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Tödliche Unfälle auf dem Bau nehmen zu

Insgesamt 97 Bau-Beschäftigte kamen im letzten Jahr durch einen Arbeitsunfall ums Leben, rund ein Viertel mehr als 2019. Die meisten davon waren Abstürze und Maschinenunfälle. Zudem gibt es immer mehr Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften. Mit Überwachung und Prävention will die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft in Zukunft tödlichen Unfällen vorbeugen.

Mehr tödliche Arbeitsunfälle am Bau – Mehr Prävention gefordert
Absturzunfälle gehören zu den folgenreichsten Arbeitsunfällen der Baubranche. Häufiger Grund sind fehlende oder mangelhafte Sicherungseinrichtungen an hochgelegenen Arbeitsplätzen. | Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH - H. Hannemann

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Die Entwicklung der Unfallzahlen am Bau ist widersprüchlich: Einerseits sank die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft und bei den baunahen Dienstleistungen von 106.774 im Jahr 2019 auf 103.970 im Jahr 2020. Das ist ein Rückgang um rund 2,6 Prozent. Auch die meldepflichtigen Wegeunfälle gingen zurück. Sie lagen mit 7.723 Unfällen knapp zehn Prozent unter dem Wert von 2019. Andererseits: Im Jahr 2020 haben auf deutschen Baustellen insgesamt 97 Beschäftigte infolge eines Arbeitsunfalls ihr Leben verloren – 27 mehr als 2019. Dagegen liegt die Zahl der tödlichen Wegeunfälle (2019: 21/2020: 19) knapp unter dem Vorjahresniveau. In diesem Jahr droht eine ähnlich dramatische Bilanz: Bis September 2021 wurden von der BG Bau 69 Todesfälle im Rahmen von Arbeitsunfällen verzeichnet. Im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 74.

„Die Zahlen zeigen: Noch immer ist das Unfallgeschehen auf den Baustellen zu hoch. Beim Arbeitsschutz müssen wir alle gemeinsam noch besser werden“, sagt Hansjörg Schmidt-Kraepelin, Hauptgeschäftsführer der BG Bau. Die Bauwirtschaft habe gezeigt, dass sie das kann: Die Corona-Pandemie habe sie trotz aller Herausforderungen erfolgreich gemeistert, obwohl auf den Baustellen durchgearbeitet wurde.

Unfällen vorbeugen mit Beratung und Überwachung
Über die Entwicklung des Arbeitsschutzes am Bau sprachen wir mit Bernhard Arenz, Leiter der Hauptabteilung Prävention bei der BG Bau. Er fordert unter anderem mehr staatliche Kontrollen bei den Pflichten des Bauherren.

Bernhard Arenz: „Mir liegt sehr am Herzen, dass Bauherrn an der Umsetzung der Baustellenverordnung arbeiten.“ | Foto: BG Bau
Bernhard Arenz: „Mir liegt sehr am Herzen, dass Bauherrn an der Umsetzung der Baustellenverordnung arbeiten.“ | Foto: BG Bau

B_I: Sind in der von der BG Bau erfassten Unfallstatistik auch Corona-bedingte Unfälle?

Arenz: Die Coronapandemie stand und steht natürlich in den Jahren 2020/21 im Vordergrund. Die Bauwirtschaft hat die Coronapandemie aber sehr gut gemeistert, Baustellen liefen nahezu unvermindert weiter. Bauarbeiten haben den Vorteil, dass sie in der Regel im Freien stattfinden. Aber natürlich waren auch dort und an allen anderen Arbeitsplätzen die Hygienestandards umzusetzen. Unsere für die Unternehmen und die Beschäftigten entwickelten Medien und Materialien wurden gut angenommen.

Für uns war und ist es wichtig, auf den Baustellen sehr präsent zu sein und den gesetzlichen Beratungs- und Überwachungsauftrag vor Ort wahrzunehmen. Dabei geht es seit Beginn der Coronapandemie im besonderen Maße um Hygienestandards auf Baustellen, wie zum Beispiel um Möglichkeiten von zusätzlichen Waschgelegenheiten und die Einhaltung der AHA+L-Regeln. Das war gerade im ersten Jahr der Pandemie mit einem hohen Beratungsaufwand verbunden. Unterm Strich muss man feststellen: Die Bauwirtschaft ist sehr gut durch die Pandemie gekommen. Das Infektionsgeschehen am Bau war und ist sehr niedrig. Deshalb sehen wir keinen direkten Zusammenhang zwischen Corona und dem Unfallgeschehen.

B_I: Gab es Impfangebote?

Arenz: Ja, die gab es. Der Arbeitsmedizinische Dienst der BG Bau hat mit Untersuchungsmobilen vor Ort Impfungen durchgeführt, selbstverständlich unter Einhaltung der Regularien und im genehmigten Rahmen.

B_I: Die im Juli 2021 veröffentlichten Zahlen zur Entwicklung von Arbeitsunfällen zeigen einerseits den Trend, dass insgesamt die Unfallzahlen zurückgehen, die schweren und tödlichen Unfälle jedoch zugenommen haben. Gibt es eine Erklärung für diese Entwicklung?

