Aufhebung eines Vergabeverfahrens
Vergabeverfahren können, müssen jedoch nicht durch den Zuschlag auf ein Angebot beendet werden. Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens kann dabei ein ebenso probates Mittel sein. In diesem Artikel geht unser Autor Rechtsanwalt Anes Kafedžić auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens ein und erläutert, was man dazu vergaberechtlich, verwaltungsrechtlich und zivilrechtlich wissen sollte. Vorwegnehmen kann man bereits folgende Erkenntnis: Aufhebungen darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn andernfalls können sie für öffentliche Auftraggeber und Bieter unangenehme Folgen haben.
Aufhebung des Vergabeverfahrens – Rechtliche Positionsbestimmung
Zum Verständnis dessen, was bei einer Aufhebung rechtlich vorgeht, ist ein Blick in das Verwaltungs- und Zivilrecht unerlässlich. Bei der Durchführung von Vergabeverfahren zur Beschaffung von Dienst-, Liefer- und Bauleistungen (Leistungen) bewegen sich öffentliche Auftraggeber im Bereich der sogenannten „Fiskalverwaltung“. In Abgrenzung zum Bereich der „Hoheitsverwaltung“ bedienen sich öffentliche Auftraggeber im in der Fiskalverwaltung keiner hoheitlichen Maßnahmen und keiner hoheitlichen Handlungsformen (z.B. Gesetze, Ge- und Verbote durch Verordnungen und Verwaltungsakte etc.) um Regelungen zu treffen und Ge- und Verbote durchzusetzen, sondern sie schließen zivilrechtlich geprägte Verträge, die sogenannten „fiskalischen Hilfsgeschäfte“. Die fiskalischen Hilfsgeschäfte dienen den öffentlichen Auftraggebern dazu, sich diejenigen Leistungen zu beschaffen, die sie zur Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeiten benötigen, z.B. Betrieb von Schulen, Autobahnen und anderen Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Vereinfacht gesagt: „Der Staat geht einkaufen und beschafft sich das, was er für seine Aufgabenerfüllung benötigt.“
Bei der Beschaffung dieser Leistungen tritt die Verwaltung, d.h. konkret die öffentlichen Auftraggeber, grundsätzlich wie ein privater Bürger am Markt auf, um mit den Marktteilnehmern zivilrechtliche Verträge über die Erbringung der Leistungen abzuschließen. Die Verwaltung ist dabei grundsätzlich nichts anderes als einer unter vielen anderen Nachfragern am Markt. Sie genießt dabei – ebenso wie alle anderen Nachfrager – grundsätzlich Vertragsfreiheit. Ebenso wie andere Nachfrager, unterliegt die Verwaltung daher grundsätzlich auch keinem sogenannten „Kontrahierungszwang“. Es steht ihr vielmehr grundsätzlich frei, Verträge mit Leistungserbringern zu schließen oder solche Verträge eben nicht einzugehen. Im Rahmen der Vertragsfreiheit kann sie daher grundsätzlich, wie jeder andere Nachfrager Marktgelegenheiten wahrnehmen oder von Geschäftsabschlüssen absehen. Das Vergaberecht ändert daran grundsätzlich nichts. Das Vergaberecht ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein „formalisiertes Vertragsabschlussverfahrensrecht“, das Regelungen dazu trifft, wie öffentliche Auftraggeber das Verfahren zum Abschluss fiskalischer Hilfsgeschäfte gestalten müssen. Ob die öffentlichen Auftraggeber jedoch die fiskalischen Hilfsgeschäfte abschließen, dazu trifft das Vergaberecht keine Regelungen. Folglich regelt das Vergaberecht auch nichts dazu, ob öffentliche Auftraggeber Vergabeverfahren durch Zuschlag beenden und dadurch einen Vertrag schließen oder aber das Vergabeverfahren aufheben und von der Zuschlagserteilung absehen. Wegen der Vertragsfreiheit der öffentlichen Auftraggeber können Vergabeverfahren daher in jedem Fall grundsätzlich stets auch durch eine Aufhebung beendet werden. Öffentliche Auftraggeber sind weder durch das Vergaberecht noch durch andere Rechtsvorschriften verpflichtet, Verträge abzuschließen die sie nicht (mehr) schließen möchten.
Vergaberechtliche Aufhebungsgründe – was hat es damit auf sich?
Wenn aber das Vergaberecht grundsätzlich nicht vorschreibt, dass Vergabeverfahren mit dem Zuschlag auf ein Angebot bzw. dem Abschluss des Vertrages zu enden haben, welchen Sinn und Zweck haben dann die vergaberechtlichen Regelungen über die Aufhebung des Vergabeverfahrens, z.B. § 63 VgV, § 48 UVgO, § 17 und § 17 EU VOB/A?
