Radon - unterschätzte Gefahr aus der Tiefe
Eine Europäische Richtlinie schreibt vor, dass Menschen vor hohen Radonkonzentrationen in Gebäuden geschützt werden müssen. Bis zum Februar 2018 soll der bauliche Radonschutz im deutschen Recht verankert sein. Wer meint, Radon sei allein ein Problem in Bayern und Sachsen, irrt sich.
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Radon ist ein natürliches radioaktives Edelgas, das überall im Boden vorkommt. Von dort aus kann es in Gebäude eindringen. Es ist geruchlos, geschmacklos und kann bei Menschen, die über längere Zeit hohen Konzentrationen davon ausgesetzt sind, Lungenkrebs verursachen. Bauliche Maßnahmen können das Eindringen von Radon in Neubauten verhindern. Die Radonsanierung bei Bestandsbauten ist deutlich schwieriger. Verbindliche gesetzliche Regelungen zum baulichen Radonschutz gibt es bisher nicht.
Wie kommt Radon ins Gebäude?
Das radioaktive Edelgas Radon entsteht beim natürlichen Zerfall von Uran im Boden und steigt zur Erdoberfläche auf. Je nach Bodenbeschaffenheit und geologischer Formation kommt es in unterschiedlicher Konzentration vor. Es reichert sich in der Bodenluft an. Durch das Steigen von warmer Luft im Haus entsteht ein Kamineffekt. Dieser kann radonreiche Luft aus dem Untergrund durch die undichte Gebäudehülle ins Innere saugen. Undichte Stellen können z.B. ein im Haus liegender Brunnenschacht, Pumpensumpf, Sickergrube oder Abläufe sein, Rohr- und Leitungsdurchführungen, Risse im Boden und in Wänden oder auch materialbedingte Undichtigkeiten z.B. Hohlziegel, Erdwärmetauscher etc.
Kein regional begrenztes Problem
Entscheidend sind der Urangehalt im Boden und die Bodendurchlässigkeit. Besonders uranhaltige Böden gibt es im Bayerischen Wald, im Erzgebirge, im Fichtelgebirge und im Schwarzwald. (...) Grundsätzlich enthalten aber alle Böden in Deutschland genug Radon, die bei Undichtigkeiten im Gebäude zu unerwünscht hohen Konzentrationen im Innenraum führen können.
Der Radonanteil in der Bodenluft kann auch innerhalb kleiner Regionen schwanken – sogar von Grundstück zu Grundstück und von Haus zu Haus, je nach geologischen Verhältnissen und der Bauweise. Jüngstes Beispiel ist ein Einfamilienhaus in Kiel, bei dem Werte von über 1.000 Bq/m³ gemessen wurden. Die Jahresmittelwerte in der bodennahen Außenluft liegen normalerweise bei 5 bis 30 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m³).
Die Konzentration des geruchs-, geschmacks- und farblosen Gases nimmt umso stärker ab, je weiter man sich vom Boden entfernt. In Gebäuden sammelt es sich vor allem im Keller und dem Erdgeschoss an. Ob in einem Gebäude erhöhte Radonkonzentrationen vorkommen, hängt vom Baugrund, von der Dichtheit des Hauses sowie den Lüftungsgewohnheiten der Bewohner ab.
Diskussion um den Referenzwert
Laut BfS liegt der bundesweite Jahresmittelwert der Radonkonzentration in Wohnräumen in Deutschland schätzungsweise bei 50 Bq/m³. Ungefähr 5-10 % der Wohnungen weisen Werte von über 100 Bq/m³ auf, und ein sehr geringer Anteil Werte von über 1.000 Bq/m³. Der Europäische Rat hat in der Richtlinie 2013/59/Euratom einen Referenzwert für Innenräume festgelegt, der 300 Bq/m³ im Jahresmittel betragen darf. Die EU-Staaten dürfen aber einen niedrigeren Referenzwert festlegen. Der Wert ist hoch angesetzt, wenn man berücksichtigt, dass die WHO, das BfS und der Ausschuss für Innenraumrichtwerte AIR übereinstimmend einen Referenzwert von 100 Bq/m³ empfehlen. Denn schon ab einer Konzentration von 100 Becquerel sei statistisch ein erhöhtes Gesundheitsrisiko nachweisbar, so das BfS in einer Pressemitteilung vom Oktober. Die Diskussion um die Höhe eines deutschen Referenzwertes sei noch nicht abgeschlossen, heißt es da. Das BfS schätzt, das in ca. 90 Prozent der Gebäude in Deutschland die Radonkonzentration um 100 Bq/m³ liegt, also nur ein geringer Teil wirklich betroffen sein wird.
Verbindliche Regelungen fehlen
Bis Anfang 2018 soll der Schutz der Gebäudenutzer vor Radon in Gebäuden nach der Richtlinie 2013/59/Euratom im nationalen Strahlenschutzrecht verankert sein. Die Radonkonzentration in bestehenden Gebäuden soll vermindert und neue Gebäude so errichtet werden, dass ein Radoneintritt mit „geeigneten“ Maßnahmen verhindert wird.