Arenz: Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Zahl der meldepflichtigen Unfälle - das sind Unfälle mit mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit - rückläufig ist, bereits seit Jahren. Ein wichtiges Kriterium ist die Betrachtung der 1.000-Personenquote, das sind „Vollarbeiter“ wie wir sagen. Diese lag im Jahr 2020 bei 49,8 und damit erstmals unter 50. Im Jahr 2019 lag die Quote noch bei 52,03. Das ist ein Rückgang um vier Prozent. Vor etwa 20 bis 25 Jahren lag die Quote bei 100 und darüber. Die Unfallquote hat sich also seither halbiert. Andererseits muss man auch feststellen, dass die Bauwirtschaft im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen eine deutlich erhöhte Unfallquote hat. Bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften lag sie 2019 bei 23,5. Die Unfallhäufigkeit pro 1.000 Vollarbeitern ist in der Bauwirtschaft also doppelt so hoch wie in der gesamten gewerblichen Wirtschaft.

B_I: Spielen dabei auch einzelne Gewerke eine Rolle?

Arenz: Ja. Meine Aufgabe als Verantwortlicher für die Präventionsarbeit der BG Bau ist es, diese wirklich effizient zu gestalten. Deshalb liegt der besondere Fokus auf Unfallschwerpunkten und auf Bereichen, die ein höheres Unfallrisiko erkennen lassen. Einen dieser Schwerpunkte bilden Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen, wie Dach-, Zimmerer- und Gerüstbauarbeiten, die Quoten von deutlich über 50, teilweise auch deutlich über 100 aufweisen.

Darüber hinaus analysieren wir das Unfallgeschehen auch nach Unfallarten und nach Unfallauslösern, wie Leitern oder Gerüste. Aus den Ergebnissen der Analysen leiten wir Präventionsmaßnahmen, wie zum Beispiel notwendige Veränderungen bei Arbeitsverfahren oder Arbeitsmitteln oder auch die Notwendigkeit einer verstärkten Überwachung ab. Zum anderen achten wir verstärkt darauf, dass die Regelwerke da angepasst werden, wo es notwendig ist.

B_I: Können Sie erkennen, dass es eine Entwicklung in der Zahl der Verstöße gibt?

Arenz: Eine Entwicklung kann ich nicht erkennen. Wir stellen allerdings fest, dass die Anzahl der Ordnungswidrigkeiten in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Wird gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen, können wir ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten.

B_I: Die Unfälle am Bau mit Todesfolge sind um etwa ein Viertel gestiegen. Gibt es dafür eine Erklärung?

Arenz: Wie bei den meldepflichtigen Arbeitsunfällen betrachten wir auch bei den tödlichen Arbeitsunfällen das Kalenderjahr. Auch in der Vergangenheit gab es Schwankungen bei der Anzahl tödlicher Unfälle. Im Jahr 2019 hatten wir mit 70 tödlichen Unfällen einen Tiefstand und 2020 dann einen deutlichen Sprung nach oben auf 97. 2018 waren es 88 Unfälle. In der Langzeitbetrachtung, also vor rund 20 Jahren war die Zahl etwa dreimal so hoch. Die Zahl der tödlichen Unfälle ist also deutlich zurückgegangen.

Natürlich ist die Zahl der Unfälle auf den Baustellen viel zu hoch und jeder tödliche Unfall ist einer zu viel. Betrachten wir aber die Ursachen der tödlichen Unfälle für das Jahr 2020: Von den 97 tödlichen Unfällen haben sich 89 auf den Baustellen oder im Betrieb ereignet. Fast die Hälfte dieser tödlichen Unfälle waren Abstürze von hochgelegenen Arbeitsplätzen. Dieser Anteil ist seit vielen Jahren leider gleichbleibend hoch. Von den gesamten Absturzfällen haben sich 17 Abstürze vom Dach ereignet. Davon 15 Abstürze nach innen, durch Öffnungen, etwa durch nicht trittsichere Lichtkuppeln oder weil die Dachfläche nicht ausreichend tragfähig war.

B_I: Und die andere Hälfte?

Arenz: Neben den Abstürzen sind Maschinenunfälle eine häufige Ursache für tödliche Arbeitsunfälle. Insgesamt zwölf tödliche Maschinenunfälle gab es 2020. Bei der Unfallursache der herabfallenden oder kippenden Bauteile waren es zehn tödliche Unfälle - ein hoher Anteil und auch eine Konstante, die wir seit Jahren beobachten. Rund 20 Prozent der tödlichen Unfälle sind auf stürzende, kippende Bauteile oder Bauelemente zurückzuführen. Unfälle sind häufig auf einen „instabilen Bauzwischenzustand“ zurückzuführen, beispielsweise während des Aushebens einer Baugrube oder durch ein umstürzendes Wandelement, das noch nicht ausreichend verankert ist. Ein weiteres Thema sind umstürzende oder bewegte Lasten mit Hebezeugen. Was ich damit sagen möchte: Bauen ist interessant, spannend und herausfordernd, aber die hohen Energiepotenziale sind auch mit einem hohen Unfallrisiko verbunden.
Im europäischen Vergleich belegt Deutschland (Pfeil) bei der Gesamtzahl der Arbeitsunfälle einen guten vorletzten Platz. | Foto: eurostat
Im europäischen Vergleich belegt Deutschland (Pfeil) bei der Gesamtzahl der Arbeitsunfälle einen guten vorletzten Platz. | Foto: eurostat

