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Werbeoffensive gegen Fachkräftemangel: „Frischluft statt Fließband“
Im überbetrieblichen Ausbildungszentrum lernen angehende Tiefbauer ihr Handwerk. | Fotos: B_I/B.Stahn

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„Baggern statt Büffeln“, „Anpacken statt Rumsitzen“, „Frischluft statt Fließband“ – mit solchen Slogans wirbt die Sozialkasse für den Bauberuf. „Die Baubranche bietet eine Vielzahl von Ausbildungsberufen, die für junge Frauen und Männer attraktiv sind. Gute Aufstiegschancen und Weiterbildungsmöglichkeiten machen es möglich, später auch einen eigenen Betrieb zu führen“, heißt es auf der Internetseite der Soka-Bau.

Die Zahl neuer Ausbildungsverträge in der Bauwirtschaft ist 2016 um 1,2 % auf rund 11.000 gesunken, dies ist der erste Rückgang seit dem Jahr 2013. Zudem hat sich der Ausbildungsmarkt erstmals seit dem Jahr 2008 schlechter entwickelt als das Handwerk oder der bundesweite Durchschnitt, meldet die Soka-Bau. Es gibt immer weniger Bewerber, während mehr Ausbildungsstellen angeboten werden. So ist die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen deutlich gestiegen, in den Hochbauberufen war ein Anstieg um 8,1 %, in den Tiefbauberufen gar ein Anstieg um 21,2 % festzustellen.

Nachwuchs ist Mangelware

Am Geld kann es nicht liegen, dass viele Bauunternehmen nicht genügend Auszubildende finden. Denn Bau-Azubis gehören vergleichsweise zu den Spitzenverdienern: bis zu Euro 1.090,- im Monat verdient ein Lehrling am Bau. Zum Vergleich: ein Kraftfahrzeugmechatroniker bringt es auf durchschnittlich etwa 750,- Euro und ein Schornsteinfeger gar nur auf 495,- Euro. Wo also liegt das Problem bei der Nachwuchsrekrutierung und der Behebung des Facharbeitermangels?

Anders als man vermuten könnte, spielt das ehemals schlechte Image des Bauberufes heute kaum eine Rolle mehr. „Die Zufriedenheit mit dem Beruf ist groß: 63 % der Befragten geben an, mit ihrem Beruf zufrieden zu sein, 44 % sind es auch in Bezug auf ihre Entlohnung“, weiß Dr. Heiko Stiepelmann vom Bauindustrieverband.

Zwischen 1995 und 2015 hat das Bauhauptgewerbe die Anzahl seiner Mitarbeiter annähernd halbiert. | Grafik: Deutsche Bauindustrie
Zwischen 1995 und 2015 hat das Bauhauptgewerbe die Anzahl seiner Mitarbeiter annähernd halbiert. | Grafik: Deutsche Bauindustrie

Probleme sind hausgemacht

Die heutigen Probleme des Auszubildenden- und Facharbeitermangels sind offensichtlich hausgemacht. In der Zeit von 1995 bis 2015 hat das Bauhauptgewerbe die Anzahl seiner Mitarbeiter annähernd halbiert: Von rund 1,4 Millionenen Beschäftigten im Jahr 1995 blieben etwa 763.000 im Jahr 2015. Die in den letzten Jahren anziehende Baukonjunktur lässt den Verlust nicht wieder ausgleichen. Hinzu kommt der demografische Wandel, der zunehmend Probleme macht bei der Nachwuchsrekrutierung. Immer weniger junge Menschen pro Jahrgang entscheiden sich für eine Ausbildung am Bau. Das gleiche gilt auch für das weiterführende Baustudium. Auch der Produktivitätsfortschritt kann den Mangel an Kräften nicht auffangen.

Der natürliche Abgang verschärft die Situation noch: Nach Informationen des Bauindustrieverbandes stehen den 12.200 Bauarbeitern, die jährlich in Rente gehen, nur 11.300 Auszubildende gegenüber. Offensichtlich stellen sich viele Firmen darauf ein, Engpässe mit polnischen Fachkräften zu beheben.