Der Sinn und Zweck dieser Regelungen erschließt sich erst, wenn man nochmals berücksichtigt, dass öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Leistungen im Wege von Vergabeverfahren als Nachfrager auf dem Markt auftreten und dabei grundsätzlich Vertragsfreiheit genießen. Für jeden Nachfrager am Markt gelten dabei zivilrechtliche Rücksichtnahme- und Treuepflichten, wenn sie mit anderen in Vertragsverhandlungen bzw. in die Phase der Vertragsanbahnung treten oder ähnliche geschäftliche Kontakte aufnehmen (vgl. § 311 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB). Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten, haften beide Parteien dem jeweils anderen auf Schadensersatz nach Maßgabe der § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB. Nichts anderes gilt für den öffentlichen Auftraggeber, wenn er Vergabeverfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge aufsetzt. Durch das Vergabeverfahren entsteht nach gefestigter Rechtsprechung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern ein sog. „vorvertragliches Schuldverhältnis“ nach Maßgabe der § 311 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB. Nach Maßgabe dieses vorvertraglichen Schuldverhältnisses ist insbesondere der öffentliche Auftraggeber zur Rücksichtnahme und Loyalität gegenüber den Bietern verpflichtet. Ausfluss dieser Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht ist, dass öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet sind, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Bestimmungen des Vergaberechts einzuhalten. Teil dieser Bestimmungen sind insbesondere auch die Regelungen über die Aufhebung des Vergabeverfahrens.
Sind öffentliche Auftraggeber daher verpflichtet, diese Regelungen einzuhalten, können sie auch nur unter Einhaltung dieser Regelungen Vergabeverfahren sanktionslos aufheben, d.h. ohne sich gegenüber den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen schadensersatzpflichtig zu machen. Der Sinn und Zweck der Regelungen über die Aufhebung des Vergabeverfahrens besteht daher darin, dem Auftraggeber die Möglichkeit zu geben, Vergabeverfahren ohne einen Zuschlag auf ein Angebot zu beenden, ohne sich dabei gegenüber den Bietern schadensersatzpflichtig zu machen. Liegen daher die in den Regelungen der § 63 Abs. 1 VgV, § 48 Abs. 1 UVgO, § 17 Abs. 1 und § 17 EU Abs. 1 VOB/A abschließend aufgezählten Aufhebungsgründe vor, können öffentliche Auftraggeber Vergabeverfahren ohne Schadensersatzrisiko aufheben.
Heben öffentliche Auftraggeber Vergabeverfahren auf, ohne dass die Voraussetzungen der Aufhebungsgründe vorliegen, haften sie den Bietern auf Schadensersatz jedenfalls nach § 311 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB in Höhe des:
- negativen Interesses in Form der Angebotserstellungskosten (z.B. Personalstunden, Material- und Reisekosten) und unter Umständen auch
- in Höhe des positiven Interesses, v.a. in Form des entgangenen Gewinns, d.h. des Gewinns, den der für den Zuschlag vorgesehene Bieter mit dem zu vergebenden Auftrag erwirtschaftet hätte, wenn es nicht zu der durch die geregelten Aufhebungsgründe nicht gedeckten und damit rechtswidrigen Aufhebung des Vergabeverfahrens gekommen wäre.
Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die vergaberechtlichen Aufhebungsgründe öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit der Aufhebung von Vergabeverfahren einräumen, ohne dabei das Risiko einer kostspieligen Schadensersatzhaftung gegenüber den Bietern fürchten zu müssen. Aufhebungen, die von den Aufhebungsgründen nach § 63 Abs. 1 VgV, § 48 Abs. 1 UVgO, § 17 Abs. 1 und § 17 EU Abs. 1 VOB/A gedeckt sind, sind rechtmäßig und für den Auftraggeber sanktionslos, d.h. frei von einem sonst drohenden Schadensersatzrisiko.
Vergaberechtliche Aufhebungsgründe – ein kurzer Überblick
Die vergaberechtlichen Aufhebungsgründe weisen teilweise wortgleiche Bestimmungen auf, sodass in der folgenden Darstellung zur Vereinfachung maßgeblich auf § 63 Abs. 1 VgV eingegangen wird. Die Darstellungen sind aber auf die übrigen Aufhebungsgründe in der UVgO, der VOB/A und VOB/A-EU übertragbar. Nachfolgend ein Überblick über die Aufhebungsgründe des § 63 Abs. 1 VgV:
§ 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV regelt die Aufhebung für den Fall, dass kein Angebote eingegangen sind, die den Bedingungen entsprechen. Zu den Bedingungen zählen sowohl die in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen aufgestellten Anforderungen an den Bieter und die Leistung als auch die Vorgaben, die sich unmittelbar aus den vergaberechtlichen Bestimmungen ergeben, z.B. den Ausschlussgründen nach § 123 f. GWB.