Von der neuen Richtlinie wird die komplette Wertschöpfungskette am Bau betroffen sein. Konkrete Haftungs- und Gewährleistungsfragen, vor allem bei Überschreitung des Referenzwertes, sind jedoch noch ungeregelt. Das stellt die Bauwirtschaft vor neue Aufgaben.
Bei Architekten und Ingenieuren sind Kenntnisse zu der Gesundheitsgefährdung durch Radon aber nur sporadisch vorhanden. Es fehlen verbindliche Regelungen zum baulichen Radonschutz. Nur selten formulieren Bauherren den Radonschutz als Ziel der Planung und der Bauausführung. Der geringe Kenntnisstand führt deshalb häufig zu fehlerhaften Lösungen beim baulichen Radonschutz. Um das zu ändern, wurde Anfang 2015 im Deutschen Institut für Normung (DIN) ein Arbeitsausschuss „Radongeschütztes Bauen“ eingerichtet, der Planungs- und Ausführungshilfen erarbeiten soll.
Beim Neubau schützen einfache Maßnahmen
Die Plane, die seine Firma bei Neubauten einbaut, ist eine reine Butylkautschukplane und wird in Schweden hergestellt. Dort lässt Jung sie nach individuellen Gebäudemaßen konfektionieren, geliefert wird sie komplett am Stück. „Mit ihr wird das Haus eingepackt wie mit Geschenkpapier“, erläutert der Radonfachmann. Sie wird umlaufend aufgehend an der Kellerwand hochgezogen, 20 cm über die weiße Wanne, bei Ziegelmauerwerk bis zur Oberkante des Erdreichs. Ihr Preis von knapp 23,- Euro pro Quadratmeter und die relativ schnelle Verlegung machen das radonsichere Bauen laut Jung annähernd kostenneutral oder sogar günstiger als mit einer normalen Abdichtung, „weil man sich die Bitumenschweißbahn komplett sparen kann“. Der Radonschutz fungiert gleichzeitig als Abdichtung, die sowieso notwendig ist. Andersherum, meint Jung, funktioniert das allerdings nicht: „Was gasdicht ist, ist auch wasserdicht. Aber eben nicht umgekehrt.“
Der Markt für Radonschutzfolien ist jedoch unübersichtlich, es fehlen Gütesiegel und geprüfte Zertifikate. Jung bemängelt, dass bei anderen Herstellern der teure Butylanteil meist geringer sei als bei seiner schwedischen Plane. Solche Folien seien zwar druckwasser-, aber nicht gasdicht. Große Premiumhersteller wie beispielsweise Dörken bieten für Deutschland bisher gar keine gasdichte Bahn an, sondern nur Dränbahnen, die in erster Linie gegen Methan eingesetzt werden. Eine Radonsperre habe man nur für den skandinavischen Markt im Programm, so Heinz-Peter Raidt, Leiter Anwendungstechnik bei Dörken.
Sanierung: Nachträgliche Abdichtung ist problematisch
Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen, welche Maßnahmen in der Sanierung denn nun tatsächlich greifen. So kritisiert Dirk Jung, dass Abdichtungsmaßnahmen allein kaum funktionieren würden und dazu noch viel zu aufwändig seien. Hier würde ein „großes Geschäft“ gemacht, ohne wirklich dauerhaften Erfolg beim Radonschutz zu erzielen. Er dagegen verwendet die Absaugetechnik. In dem oben erwähnten Kieler Einfamilienhaus installierte er eine Unterbodenabsaugung (mit einem sogenannten Radonbrunnen) und eine Absaugeanlage im Keller. Das Haus weist mittlerweile dauerhaft Werte unter 100 Bq/m³ aus, und das mit einem verhältnismäßig geringem Aufwand.
Problem: Vereinbarkeit mit energetischer Sanierung
Neue Richtlinien führen meist zu Mehraufwand beim Bauen. Heikel wird es, wenn gesetzliche Vorgaben einander zuwiderlaufen. So hat Klaus Pöllath, Vizepräsident des Hauptverbandes der Bauindustrie, bereits auf dem Radontag in Dresden im Dezember 2013 darauf aufmerksam gemacht, dass besonders die Vereinbarkeit von Radonschutz und energetischer Sanierung eine Herausforderung ist: „Energiesparmaßnahmen sind möglicherweise für den Radonschutz kontraproduktiv.“ So könne die in der EnEV geforderte dauerhaft luftundurchlässige Abdichtung der oberirdischen Gebäudehülle zur Verringerung des Luftaustauschs führen, und damit zu einer Anreicherung von Schadstoffen wie Radon im Innenraum. Pöllath: „Dies ist eine der größten Herausforderungen, die die Radonschutzlinien mit sich bringen werden.“
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