B_I: Wenn 87 Prozent der meldepflichtigen Arbeitsunfälle zu Lasten von Abstürzen, Maschinenunfällen und Unfällen, bei denen Beschäftigte verschüttet werden, gehen, was tut man gegen die Unfallursachen?

Arenz: Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass man diesen Unfällen entgegenwirken muss. Dazu gehört, dass schlicht einige Regeln beachten werden müssen. Mit unserem Präventionsprogramm „Bau auf Sicherheit. Bau auf dich“ machen wir darauf immer wieder aufmerksam. Die Botschaft lautet: Du hast nur ein Leben, deshalb beachte die lebenswichtigen Regeln. Das haben wir mit der Stopp-Botschaft kombiniert, d.h. Mitarbeiter haben das Recht, bei inakzeptablen Arbeitssituationen Stopp zu sagen.

B_I: Welche grundlegenden Regelwerke sollten sonst noch beachtet werden?

Arenz: In Deutschland gibt es eine Baustellenverordnung als Teil des Arbeitsschutzgesetzes. Die Baustellenverordnung ist an den Bauherrn adressiert und verlangt von ihm, bereits in der Planungsphase die Beachtung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes zu gewährleisten. Das gilt sowohl für den Bau als auch die Bewirtschaftung des Gebäudes, damit auch später Unfälle vermieden werden können. Allerdings gibt es auch noch viel Potenzial in dieser Beziehung. Denn die Baustellenverordnung wird mitunter nur schlecht oder schleppend umgesetzt, oft erst nach Baubeginn und nicht schon in der Planungsphase. Hier ist der Bauherr besonders gefordert. Es müsste insofern mehr staatliche Kontrollen in Richtung Bauherr geben. Tatsächlich ist es so, dass viele Unfälle auf fehlende oder fehlerhafte Planung zurückzuführen sind, z.B. bei nicht trittsicheren Dachkuppeln.

Der Gesetzgeber sieht vor, dass der Bauherr einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator bestellt. Das soll eine Person sein, die vom Fach ist, die in der Lage ist, die Bauabläufe und auch die Zwischenzustände zu erkennen und Schutzmaßnahmen festzuschreiben. Das kann dem Bauherrn auch Kosten und Zeit sparen, abgesehen davon, dass es seine Pflicht ist.

B_I: Wie steht Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern da?

Arenz: Es gibt Erhebungen von Eurostat, einem Statistikportal der EU. Bei den Quoten für tödliche Unfälle zeigt sich beispielsweise für Frankreich, dass die Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Unfall bezogen auf 100.000 Erwerbstätige bei 2,5 liegt. Im europäischen Durchschnitt liegt die Quote bei 1,83. In Deutschland liegt sie unter 1, also deutlich darunter. Hier gilt es, alle Anstrengungen zu unternehmen, diese Zahl noch weiter zu senken.

B_I: Welche Botschaft würden Sie noch gern an die Leser richten?

Arenz: Mir liegt sehr am Herzen, an die Bauherrn zu appellieren, an der Umsetzung der Baustellenverordnung zu arbeiten. Im Übrigen richtet sich mein Appell an die Beschäftigten auf den Baustellen, aber auch an die Unternehmerinnen und Unternehmer, die lebenswichtigen Regeln einzuhalten und die Stopp-Regel bei Risiken zu beachten. Denn Arbeitsschutz ist ein Mehrwert für jedes einzelne Unternehmen.

Man darf vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Fachkräftemangels nicht vergessen, dass es fatal wäre, wenn die hohe Unfallquote so bleiben würde. Einen guten Baggerfahrer kann man nicht so ohne weiteres ersetzen. Die Unternehmen hätten andernfalls mit immensen Ausfallzeiten und hohen Kosten zu kämpfen. Nicht zu vergessen ist der Reputationsverlust. Wir müssen Vorteilskommunikation betreiben für einen gut geplanten Arbeitsschutz für die Beschäftigten, um ihre Gesundheit zu erhalten. Und auch für Unternehmen, die zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wollen. Das bringt Vorteile für alle. Das wird noch zu wenig erkannt. Auch die breite Öffentlichkeit muss den Arbeitsschutz am Bau wahrnehmen, vielleicht auch über Werbespots im Fernsehen.

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B_I: Vielen Dank, Herr Arenz, für das Gespräch.
Das Gespräch führte Benno Stahn.

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