Dieser Aufhebungsgrund liegt daher insbesondere vor, wenn
- kein Bieter die Eignungsanforderungen erfüllt
- keiner der geeigneten Bieter (gegebenenfalls auch nach durchgeführter Nachforderung) ein den formellen Anforderungen der Vergabe entsprechendes Angebot abgegeben hat
- keiner der geeigneten Bieter ein den materiellen Anforderungen der Vergabeunterlagen entsprechendes Angebot abgegeben hat (alle Angebote weichen von den Leistungsvorgaben der Leistungsbeschreibung ab)
Nicht anwendbar ist § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV, wenn nach vollständiger Angebotsprüfung noch ein Angebot verbleibt, das sämtliche Anforderungen erfüllt und von einem geeigneten Bieter abgegeben wurde.
§ 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV ermöglicht die Aufhebung eines Vergabeverfahrens, wenn sich dessen Grundlagen wesentlich geändert haben. Eine wesentliche Änderung liegt dann vor, wenn wegen rechtlicher, technischer, zeitlicher oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten, die während der laufenden Ausschreibung aufgetreten sind, die Durchführung des Auftrags nicht mehr möglich oder zumindest für den öffentlichen Auftraggeber objektiv sinnlos oder unzumutbar ist.
Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist danach z.B. denkbar:
- bei Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Leistung;
- beim Wegfall/bei Verweigerung erforderlicher Erlaubnisse/Genehmigungen für die Ausführung der Leistung;
- bei zeitlichen Verzögerungen des Projekts, die zum Wegfall des Bedarfs bzw. zu erforderlichen Änderungen der Leistung führen;
- bei Änderung der technischen Rahmenbedingungen der Leistung, die den Bedarf nach einer wesentlichen Anpassung der Leistung nach sich ziehen.
Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV ist dabei stets, dass die Umstände, die zu einer wesentlichen Änderung des Vergabeverfahrens führen, nicht durch den öffentlichen Auftraggeber verursacht wurden und für diesen unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt eines umsichtig handelnden öffentlichen Auftraggebers auch nicht vorhersehbar waren. Aus diesem Grund scheidet beispielsweise die Aufhebung nach dieser Vorschrift aus, wenn sich nach Beginn des Vergabeverfahrens herausstellt, dass die ausgeschriebene Leistung nicht bezahlt werden kann, weil z.B. Fördermittel nicht gewährt werden, nicht so üppig ausfallen wie erwartet oder das Geld aus anderen Gründen - vermeintlich plötzlich - fehlt. Fehlendes Geld ist kein zur Aufhebung nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV berechtigender Grund, denn öffentliche Auftraggeber dürfen Vergabeverfahren nur dann beginnen, wenn die Finanzierung lückenlos steht. In Kauf genommene Finanzierungslücken, die im Vergabeverfahren durchschlagen, sollen nicht zur sanktionslosen Aufhebung nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV berechtigen.
§ 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV ermöglicht die Aufhebung von Vergabeverfahren, bei denen kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde. Die Idee dieser Regelung ist simpel: Öffentliche Auftraggeber sollen nicht dazu gezwungen sein, überteuerte Leistungen zu beschaffen. Stellt sich also nach der Auswertung der Angebote heraus, dass die Erteilung des Zuschlags an den Bestbieter mit dem Gebot der wirtschaftlichen Mittelverwendung unvereinbar wäre, kann das Vergabeverfahren nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV aufgehoben werden. Was sich simpel anhört, ist in der Praxis oftmals hoch problematisch.
Grundlage jeder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist dabei stets die Kostenschätzung des Auftraggebers aus dem Vorfeld der Vergabe. Ein unwirtschaftliches Ergebnis liegt vor, wenn auch das wirtschaftlichste Angebot erheblich über dem Preis liegt, der nach einer ordnungsgemäßen Schätzung des Auftragswertes nach § 3 VgV ermittelt worden war. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kostenschätzung ordnungsgemäß war und als Grundlage für die Wirtschaftlichkeitsbewertung einer Beschaffung genommen werden kann. Ordnungsgemäß ist die Kostenschätzung nach Maßgabe der Rechtsprechung nur dann, wenn in der Kostenschätzung eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert angestellt wurde. Gegenstand der Prognose muss dabei sein, zu welchem Preis die Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann. Ein pflichtgemäß geschätzter Auftragswert ist jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der Leistungen veranschlagen würde. Dem Auftraggeber steht bei der Ermittlung des Auftragswertes grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Kostenschätzung ist als ein der eigentlichen Ausschreibung vorgeschalteter Vorgang mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten behaftet; sie kann nicht an den gleichen Maßstäben wie das Angebot der Unternehmen gemessen werden. Ihrem Gegenstand nach bildet sie eine Prognose, die dann nicht zu beanstanden ist, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbarer Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch vertretbaren Weise erarbeitet wurde. Dem Charakter der Prognose entsprechend können dabei lediglich die bei ihrer Aufstellung vorliegenden Erkenntnisse berücksichtigt werden, nicht jedoch solche Umstände, die erst im Nachhinein bei einer rückschauenden Betrachtung erkennbar und in ihrer Bedeutung ersichtlich werden. Aus der Sicht der Beteiligten sind ihre Ergebnisse hinzunehmen, wenn die Prognose aufgrund der bei ihrer Aufstellung objektiv vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint.
