„Der Bau muss so sexy werden wie die Automobilindustrie“
Ein spannendes Unterfangen wagte das jüngste BRZ-Mittelstandsforum: einen Ausblick auf das Bauen bis zum Jahr 2030. Bis dahin hat die Baubranche existenzielle Aufgaben: Sie muss produktiver werden, Nachwuchs sichern und in Sachen Digitalisierung kräftig aufholen.
Das Mischen wird digital
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„Digitale Entwicklung nicht verschlafen“
Mit dem Digitalisierungs-Guru Sascha Lobo hatten sich die Organisatoren ein Schwergewicht gesichert. Bekannt als guter Rhetoriker kritisierte er die unzulängliche digitale Infrastruktur in Deutschland und konnte nachweisen, dass sich Deutschland im internationalen Vergleich einen hinteren Platz mit Kasachstan teile. Da verwundere es nicht, dass die Bauindustrie mit BIM und Virtual Reality noch in den Kinderschuhen steckten. Die Bauwirtschaft dürfe aber die digitale Entwicklung nicht verschlafen.
Was kann Künstliche Intelligenz einer handwerklich geprägten Branche wie dem Bau bringen, fragte der Experte für künstliche Intelligenz (KI) Sven Körner. Sehr viel, so der Experte, KI wird helfen, beispielsweise umfangreiche Ausschreibungstexte zu erfassen, zu vergleichen und Änderungen zu markieren. Gleichzeitig bemühte sich Körner, das Unbehagen gegenüber der KI zu entkräften: „KI sollte nicht über-, aber auch nicht unterschätzt werden“. Die Digitalisierung werde auch die Baubranche verändern, wenn auch nicht in dem Maße wie andere Branchen. Sein Rat: Nicht länger warten, weil die Zeit drängt.
Um das Ausloten von Tradition und Zukunftsentwicklung drehten sich die Beispiele aus der Praxis von Bauunternehmen. Bei dem Massivhaus-Hersteller Viebrockhaus war der BIM-Start problematisch und wurde zunächst aufgegeben, weil digitale Modelle fehlten. Ein Neustart mit BIM hat zwischenzeitlich zu einem eigenen Projektteam geführt. Es wurde Wert darauf gelegt, BIM dem Firmenprozess anzupassen. Weil BIM als Methode für viele Mitarbeiter Neuland war, mussten sie zunächst von den Vorteilen überzeugt werden. Die Einrichtung von „Offenen Büros“ erleichterte den Lernprozess.
Die anschließende Diskussion befasste sich mit dem Problem von Hochschule und Praxis. Noch klaffe eine Diskrepanz von Hochschule und Praxis. Studierende würden schlecht auf die Praxis vorbereitet. Digitalisierung und KI werden zunehmend zu Assistenzsystemen, sprich Robotern, am Bau führen.
Digitalisierung und Generationswechsel
Wie die Digitalisierung auch beim Generationswechsel helfen kann, zeigte ein Beispiel aus der Praxis. Um den Unternehmenserfolg des Bauunternehmens Kagebau auch für die Zukunft zu sichern, setzt Firmengründer Dirk Kage auf zwei Dinge: die nächste Generation und die Chancen der Digitalisierung. Beispielsweise lässt Dirk Kage seinem Sohn und seiner Tochter im Bauunternehmen viel Freiräume, um neue Tools und Methoden einzuführen, weil die beiden „viel natürlicher und viel spielerischer“ mit den digitalen Werkzeugen umgehen als er. „Digitalisierung bringt zu 90 Prozent Vorteile, wir Alten müssen das begreifen“, so Kage.
Neue Ausbildungskonzepte am Bau
„Wenn wir die digitale Jugend gewinnen wollen, muss die Baubranche einen ähnlichen Sexappeal entwickeln wie die Autobranche“, appellierte Prof. Sigrid Brell-Cogcan von der RWTH Aachen und verwies damit auf das Problem des Nachwuchsmangels am Bau. Jeder möchte an der E-Mobilität mitwirken, und da könne die Baubranche als nicht gerade Hochtechnologiebranche nicht mithalten. „Wenn wir die digitale Jugend gewinnen wollen, muss mehr in Sachen Digitalisierung geschehen“, forderte die Professorin.
Das Mindeste, das Arbeitgeber in diesem Zusammenhang diesen Menschen bieten können, ist ein moderner Arbeitsplatz. Wie genau der in der Praxis aussieht, zeigten Martin Haselbek und Christoph Fritsch aus der BRZ-Gruppe in ihrem Vortrag über den „Modern Workplace“. Der Weg zum digitalisierten Arbeitsplatz braucht in ihren Augen lediglich drei Schritte – auch Mitarbeitern Angst vor Neuem nehmen: kennen, können, wollen. Dabei sei das Arbeiten mit der Cloud unverzichtbar, weil sie kostengünstig und überall – auch auf der Baustelle – verfügbar sei. Vielseitig digitale Werkzeuge werden helfen, Ordnung und Effizienz in unsere Abläufe zu bringen.
Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus von der Bergischen Universität Wuppertal finden in neuen Studiengängen praktische und wissenschaftliche Ausbildung in bislang einzigartiger Weise zusammen. Trotz aller Bemühungen liegt die Abbruchquote unter Studierenden in baurelevanten Studiengängen bei rund 30 Prozent. Für Thomas Murauer, Geschäftsführer Bildungszentren des Baugewerbes e.V. (BZB), ist es wichtig, diese Studienabbrecher für die Baubranche zu nutzen. Deshalb arbeiten in seinen Bildungszentren inzwischen Außendienstler, die Hochschulen vor Ort besuchen und beraten.
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„Pläne gehen schief“, erklärte Gerhard List, Vorstand der Entwicklungs- und Baugesellschaft List AG aus Nordhorn, deshalb sollten Führungskräfte zwar eine Richtung angeben, ansonsten aber flexibel bleiben. „Wir tendieren dazu, unser Wissen über die Welt zu überschätzen und den Zufall auszublenden“, so List.
Er baue in seiner Unternehmensgruppe auf „Leute, die besser sind als ich“, so List weiter. Danach trete er zur Seite, um sie ihre Arbeit machen zu lassen. Wer als Geschäftsführer zu viele Ansagen mache, riskiere das Potenzial seiner Mitarbeiter nicht auszuschöpfen. Denn besser noch als Motivation sei, De-Motivierung zu vermeiden. Dazu gehöre auch, alle am Erfolg zu beteiligen.
Fazit: Menschen sichern den Erfolg
Die Digitalisierung ist kein Ereignis, sondern ein Prozess, der mit einem Kulturwandel des Bauens einhergehen wird. Dessen ungeachtet wird wohl auch in zehn Jahren noch analog gebaut werden, immerhin ist Bauen überwiegend Handwerk. Trotzdem werden sich Bauunternehmen bis 2030 schnellstmöglich digital neu aufstellen müssen, damit Mitbewerber nicht an ihnen vorbeiziehen. Auf jeden Fall – und das hat das Mittelstandsforum deutlich gezeigt – sichern immer Menschen den Erfolg.
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