Strategie: Facharbeiter selbst ausbilden

Bei dem Kieler Unternehmen Heinrich Karstens gehört die Facharbeitersuche zum täglichen Brot. „Der Markt für Facharbeiter ist leergefegt“, sagen Jens Dibbern und Jörg Momsen, zuständig für die Lehrlingsausbildung im Unternehmen Karstens. Hoffnung auf Änderungen haben sie nicht, weil die demografische Entwicklung eher nach unten zeigt. Um den zukünftigen Fachkräftemangel entgegenzuwirken, bilde man bis zu sechs Azubis pro Jahrgang als Stahlbetonbauer, Maurer, Kanalfacharbeiter oder GaLaBauer aus. Die praktische Ausbildung auf der Baustelle erfolgt in kleinen Kolonnen. Ein Vertrauensmann fungiert als Interessenvertreter der Auszubildenden. Internet-Jobbörsen und Messen wie die Nordbau in Neumünster helfen bei der Nachwuchs-Rekrutierung. „Ideal wäre ein Interesse am Beruf“, sagt Jörg Momsen. Aber leider würden sich zunehmend häusliche Probleme bemerkbar machen, was sich mitunter auch im mangelnden Respekt gegenüber Vorgesetzten äußere.

Die Aussichten für einen Auszubildenden am Bau, nach der Lehre übernommen zu werden, sind ziemlich gut. „Das hängt damit zusammen, dass die Ausbildungsbetriebe die hohen Investitionskosten für Auszubildende für die eigene Personalaufstockung nutzen möchten“, sagt Jörg Momsen. Nicht nur das hohe Lehrlingsgehalt der Azubi schlage dabei zu Buche, sondern auch die Tatsache, dass die Azubis nur etwa ein Drittel ihrer Ausbildungszeit für die praktische Arbeit am Bau zur Verfügung stünden, ergänzt sein Kollege Jens Dibbern. Denn nicht nur die Berufsschule, die zur theoretischen Ausbildung gehört, sondern auch die überbetriebliche Ausbildung als Praxisausbildung ist Plicht.

Jens Dibbern (links) und Jörg Momsen sind bei der Bauunternehmung Heinrich Karstens für die Ausbildung zuständig.
Jens Dibbern (links) und Jörg Momsen sind bei der Bauunternehmung Heinrich Karstens für die Ausbildung zuständig.

Überbetriebliche Ausbildung ist Pflicht

Im internatähnlichen Ausbildungszentrum Ahrensbök laufen ständig Kurse mit etwa 80 Auszubildenden in allen Ausbildungsjahrgängen. Auszubildende aus ganz Schleswig-Holstein werden hier für den Straßenbau, den Betonbau und den Kanalbau fit gemacht. Drei Ausbildungshallen mit sieben Ausbildern mit Meisterqualifikation unterstützen die praktische Ausbildung in den Betrieben.

Das 1968 in Betrieb gegangene Ausbildungszentrum Ahrensbök ist eine überbetriebliche Ausbildungsstätte. Sie wurde zwischen 2007 und 2016 umfangreich saniert und baulich erweitert. Finanziert wird das Zentrum letztlich über die Arbeitsplatzabgabe aller Baubetriebe an die Soka-Bau, das Ausbildungszentrum erhält 95 Euro pro Tag und Auszubildendem.

Andreas Ketzner leitet das Ausbildungszentrum seit 1996. „Die Zunahme an Firmengründungen in den vergangenen Jahren hat auch zu einer Zunahme an Azubis geführt“, hat Ketzner beobachtet. Im Ausbildungszeitraum 2003/2004 konnte das Ausbildungszentrum gerade 159 Teilnehmer verzeichnen, aktuell sind 347. Dennoch, den demografischen Wandel merkt auch Ketzner: „Weil es weniger Schulabgänger pro Jahrgang gibt, gibt es auch weniger Auszubildende. Hinzu kommt, dass nicht wenige nach der Ausbildung in eine andere Branche wechseln.“

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Sehr zu schaffen machen den Ausbildern starke Defizite der Auszubildenden beim Rechnen und Schreiben. Das führe mitunter dazu, dass Berufsschulen bereits Förderkurse anbieten. Noch schwieriger ist es für Ausbilder, mit Defiziten im sozialen Bereich, mangelnder Disziplin und fehlendem Respekt fertig zu werden.