Die Kostenschätzung ist nach diesen Maßstäben verbindlich, wenn:
- der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt wurde;
- sachliche Erwägungen zugrunde gelegt wurden,
- der Beurteilungsmaßstab zutreffend angewandt und das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde.
Vom Auftraggeber ist allerdings zu verlangen, dass er eine seriöse Prognose des voraussichtlichen Gesamtauftragswertes anhand objektiver Kriterien vornimmt, dabei Umsicht und Sachkunde walten lässt und die wesentlichen Kostenfaktoren berücksichtigt. Die Prognose darf nicht auf erkennbar unrichtigen Daten beruhen, etwa, weil sie eine vorhersehbare Kostenentwicklung unberücksichtigt lässt oder ungeprüft und pauschal auf anderen Kalkulationsgrundlagen beruhende Werte übernimmt. Soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbemessungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell sind und sich nicht unerheblich verändert haben, ist die Kostenschätzung anzupassen. Ist der ausgeschriebene Auftrag mit im Wesentlichen gleichem Inhalt bereits zuvor vergeben worden, ist es sachgerecht, bei der Schätzung vom bisherigen Wertaufkommen auszugehen, wobei aktuelle Preisentwicklungen zu berücksichtigen sind. Eine Unterschreitung des bisherigen Wertaufkommens ist möglich, wenn nachvollziehbar konkrete organisatorische oder strukturelle Veränderungen im Einzelnen dargestellt worden, die eine hinreichende, zumindest vertretbar ermittelte Reduktion des Auftragswerts erwarten lassen.
Wie sich aus den vorstehend dargestellten Anforderungen ergibt, ist die Aufhebung nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV durchaus kein „Selbstläufer“, der immer durchgeht, wenn eine Leistung „irgendwie zu teuer scheint“ oder sich „zu teuer anfühlt“. Eine Aufhebung nach dieser Regelung kann nur dann schadensersatzrisikofrei gelingen, wenn die für die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Vergabe maßgebliche Kostenschätzung unter allen Umständen auf einer den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten beruhenden, realen Tatsachengrundlage fußt und daher wirtschaftlich und rechnerisch „wasserdicht“ ist. Dann - und nur dann - kann bei einer wesentlichen Überschreitung der Kostenschätzung die Unwirtschaftlichkeit der Vergabe angenommen werden. Wann die Überschreitung wesentlich und die Vergabe damit unwirtschaftlich ist, ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden, bei der insbes. zu berücksichtigen ist, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung zugewiesen werden, die Aufhebung andererseits aber auch kein Instrument zur Korrektur der in Ausschreibungen erzielten Submissionsergebnisse sein darf. Dabei muss der Auftraggeber auch den Preis aufklären und prüfen, ob weniger einschneidende Maßnahmen an Stelle der Aufhebung möglich sind, z.B. Teilaufhebung, Rückversetzung des Vergabeverfahren, Verhandlungen (soweit zulässig). Zwar gibt es keine festen Werte dafür, ab wann die Überschreitung wesentlich ist, jedoch wird vielfach erst ab einer Überschreitung von 20% die Möglichkeit einer wesentlichen Überschreitung überhaupt diskutiert. Im Ergebnis ist damit der scheinbar simpel anmutende Aufhebungsgrund des § 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV mit erheblichen Schwierigkeiten gespickt und daher durchaus anspruchsvoll. Es reicht eben nicht zu behaupten, dass die Leistung zu teuer und die Vergabe daher unwirtschaftlich sei. Das Urteil „zu teuer“ darf nicht auf einem subjektiven Gefühl beruhen, sondern es muss rechnerisch untermauert sein. Ob etwas „zu teuer“ ist, ist dabei wie vieles im Leben eine Frage des Standpunktes, von dem wir die Sache betrachten.
