltet die Bestattungspflicht dort auch eine Friedhofspflicht. Das bedeutet, dass Verstorbene auf einem Friedhof beigesetzt werden müssen. Dort gibt es zum einen die Erdbestattung in einem Sarg und zum anderen die Einäscherung mit Urnenbeisetzung. Als Varianten der Feuerbestattung kommen zudem eine Baum-, Diamant-, Luft-, See- oder anonyme Bestattung infrage. Zudem werden auf immer mehr Friedhöfen Bereiche angelegt, wo Bräuche anderer Kulturen und Glaubensrichtungen gewahrt bleiben.
Friedhof der Zukunft
Als Kind habe er den Friedhof nicht so richtig verstanden: „Dort durfte ich nicht so sein, wie ich bin – das prägt“, denkt Kognitionswissenschaftler Domenik Heinen zurück, „der Friedhof der Zukunft muss zu einem – auch für Kinder – positiv erlebbarem Ort werden.“ Dazu seien auch radikalere Veränderungen nötig. Ein „Relabeling" – also das Finden einer neuen Begrifflichkeit für den Friedhof – könne dafür sensibilisieren, dass der Friedhof in Zukunft in vielerlei Hinsicht neu gedacht werde.
„Friedhöfe sind nicht nur Ruheplatz für die Toten, sondern auch wichtig für uns Lebende – als Orte, um Abschied zu nehmen, Erinnerung zu teilen, Geschichten zu erzählen und Leben zu feiern“, sagt Anna Nicole Heinrich, Präses der 13. Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), „die Zukunft dieser Orte und die Art und Weise, wie wir mit dem Abschiednehmen umgehen, bewegen uns auch als evangelische Kirche. Ich freue mich, mit anderen jungen Menschen über Veränderungen in der Bestattungskultur zu sprechen und zu erkunden, wie wir diese besonderen Orte lebendig und relevant halten können.“
Auf Bedürfnisse der Trauernden eingehen
Emily Maichle, Bestattermeisterin aus Geislingen, möchte den Friedhof zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags machen – ohne seine primäre Funktion als Ort der Trauer und des Abschiednehmens zu vergessen. „Auf Friedhöfen sollten wir in Zukunft eine sensible, für (trauernde) Menschen dienliche Verknüpfung schaffen zwischen der analogen Welt von gestern und der digitalen Welt von morgen.“ Einen klaren Standpunkt vertritt Johannes Heiser, Gärtnermeister aus Trier: „So können wir nicht weitermachen. Viele Angebote auf zeitgenössischen Friedhöfen verkrüppeln die Menschen emotional."
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Quelle: Blaurock
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