Wie sieht nachhaltiges Wirtschaften im Garten- und Landschaftsbau aus?
Im Interview mit B_I galabau-Redakteurin Sonja Bauer erläutern Philipp Erhardt und Peter Rose, Unternehmer im Garten- und Landschaftsbau (GaLaBau), sowie die Unternehmensberater Heiko Meinen und Oliver Meyer, wie es zu den ersten Nachhaltigkeitsberichten in der grünen Branche kam und was damit erreicht wird.
Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die grüne Branche schon länger – können doch Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen mit ihrem Schaffen einen positiven Einfluss auf aktuelle Herausforderungen wie Klimakrise und Biodiversitätsverluste ausüben.
Prof. Dr.-Ing. Heiko Meinen, geschäftsführender Gesellschafter und Gründer der Unternehmensberatung Kullmann und Meinen, hat sich mit seinem Teamkollegen Oliver Meyer im Rahmen der Entwicklung des „Leitfadens für nachhaltiges Wirtschaften im GaLaBau“ damit auseinandergesetzt, was das Thema – abseits von konkreten Nachhaltigkeitsmaßnahmen – für die Branche und die einzelnen Unternehmen bedeutet.
Heiko Meinen: Das heißt, wir haben uns Fragen gestellt wie zum Beispiel: Welche Nachhaltigkeitsmaßnahmen sollte ein Unternehmen umsetzen? Wer ist in Bezug auf die unternehmerische Nachhaltigkeit, abgesehen von den eigenen Mitarbeitenden, noch mit einzubeziehen? Welche Anforderungen stellt die Politik an die Unternehmen der grünen Branche? Wie können Unternehmen das Thema in ihrer Strategie verankern?
Hierbei hat sich das Thema Nachhaltigkeitsbericht schnell als zielführend herausgestellt. Ein Nachhaltigkeitsbericht ist ein Dokument, das die ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens offenlegt. Er bietet einen umfassenden Überblick über die Nachhaltigkeitsstrategien, -ziele und -maßnahmen, sowie deren Effektivität und Fortschritt. Ziel ist es, gegenüber Stakeholdern wie Kunden, Investoren, Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit Transparenz zu schaffen und das Engagement des Unternehmens für nachhaltige Entwicklung zu demonstrieren.
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) bietet KMU (kleine und mittelständische Unternehmen) ein anerkanntes und strukturiertes Rahmenwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Er umfasst 20 Kriterien, die sich auf die wesentlichen Aspekte der Nachhaltigkeit beziehen, und bietet damit eine Struktur für die Berichterstattung, die sowohl ökologische, soziale als auch ökonomische Dimensionen abdeckt.
Unser Ziel ist, Unternehmen der grünen Branche strategisch an das Thema Nachhaltigkeit heranzuführen, den Weg zu finden von verschiedenen Einzelmaßnahmen hin zu einem allumfassenden Ansatz für das individuelle Unternehmen. Mit den ersten beiden Nachhaltigkeitsberichten ist uns ein erster Schritt gelungen, den Erfolg dieser Bemühungen zu beweisen.
B_I galabau: Herzlichen Glückwunsch, Herr Rose und Herr Erhardt, zu Ihren ersten Nachhaltigkeitsberichten. Wie kam es dazu und welche Motivation liegt Ihnen zugrunde?
Peter Rose: Das Thema beschäftigt mich schon länger. So erhielten wir in Münster bereits 2016 das Siegel Ökoprofit. Wir sind in unserem Betrieb also offen für vielfältige Umwelt-Angelegenheiten. Unsere Motivation entspringt unserem tiefen Verständnis für die Bedeutung von Nachhaltigkeit in unserer Branche und unserer Verantwortung besonders gegenüber der Umwelt. Jetzt möchte ich an dieser Stelle aber auch schon besonders deutlich erwähnen, dass soziale und ökonomische Aspekte gleichermaßen dazukommen. Das haben wir in der Entwicklungsphase des neu erstellten Berichts festgestellt und gelernt. Zum Thema Nachhaltigkeit im Garten- und Landschaftsbau gab es dann im Winter/Frühjahr 2023 bei unserem Verband in Oberhausen eine Informationsveranstaltung. Dort lernte ich auch Herrn Meinen und Herrn Meyer persönlich kennen. Ein gelungener Auftakt!
Philipp Erhardt: Das Thema Nachhaltigkeit begleitet auch mich schon eine ganze Weile, sowohl im Betrieb als auch in meiner Funktion als Vorstand für Markt und Wirtschaft beim Verband Garten- Landschafts- u. Sportplatzbau Baden-Württemberg (VGL).
Die Erhardt Galabau GmbH war eines von 15 Unternehmen, die sich 2021 entschieden haben, am Pilotprojekt CCF (Corporate Carbon Footprint) des VGL teilzunehmen und den eigenen Unternehmensfußabdruck zu ermitteln. Mir waren schon viele Bereiche bewusst, in denen wir sehr nachhaltig aufgestellt sind, spannend war es für mich, die großen und kleinen Lücken und auch die eigenen Grenzen zu erkennen.