§ 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV gestattet die Aufhebung aus anderen schwerwiegenden Gründen. Dieser Aufhebungsgrund ist bewusst weit formuliert und daher als Auffangtatbestand für alle Fallkonstellationen gedacht, die nicht unter einen der anderen geregelten Aufhebungsgründe fallen. Aufgrund seiner sprachlichen Weite ist die Rechtsprechung (zu Recht) um eine Eingrenzung dieses Aufhebungsgrundes bemüht. Bei der Anwendung dieses Aufhebungstatbestandes ist danach zu berücksichtigen, dass die sanktionslose Aufhebung des Vergabeverfahrens grundsätzlich die Ausnahme und die Zuschlagserteilung die Regel sein soll. Die (schwerwiegenden) Gründe für die Aufhebung dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein bzw. sie dürfen für ihn im Vorfeld der Vergabe nicht vorhersehbar gewesen sein. Die Gründe müssen so schwer wiegen, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen vom öffentlichen Auftraggeber nicht erwarten können, an den Inhalt der Ausschreibung gebunden zu sein. Die Gründe müssen in ihren Auswirkungen auf das Vergabeverfahren den Konstellationen entsprechen, die von § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 VgV erfasst werden. Ob ein solcher schwerwiegender Grund vorliegt, ist auch hier nur anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden, unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen und des jeweiligen Stadiums des Vergabeverfahrens.
Schwerwiegende, zur Aufhebung berechtigende Gründe in diesem Sinn, wurden beispielsweise in den nachfolgenden Fällen angenommen:
- Fehlende Vergabereife, insbesondere wenn Details der Rahmenbedingungen der Leistungsausführung nicht abschließend ermittelt wurden und daher nicht in die Ausschreibung einfließen konnten;
- Objektive und unvorhersehbare grundlegende Änderungen der politischen/militärischen/wirtschaftlichen Verhältnisse, die eine Fortführung der Vergabe als nicht sinnvoll erscheinen lassen;
- Fehlende finanzielle Mittel für die Durchführung der Beschaffung nach Zuschlagserteilung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Fehlen der Mittel nicht auf einem Verschulden des öffentlichen Auftraggebers beruhen darf, z.B. infolge einer unrealistischen Kostenschätzung, einer unrealistischen Haushaltsplanung, fehlender Bemühungen die erforderlichen Finanzmittel durch anderweitige haushaltsrechtliche Umplanungen doch bereitstellen zu können etc.
- Schwerwiegende Fehler der Vergabeverfahren, z.B. unbestimmte, nicht erschöpfende Leistungsbeschreibung; widersprüchliche Leistungsbeschreibungen und Vergabeunterlagen; nicht produktneutrale Leistungsbeschreibungen; rechtswidrige Zuschlagskriterien; Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien; Wahl der falschen Vergabeart; Mitwirkung am Vergabeverfahren von interessenkonfligierten Personen auf Seiten des Auftraggebers; Wettbewerbsverstöße der Bieter, die ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren ausschließen (Kartellabrede und andere Verstöße gegen den Geheimwettbewerb);
Gerade bei den letztgenannten Beispielen ist darauf zu achten, dass im Rahmen der Interessensabwägung berücksichtigt wird, dass es dem öffentlichen Auftraggeber nicht ermöglicht werden soll, die „schwerwiegenden Gründe“ für eine Aufhebung fahrlässig/vorsätzlich durch eigene Fehler zu schaffen, um unliebsame Vergabeverfahren sanktionslos aufzuheben. Daher muss berücksichtigt werden, ob die Fehler der Vergabeverfahren vom Auftraggeber schuldhaft verursacht wurden. Liegt schuldhaftes Handeln des öffentlichen Auftraggebers vor, scheidet eine sanktionslose Aufhebung aus.
Aufhebungsgrund erfüllt – zwingender Ausschluss?
Sofern einer der vorstehend dargestellten Aufhebungsgründe vorliegt, bedeutet das nicht, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens zwingend erfolgen muss. Die Aufhebung ist keine zwingende Rechtsfolge. Das wird bereits im Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 1 VgV deutlich, der insoweit nur von der Berechtigung des öffentlichen Auftraggebers zur Aufhebung des Vergabeverfahrens spricht und gerade keine Pflicht zur Aufhebung regelt. Über das Ob und Wie der Aufhebung muss der Auftraggeber auch bei Vorliegen der Aufhebungsgründe des § 63 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 VgV anhand einer Ermessensentscheidung befinden. Dieser Ermessensentscheidung kommt insbesondere bei den Aufhebungsgründen in der § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis Nr. 4 VgV (wesentliche Änderung der Verfahrensgrundlagen, kein wirtschaftliches Ergebnis des Vergabeverfahrens und andere schwerwiegende Gründe) eine besondere Bedeutung zu. Bei diesen Aufhebungsgründen darf die Aufhebung nur erfolgen, wenn anhand einer Interessensabwägung aller Umstände des Einzelfalles das Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Aufhebung des Vergabeverfahrens alle übrigen Interessen überwiegt.
