Holcim baut Prototyp für die Dekarbonisierung der Zementindustrie
In Lägerdorf soll das erste klimaneutrale Zementwerk der Welt entstehen. Bis zum Jahr 2028 will der Zement-Konzern Holcim seinen Traditionsstandort mit neuer Ofentechnik und CO2-Abscheidung umrüsten. Die Investitionskosten für den Bau belaufen sich auf mehrere hundert Millionen Euro. Und der Zeitplan ist eng.
Das Mischen wird digital
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Als 1995 der Ofen 11 im Zementwerk Lägerdorf bei Itzehoe eingeweiht wurde, galt er als neuer Maßstab in Sachen Umweltfreundlichkeit, denn er wurde für die Verbrennung mit Ersatzbrennstoffen, sprich: aufbereitetem Müll, gebaut. Kohle war damit für die Zementherstellung nicht mehr nötig. Torsten Krohn war damals Umweltbeauftragter in dem Werk, das er heute leitet. Jetzt, fast 30 Jahre später, legt Lägerdorf beim Stand der Technik erneut die oberste Messlatte an: Holcims erklärtes Ziel ist, bis zum Ende des Jahrzehnts hier in Schleswig-Holstein das erste klimaneutrale Zementwerk der Welt zu betreiben.
Spatenstich für ein Vorzeigeprojekt
Dafür wird aktuell die neue Ofenlinie 12 gebaut und das Werk auf ein Oxyfuel-Verfahren zur CO2-Abscheidung umgerüstet. Pro Jahr würden damit über eine Million Tonnen CO₂ eingespart, heißt es von Holcim – das entspricht etwa 5 Prozent der jährlichen CO2-Produktion ganz Schleswig-Holsteins. Das Vorzeigeprojekt nennt sich „Carbon2Business“ und wird mit 110 Millionen Euro von der EU gefördert. Für Holcim Deutschland belaufen sich die gesamten Investitionskosten auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. An denen beteiligt sich weder der Bund, noch das Land Schleswig-Holstein. Dennoch waren Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther beim offiziellen Spatenstich im April 2024 zugegen und würdigten damit die hohe Bedeutung des Projekts.
Abgeschiedenes CO2 wird zu Rohstoff
CO2-Pipeline bis Brunsbüttel in Planung
Besonders vielversprechend erscheint die Nutzung vor Ort in der Westküsten-Region. So soll das CO2 aus Lägerdorf der Methanolsynthese in der Raffinerie Heide zugeführt werden. Die synthetischen Kraftstoffe könnten dann z.B. für den Hamburger Flughafen oder für Methanolschiffe genutzt werden, erläutert Weidner.
Holcims Zeitplan für die Dekarbonisierung
Über Holcim
Holcim Deutschland verfügt über 13 Standorte, beschäftigt rund 1.800 Mitarbeiter und hat nach eigenen Angaben 2023 einen Jahresumsatz von 814 Millionen Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen gehört zum Schweizer Konzern Holcim Ltd. mit insgesamt 850 Standorten, rund 64.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 27 Milliarden Schweizer Franken. Damit ist Holcim der größte Zementproduzent der Welt.
Zeit für die industrielle Dekarbonisierung drängt
Zementindustrie wartet aufs Kohlendioxid-Speicherungsgesetz
Aus diesem Grund wartet auch Holcim dringend auf das Kohlendioxid-Speicherungs- und -Transportgesetz (KSpTG). Die jüngsten Fassung der Carbon Management Strategie (CMS) des Bundeswirtschaftsministeriums will den Branchen Zement, Kalk, Chemie und Stahl die CO2-Abscheidung und des Export ins europäische Audsland ermöglichen, muss aber noch in den Ressorts abgestimmt werden. Um den Aufbau der CO2-Transportinfrastrukturen rechtssicher zu ermöglichen, will die Bundesregierung das Kohlendioxid-Speichergesetz entsprechend anpassen. Den Entwurf hatte das Bundeskabinett Ende Mai verabschiedet und nach Stellungnahme des Bundesrats am 4. September beschlossen, die erste Lesung im Bundestag soll in einigen Wochen erfolgen.
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Damit besteht für Holcim die Hoffnung, das das KSpTG die wesentlichen Hürden für den Aufbau eines CO2-Pipelinenetzes noch dieses Jahr beseitigen wird und der Zeitplan für Lägerdorf machbar ist. Ob bis Mitte der 2030er Jahre alle relevanten industriellen CO2-Quellen rechtzeitig an die neu zu erstellende Infrastruktur angeschlossen werden können, ist allerdings offen - zu lang seien die Vorlaufzeiten, warnt nicht nur die Zementindustrie. Wirklich einhalten ließe sich der Dekarbonisierungs-Zeitplan nur, wenn den Vorhaben ein „überragendes öffentliches Interesse“ eingeräumt werde.
Warum überhaupt CO2-Speicherung?
Die deutsche Zementindustrie emittiert pro Jahr 20 Mio. Tonnen CO2. Das entspricht ca. 3 Prozent der Gesamtemissionen in Deutschland. Bundesweit gibt es 33 Zementwerke mit eigener Klinkerproduktion. Die CO2-Emissionen in der Zementherstellung sind zu zwei Dritteln rohstoffbedingt und gelten deshalb als unvermeidbar. Deshalb wird die Kohlendioxid-Speicherung als einzige Lösung gesehen, wie die Zementproduktion klimaneutral werden kann.
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