Mir ging es aber auch immer nicht nur um die ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch um die soziale und ökonomische. Unsere unternehmerische Aufgabe für eine erfolgreiche Zukunft ist es, den Dreiklang aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit zu beherrschen.
Über meine Mitarbeit für den VGL in der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit beim Bundesverband (BGL) habe ich Professor Meinen und Oliver Meyer und deren Arbeitsweise kennen gelernt und war von Beginn an von deren Expertise im Bereich der Nachhaltigkeit überzeugt. So bin ich gemeinsam mit Oliver Meyer zu unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht gekommen und somit zum ersten Bericht im Garten- und Landschaftsbau überhaupt.
B_I galabau: Herr Meyer, bitte skizzieren Sie Ihren Werdegang zum Nachhaltigkeitsberater. Warum ist die individuelle Nachhaltigkeitsberatung so wichtig?
Als externer Nachhaltigkeitsberater biete ich Unternehmen eine objektive und unvoreingenommene Perspektive, die unerlässlich ist, um existierende Prozesse kritisch zu überprüfen und der Gefahr des „Greenwashings“ entgegenzuwirken. In meiner Praxis beobachte ich häufig, dass Geschäftsführer so in das Tagesgeschäft eingebunden sind, dass kaum Zeit für strategische Themen, wie bspw. Nachhaltigkeit, bleibt. Hier setzen wir an: Wir ermitteln den Ist-Zustand des Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit und entwickeln, darauf aufbauend – in enger Zusammenarbeit mit Geschäftsführung und Mitarbeitenden im Rahmen eines Nachhaltigkeitsworkshops – eine maßgeschneiderte Nachhaltigkeitsstrategie sowie konkrete Ziele. Der von uns erstellte Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert nicht nur den aktuellen Zustand und den Entwicklungsprozess, sondern bietet auch einen strategischen Ausblick auf die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens. Unsere Arbeit endet dort, wo die des Unternehmers beginnt – bei der Umsetzung besagter Nachhaltigkeitsziele.
B_I galabau: Welche nachhaltigen Leistungen aus dem Garten- und Landschaftsbau sind heute und in Zukunft für Ihre Kunden, Herr Rose und Herr Erhardt, interessant? Geht es in erster Linie um Wassermanagement, klimaangepasste Grünanlagengestaltung, Gebäudebegrünung oder Förderung der Biodiversität? Weitet sich Ihr Aktionsrahmen aus, wenn Sie einen Nachhaltigkeitsbericht vorweisen können?
Peter Rose: Wir versuchen jetzt schon an der einen oder anderen Stelle mit dem frisch erstellten Nachhaltigkeitsbericht aktiv an unsere Kunden heranzutreten und diesen auch zu bewerben. Dort, wo unsere Expertise angefragt und gefordert wird, sind wir dann auch zur Stelle. So planen wir gerade für einen großen Kunden eine Fläche zur Steigerung der Biodiversität. Die Themen „klimaangepasste Grünanlagengestaltung“ sowie „Wassermanagement“ sind für uns schon jetzt und auch in naher Zukunft aktuell. Dazu haben wir auch schon eine Fortbildung zur fachgerechten Planung von Anlagen für blau-grüne Grundstücke absolviert. Man kann auch sagen: Die Zukunft ist bereits angekommen. Stolz wollen wir auch ausdrücklich erwähnen, dass wir den Klimastadt-Vertrag der Stadt Münster mitunterzeichnet haben.
B_I galabau: Herr Professor Meinen, bringt ein Nachhaltigkeitsbericht Vorteile, um bspw. Kredite, Prämien oder Zuschüsse in Anspruch nehmen zu können?
Heiko Meinen: Auch wenn sich die Finanzierungsregelungen zu Nachhaltigkeit noch in der Umsetzungsphase befinden, bietet eine proaktive Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsberichten KMU erhebliche Vorteile:
- Finanzierungsvorteile: Nachhaltigkeitsberichte können zu bevorzugten Kreditkonditionen bei Banken führen, da sie das Risikoprofil des Unternehmens verbessern.
- Förderchancen: Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, staatliche Fördermittel zu erhalten, indem sie den geforderten Nachweis über nachhaltiges Engagement erbringen.
- Investorenattraktivität: Durch transparente Darstellung der Nachhaltigkeitsleistungen steigt die Attraktivität für Investoren.
- Versicherungsvorteile: Positive ESG-Bewertungen können zu niedrigeren Versicherungsprämien führen, da Versicherer das Risiko geringer einschätzen.
Da die Vorteile von den spezifischen Bedingungen und Partnern abhängen, empfehlen wir, individuelle Konditionen direkt bei den jeweiligen Partnern zu erfragen.
Diese finanziellen Anreize sind an weitreichendere Unternehmensvorteile gekoppelt:
- Kosteneinsparungen: Effizientere Ressourcennutzung und Prozessoptimierungen führen zu direkten Einsparungen.
- Markterschließung: Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen erschließen neue Kundensegmente und Märkte.