Ausbilder Manfred Pigorsch (links) und Zentrumsleiter Andreas Ketzner: „Im Ausbildungszentrum Ahrensbök haben wir 7 Ausbildungsbereiche in drei Hallen plus zwei Außenarbeitsflächen. Das Internat hat insgesamt 108 Betten in drei Häusern.“
Ausbilder Manfred Pigorsch (links) und Zentrumsleiter Andreas Ketzner: „Im Ausbildungszentrum Ahrensbök haben wir 7 Ausbildungsbereiche in drei Hallen plus zwei Außenarbeitsflächen. Das Internat hat insgesamt 108 Betten in drei Häusern.“

Mentorenprogramm gegen Ausbildungs-Frust

Einen neuen Weg in der Lehrlingsausbildung ist die Sanierungstechnik Dommel GmbH gegangen. Geschäftsführer Benedikt Stentrup spricht aus Erfahrung: „Mit unserem Mentorenprogramm haben wir die Motivation steigern und Arbeitsunfälle reduzieren können“. Das von der Universität Wuppertal entwickelte Programm sieht eine permanente Begleitung jedes Auszubildenden durch erfahrene Mitarbeiter des Betriebes vor. Die freiwilligen Mentoren agieren als individuelle Paten und sollen die Auszubildenden in praktischer, aber auch in sozialer Hinsicht unterstützen. In Workshops werden die Mentoren auf ihre Rolle vorbereitet. „Das Programm kostet zwar Geld“, sagt Stentrup, „aber es ist gut investiert in zukünftige Leistungsträger, die man auch selbst ausbildet“.

„Wenn Probleme in der Ausbildung rechtzeitig erkannt werden, wäre das schon ein Erfolg“, sagt Melanie Hainz von der Uni Wuppertal, die das Programm wissenschaftlich begleitet, „potenzielle Abbrecher könnten dann zurückgewonnen werden“. Die soziale Komponente sei wichtig, Azubis sollten auch mal „in den Arm“ genommen werden, fordert Hainz, „die Firma wird dann zur Familie“.

Benedikt Stentrup: "Zukünftige Leistungsträger sollte man am besten selbst ausbilden." | Foto: Uhrig Kanaltechnik
Benedikt Stentrup: "Zukünftige Leistungsträger sollte man am besten selbst ausbilden." | Foto: Uhrig Kanaltechnik

Gute Ausbildung ist das A und O

Das duale Ausbildungssystem ist nach wie vor ein deutsches Erfolgsmodell, um das uns viele Länder beneiden. Gute Ausbildung ist auch die sicherste Methode, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Der Facharbeiterabbau der vergangenen Jahre und die Ausbildungszurückhaltung der Betriebe haben zum heutigen Facharbeitermangel geführt. Das Image des Bauberufes ist noch entwicklungsfähig. Nicht Pfusch, Schwarzarbeit und Korruption sollten das Bild des Berufes bestimmen. Richtiger wäre deutlich zu machen, dass Bauen heute eine anspruchsvolle Hightech-Angelegenheit ist. Der Bau braucht qualifizierte Mitarbeiter. Das hat man offensichtlich auch im fernen China erkannt. Andreas Ketzner vom Ausbildungszentrum Ahrensbök berichtet von einem durchaus ernst gemeinten Besuch einer chinesischen Delegation, die sich recht interessiert am Ausbildungssystem in Ahrensbök gezeigt hatten, um es möglicherweise auch in China zu entwickeln.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im B_I baumagazin 2/2017.

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