Dabei hat der öffentliche Auftraggeber insbesondere die nachfolgenden Umstände/Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
- Das öffentliche Interesse an einer wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel;
- Den Stand des Vergabeverfahrens und die bis dahin von den Unternehmen getätigten Aufwendungen für die Teilnahem am Vergabeverfahren (v.a. Kosten der Angebotserstellung);
- Die Schwere des Verfahrensverstoßes (§ 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV);
- Die Behebbarkeit des Verfahrensverstoßes. Maßgeblich ist dabei, ob unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes eine Anpassung der Vergabeunterlagen einen vergaberechtskonformen Abschluss des Vergabeverfahrens ermöglichen könnte;
- Die Frage des Verschuldens für das Vorliegen des Aufhebungsgrundes, z.B. im Rahmen des schwerwiegenden Grundes nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV. Vorsätzlich oder fahrlässig durch den öffentlichen Auftraggeber herbeigeführte Verfahrensverstöße berechtigen nicht zur sanktionslosen Aufhebung;
- Mögliche Alternativen zur Aufhebung des Vergabeverfahrens, z.B. durch Rückversetzung des Vergabeverfahrens in einen früheren Stand unter Korrektur und Anpassung der Vergabeunterlagen oder Teilaufhebung des Vergabeverfahrens. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufhebung stets das letzte Mittel sein sollte und mildere Mittel, wie die Rückversetzung/Teilaufhebung als für die Unternehmen weniger belastende Maßnahmen stets Vorrang haben.
Die Aufhebung ist damit auch bei Vorliegen der geregelten Aufhebungsgründe kein Automatismus, sondern stets das Ergebnis einer Ermessensentscheidung. Ob der öffentliche Auftraggeber dieses Ermessen gesehen und zutreffend ausgeübt hat, kann durch die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen vollumfänglich überprüft werden. Ist die Ermessensausübung unterblieben, fehlerhaft erfolgt oder nicht dokumentiert worden, ist die Aufhebung rechtlich angreifbar.
Rechtswidrige Aufhebung = unwirksame Aufhebung?
Liegen die Voraussetzungen der gesetzlichen Aufhebungsgründe nach § 63 VgV, § 48 UVgO, § 17 und § 17 EU VOB/A nicht vor, folgt daraus kein Verbot der Aufhebung für öffentliche Auftraggeber. Aufgrund der grundsätzlichen Vertragsfreiheit der Verwaltung, sind öffentliche Auftraggeber auch bei Fehlen eines gesetzlichen Aufhebungsgrundes frei darin, Vergabeverfahren aufzuheben, nicht durch Zuschlagserteilung zu beenden und das Risiko von Schadensersatzzahlungen zu akzeptieren. Das Vergaberecht gibt Bietern lediglich einen Anspruch auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften, nicht jedoch einen Anspruch auf den Abschluss des Vergabeverfahrens durch Zuschlagserteilung. Folge einer nicht durch einen geregelten Aufhebungsgrund gedeckten Aufhebung ist zunächst „nur“ die Rechtswidrigkeit der Aufhebung. Aus der Rechtswidrigkeit der Aufhebung, erwachsen den Bietern Schadensersatzansprüche in Höhe des negativen und unter Umständen auch des positiven Interesses.
Die Rechtswidrigkeit der Aufhebung bedeutet jedoch grundsätzlich nicht, dass die Aufhebung unwirksam ist und öffentliche Auftraggeber verpflichtet wären, das rechtswidrig aufgehobene Vergabeverfahren fortzuführen. Die Rechtswidrigkeit der Aufhebung führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Aufhebung.
Auch die rechtswidrige Aufhebung ist im Regelfall wirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber dafür einen sachlichen Grund vorweisen kann. Ein sachlicher Grund liegt z.B. vor, wenn:
- die objektiven Merkmale eines geregelten Aufhebungsgrunds vorliegen und dieser nur deshalb nicht zur Anwendung kommt, weil die Voraussetzungen für den geregelten Aufhebungsgrund vom öffentlichen Auftraggeber schuldhaft zu vertreten sind;
- Die geänderten Rahmenbedingungen des Projekts eine kostengünstigere Gestaltung der Ausschreibung zulassen und der öffentliche Auftraggeber dies nutzen möchte;
- Die Einreichung von Nebenangeboten, die mangels Festlegung von Mindestanforderungen nicht gewertet werden durften, gezeigt hat, dass mit der ordnungsgemäßen Zulassung von Nebenangeboten günstigere Angebote möglich gewesen wären.