- Imageförderung: Ein verantwortungsbewusstes Image stärkt die Marke und verbessert die Wahrnehmung bei Stakeholdern.
- Mitarbeitermotivation: Die gezielte Bearbeitung und Realisierung von Anliegen, die den Mitarbeitern wichtig sind, steigern deren Zufriedenheit und Loyalität zum Unternehmen.
- Mitarbeitergewinnung: Attraktivität für Bewerber, denen Nachhaltigkeit wichtig ist.
- Stakeholderbeziehungen: Transparente Kommunikation baut Vertrauen bei Kunden, Lieferanten und der Gesellschaft auf.
B_I galabau: Herr Erhardt und Herr Rose, welche Nachhaltigkeitsziele werden schon jetzt aktiv verfolgt und welche lassen sich aufgrund mangelnder Datenlage nur schwer erreichen? Wie werden Sie dem gegensteuern?
Philipp Erhardt: Wir haben unseren Firmenstandort im Jahr 2014 komplett saniert. Hier wurden bereits weitreichende Maßnahmen umgesetzt. Zum Beispiel wurde das vorhandene Gebäude, eine alte Fensterfabrik aus den 1960er Jahren, nicht abgerissen, sondern aufwändig kernsaniert und den neuesten Energiestandards angepasst. Dass der Strom vom eigenen Dach kommt, ist hierbei selbstredend. Unser Fuhr- und Maschinenpark ist immer auf dem neuesten Stand der Technik und wo es geht und sinnvoll ist, kommen Akku-Geräte zum Einsatz. Und natürlich sind wir ständig bestrebt, unseren CO2-Fußabdruck von derzeit ca. 200 to.p.a. (Scope 1 und 2) weiter zu verringern.
Auch im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit versuchen wir ein Ausrufezeichen zu setzen, zum Beispiel in der Ausbildung mit unserem „Talentgärtner-Konzept“, in dem wir unsere Auszubildenden besonders fördern und fordern. Größten Wert legen wir vor allem auf die Diversität bei unseren Mitarbeitern. Jedes Geschlecht, jede Nationalität und Hautfarbe, etc. ist bei uns willkommen. Um dies zu unterstreichen, sind wir derzeit mit der Erstellung unseres Verhaltenskodex zugange, die bald abgeschlossen sein wird.
Die derzeit komplexeste Aufgabe ist es, eine gute Datenlage im Bereich von Scope 3 zu bekommen, da unser größter CO2-Ausstoß durch die vor- und nachgelagerten Emissionen, also die bezogenen Materialien sowie die Entsorgung von Abfällen, verursacht sind. Hier können wir allerdings derzeit oftmals nur Vermutungen anstellen, welches Material günstiger im Sinne der Nachhaltigkeit ist. Es ist nicht immer so klar ersichtlich, wie wenn man beispielsweise einen heimischen Naturstein einem Granit aus Fernost vorzieht. Natürlich geht es bei der Beratung unserer Kunden auch immer um Themen wie Vermeidung von Abfällen oder Wiederverwertung von vorhandenen Materialien, wir nennen das bei uns im Betrieb „Garden mining“, angelehnt an den Begriff aus der Kreislaufwirtschaft „Urban mining“.
Peter Rose: Wir versuchen aktuell, unser Büro auf möglichst papierlos umzuorganisieren. DMS (Document Management System) ist hierzu ein Stichwort. Im nächsten Schritt werden die Baustellen dann papierlos, die Baustellenleiter bekommen dann ein Tablet mit allen wichtigen Funktionen. Die nächsten beiden folgenden Schritte sind für uns die Müllreduzierung (Stichwort Verpackungsmüll) und die weitere Elektrifizierung unserer Kleingeräte und Maschinen. Dazu begleiten wir im Frühsommer auch eine Bachelorarbeit (Verdichtungsleistung und Wirtschaftlichkeit von akkubetriebenen Verdichtungsgeräten).
Bei den größeren Baumaschinen und Fahrzeugen (Pritschen und LKW) möchte ich zunächst noch die technische und preisliche Entwicklung abwarten. Hier fehlen mir praktikable Lösungen seitens der Industrie. Wie weit sich die Ergebnisse und CO2-Einsparungen später genau bemessen lassen, kann ich daher noch nicht ganz abschätzen. Aber aus meiner Sicht ist dieser Weg unabdingbar und muss nun weiter beschritten werden.
Gedeiht die grüne Branche?
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B_I galabau: Vielen Dank für das Gespräch.
Weiterführende Links:
Nachhaltigkeitsbericht erhardt Garten- und Landschaftsbau GmbH: https://datenbank2.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/Profile/CompanyProfile/16898/de/2023/dnk
Nachhaltigkeitsbericht Peter Rose Garten- und Landschaftsbau GmbH: https://datenbank2.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/Profile/CompanyProfile/16896/de/2023/dnk
Möchten Sie mehr über Nachhaltigkeit erfahren oder direkt Maßnahmen ergreifen? Klicken Sie hier für eine Erstberatung: https://www.kullmann-meinen.de/leistungen/nachhaltigkeitsberatung/
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