An das Vorliegen der sachlichen Gründe werden von der Rechtsprechung teilweise (sehr bedenklich) minimalste Anforderungen gestellt. Es soll danach schon genügen, dass sachliche Gründe vorliegen können, ohne dass der öffentliche Auftraggeber diese nachweisen muss. Nur wenn sachliche Gründe fehlen, ist die Aufhebung unwirksam und das Vergabeverfahren ist unverändert fortzusetzen. Sachliche Gründe fehlen danach, wenn die Aufhebung nur zum Schein erfolgt oder zu dem Zweck erfolgt, bestimmte Bieter oder Bietergruppen zu diskriminieren.
In diesen Fällen handelt es sich um eine sogenannte „Scheinaufhebung“, d.h. die Aufhebung erfolgt aus willkürlichen Gründen und der Auftraggeber hat unverändert ein Interesse an der zu vergebenden Leistung. Scheinaufhebungen liegen z.B. vor, wenn:
- Die Aufhebung in Wahrheit aus Gründen der Herkunft der Bieter erfolgt;
- Die Aufhebung dazu dient, die Auftragsvergabe an einen aus vergaberechtsfremden Gründen „unerwünschten“ Bieter zu vermeiden;
- Die Aufhebung nur erfolgt ist, um einem erwünschten Bieter oder Bieterkreis, der im laufenden Verfahren keine Chance gehabt hätte, in einem neuen Verfahren den Auftrag zukommen zu lassen;
- Die Aufhebung ohne erkennbaren sachlichen Grund erfolgt und deshalb willkürlich erscheint.
Auch rechtswidrige Aufhebungen sind daher regelmäßig wirksam. Ob eine ausnahmsweise unwirksame, d.h. ohne sachlichen Grund vorgenommene Aufhebung vorliegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu bewerten. Dabei muss auch die hinter der Aufhebung stehende Absicht des öffentlichen Auftraggebers in die Betrachtung einbezogen werden. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Fortsetzung des unwirksam aufgehobenen Vergabeverfahrens besteht daher nur in Ausnahmefällen. Ob diese vorliegen ist eine Frage, die für jeden Einzelfall konkret zu untersuchen ist.
Rechtsschutz gegen die Aufhebung – Aufhebung der Aufhebung
Ist die Aufhebung rechtswidrig (nicht durch einen gesetzlichen Aufhebungsgrund gedeckt), ist die Frage zu beantworten, welche Rechtsschutzmöglichkeiten Bieter haben. Bezüglich des Rechtsschutzes unterscheidet man dabei grundsätzlich zwischen Primär- und Sekundärrechtsschutz. Welche Rechtsschutzmöglichkeit man wählt, hängt dabei davon ab, was man erreichen kann und will.
Dazu im Einzelnen:
-
Der Primärrechtsschutz ermöglicht Bietern die Durchsetzung spezifischer vergaberechtlicher Verfahrensrechte vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen. Bezüglich der Aufhebung ist zu beachten, dass die geregelten Aufhebungsgründe den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen ein subjektives Recht auf die Einhaltung der Vorschriften verleihen und die Bieter nach den Grundsätzen der Rücksichtnahme und Loyalität ebenfalls einen Anspruch darauf haben, dass Vergabeverfahren nur aus sachlichen Gründen aufgehoben werden. Liegen weder die Voraussetzungen der geregelten Aufhebungsgründe vor und liegen auch keine sachlichen Gründe für eine Aufhebung vor, können die Bieter vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen die „Aufhebung der Aufhebung“ und mithin die Fortsetzung des Vergabeverfahrens erwirken. Für die Durchsetzung der „Aufhebung der Aufhebung“ stehen den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen im Oberschwellenvergaberecht das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer sowie die sofortige Beschwerde vor den Oberlandesgerichten zur Verfügung. Im Unterschwellenbereich können die Unternehmen ihre Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung und Widerspruch/Berufung vor den Zivilgerichten durchsetzen. Die erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs auf die „Aufhebung der Aufhebung“ und mithin die erzwungene Fortsetzung des Vergabeverfahrens ist regelmäßig rechtlich komplex, insbesondere da öffentliche Auftraggeber häufig im Verlauf der Rechtsschutzverfahren noch „sachliche Gründe“ für eine Aufhebung „entdecken“, die sie bereits bei der Aufhebungsentscheidung bereits „angedacht“ haben wollen. Solche Vorträge muss man als Bieter ernst nehmen und argumentativ bekämpfen.
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Unter dem Sekundärrechtsschutz wird die Durchsetzung von Kompensationsansprüchen im Nachgang zu rechtswidrigen und gegebenenfalls unwirksamen Aufhebungsentscheidungen verstanden. Die am Vergabeverfahren beteiligten Bieter haben bei einer rechtswidrigen Aufhebung insbesondere nach § 311 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB bzw. § 181 GWB einen Schadensersatzanspruch in Höhe des negativen Interesses auf die Erstattung der vergeblich für die Beteiligung am aufgehobenen Vergabeverfahren aufgewendeten Kosten (z.B. Personalkosten für die Angebotserstellung). Ist die Aufhebung nicht nur rechtswidrig, sondern auch unwirksam (siehe zuvor, Scheinaufhebung), können Bieter auch einen Schadensersatzanspruch in Höhe des positiven Interesses (v.a. entgangener Gewinn) haben. Dieser setzt voraus, dass der Bieter darlegen und beweisen kann,
- dass er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens (hier: unterbliebener rechtswidriger und unwirksamer Aufhebung) den Zuschlag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhalten hätte;
- dass die unwirksame Aufhebung schuldhaft (fahrlässig oder vorsätzlich) erfolgte;
- dass der im rechtswidrig und unwirksam aufgehobenen Vergabeverfahren zu vergebende öffentliche Auftrag bzw. ein wirtschaftliches Äquivalent zu diesem Auftrag im Nachgang zur rechtswidrigen und unwirksamen Aufhebung doch noch an ein anderes Unternehmen vergeben wurde;
- dass ihm tatsächlich ein Schaden in Höhe des positiven Interesses entstanden ist. Im Falle des entgangenen Gewinns muss das Unternehmen diesen rechnerisch nachvollziehbar berechnen und sich ebenfalls anderweitige Kompensationsmöglichkeiten (z.B. Ersatzaufträge, die es durch den entgangenen Auftrag hätte annehmen können) anrechnen lassen.
Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Bieter vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig. Die sekundärrechtschutzrechtlichen Schadensersatzansprüche sind vor den jeweils zuständigen Zivilgerichten geltend zu machen. Die Durchsetzung vergaberechtlich geprägter Schadensersatzansprüche aufgrund rechtswidriger/unwirksamer Aufhebungen ist vielfach rechtlich und tatsächlich komplex. Neben den vergaberechtlichen Rechtsfragen (Rechtswidrigkeit/Unwirksamkeit der Aufhebung) sind dabei auch immer zivilrechtliche und zivilprozessuale sowie nicht selten verwaltungsrechtliche, haushaltsrechtliche sowie tatsächliche Fragestellungen zu klären. Hinzu kommt eine häufig fehlende vertiefte Vertrautheit der jeweils zuständigen Zivilgerichte mit Spezialfragen des Vergaberechts, sodass Schadensersatzverfahren sich vielfach in die Länge ziehen können.
Fazit
Die Aufhebung von Vergabeverfahren stellt sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Bieter vor eine Vielzahl vielschichtiger vergaberechtlicher, zivilrechtlicher und mit unter verwaltungsrechtlicher Fragen. Für eine „saubere“ Aufhebung ist die Kenntnis dieser Fragen und der souveräne Umgang mit ihren Antworten unerlässlich. Die Aufhebungsentscheidung sollte daher keinesfalls auf die „leichte Schulter“ genommen werden. Andernfalls drohen sowohl öffentlichen Auftraggebern als Bietern langwierige und gegebenenfalls unangenehme, da aufwands- und kostenintensive, Rechtsstreitigkeiten, die sich im schlimmsten Fall über Jahre ziehen können. Dies gilt es durch eine ordnungsgemäße Anwendung der vergaberechtlichen Rechtsgrundlagen zu vermeiden.
Über den Autor
Anes Kafedžić
Rechtsanwalt bei LANGWIESER RECHTSANWÄLTE
Anes Kafedžić ist Rechtsanwalt bei LANGWIESER RECHTSANWÄLTE Partnerschaft mbB. Das Tätigkeitsspektrum von Herrn Kafedžić umfasst die gesamte Bandbreite des Vergaberechts. Im Rahmen dessen berät er seine Mandanten bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen sowie bei der Erstellung von Angeboten. Darüber hinaus übernimmt er die Vertretung seiner Mandanten in vergaberechtlichen Rechtschutzverfahren sowie bei der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen vergaberechtlichen Ursprungs, z.B. Schadensersatz- und Akteneinsichtsansprüche. Herr Kafedžić veröffentlicht regelmäßig vergaberechtliche Fachbeiträge in führenden Fachmedien.
Weitere Informationen zu unserem Autor finden Sie auf der Website der Kanzlei LANGWIESER.
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