Sanierungsstau bei Fernstraßenbrücken
Führten eine engagierte Diskussion über die Zukunft unserer Brücken: (v.l.n.r.) ADAC-Verkehrsvorstand Jans-Jürgen Feldhusen, Dr.-Ing. Gero Marzahn (BMVI), Dr.-Ing. Rainer Grzeschkowitz, der VSVI-Landesvorsitzende Matthias Paraknewitz und, für den Städte- und Gemeindetag, Dr. Stefan Klotz.

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Als Perle der Baukunst wird der Konstruktive Ingenieurbau gern bezeichnet. Umso erschreckender erscheint vor diesem Hintergrund der Zustand der Brückenbauwerke in Deutschland im Jahr 2015. Die „Notoperationen“ der Rheinbrücken in Leverkusen (A 1) und Mainz (A 643) sowie der Rader Hochbrücke der A 7 über den Nord-Ostsee-Kanal haben schonungslos den Sanierungsnotstand der deutschen Fernstraßenbrücken offengelegt. Auf jährlich 1,5 Milliarden Euro beziffert der ADAC den Finanzierungsbedarf für den Erhalt der Bundesfernstraßenbrücken.

Dass diese Summen nicht aus vorhandenen Haushaltsmitteln bestritten werden können, ist klar. Verkehrsminister Dobrindt hat daher in diesem Jahr ein Sonderprogramm Brückenmodernisierung aufgelegt, in dem eben diese 1,5 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stehen sollen. Es läuft zunächst bis 2018. Förderwürdig sind Maßnahmen mit mindestens fünf Millionen Euro Volumen, und die Liste enthält schon 99 Einträge. Das entspricht einem Volumen von ungefähr zwei Milliarden Euro.

„Und das ist nur der Anfang“, sagte Dr.-Ing. Gero Marzahn, Referatsleiter Brücken-, Tunnel und sonstige Ingenieurbauwerke im Bundesverkehrsministerium, beim Tag der Straßenbau- und Verkehrsingenieure in Neumünster. „Bis 2017 stecken wir planmäßig 1,33 Milliarden Euro in den Brückenbau rein, und das wird nicht reichen. Diese Zahlen müssen etwa 600 Millionen jährlich erreichen und dann über 20 Jahre relativ konstant weitergeführt werden.“ Keine leichte Aufgabe, aber immerhin gute Aussichten für den Ingenieurnachwuchs: „Ich hoffe, dass die jungen Ingenieure das erkennen: Das ist ihr Zeitalter, jetzt Ingenieurwesen und Konstruktiven Ingenieurbau zu studieren“, so Marzahn.

Der Instandsetzungsbedarf an deutschen Fernstraßenbrücken nimmt ständig zu und erreicht bisweilen dramatische Ausmaße wie hier an der Rader Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Ka- nal im Jahr 2013. | Foto: LBV-SH
Der Instandsetzungsbedarf an deutschen Fernstraßenbrücken nimmt ständig zu und erreicht bisweilen dramatische Ausmaße wie hier an der Rader Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Ka- nal im Jahr 2013. | Foto: LBV-SH
Im kommunalen Bereich sieht es nicht viel besser aus: Elf Milliarden Euro wird laut einer aktuellen Studie der dringend notwendige Neubau von 10.000 kommunalen Brückenbauwerken bis 2030 verschlingen. Nochmal sechs Milliarden Euro wird die Sanierung kommunaler Straßenbrücken kosten. Doch Geld ist nicht das einzige Problem: Länder und Kommunen haben in den letzten Jahren, verordnet durch den Bund, kräftig Planungsressourcen abgebaut. Die Straßenbauverwaltungen der Länder müssten kurzfristig ihre Kapazitäten wieder verstärken, fordert deshalb der ADAC. Außerdem müsse die Finanzierung vom jährlichen Haushalt abgekoppelt werden, um das Abfließen in andere kommunale Bauaufgaben zu verhindern. „In der Regel sticht Schule Verkehrsinfrastruktur aus“, weiß auch Dr. Stefan Klotz aus seiner Arbeit in der Hansestadt Lübeck zu berichten. Es erfordere enorme Anstrengungen, „die Verkehrsinfrastruktur wieder fit zu bekommen. Und das vor dem Hintergrund, dass bei den Kommunen die sprudelnden Steuereinnahmen des Bundes nicht direkt ankommen. Im Gegenteil.“ Er sieht deshalb nicht nur einen technischen, sondern auch einen ganz massiven finanziellen Handlungsbedarf.

Doch zurück zu den Bundesfernstraßen: Gut 39.500 Brückenbauwerke gibt es entlang deutscher Autobahnen und Bundesstraßen – ein „ganz ordentliches Anlagevermögen“, wie Dr.-Ing. Gero Marzahn in Neumünster treffend feststellte. In welchem Zustand sie sind und wie viele von ihnen in den nächsten Jahren erneuert werden müssen, hat sein Ministerium jüngst nachgeprüft. Ergebnis: Rund 2.500 Bauwerke müssen „näher in Augenschein genommen werden“. Dies sind vordringlich Großbrücken mit über 800 Metern Länge, in der Regel Spannbetonbrücken. Sie machen über 40 Prozent der gesamten Brückenfläche aus.

Um den Zustand dieser Brücken zu verstehen, muss man sich klarmachen, dass sie in der Mehrzahl schon Nutzungsdauern von 40 oder 50 Jahren hinter sich haben, und dass sie in einer Zeit gebaut worden sind, als der Fahrzeug- und vor allem der Schwerverkehr nur ein Bruchteil von dem war, was heute auf unseren Straßen rollt. Die Leverkusener Rheinbrücke im Zuge der A 1 etwa – das weiß Marzahn sehr genau, weil er zur Zeit ihrer Sanierung noch im Landesbetrieb Straßenbau NRW tätig war – hatte man seinerzeit für 34.000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt. Heute rollen 120.000, das heißt, viermal so viele

Fahrzeuge über das Bauwerk, und der Schwerlastanteil beträgt zwölf Prozent. Die Spannbetonbrücke war für solche Belastungen nicht annähernd ausgelegt und viel zu dünn bemessen, ihr Kollaps folglich nur eine Frage der Zeit; zumal man das für einen vierstreifigen Betrieb ausgelegte Bauwerk seit 1986 sechsstreifig betrieben hatte.

Brückenbau beschleunigen? Nur mit mehr Personal! – Dr.-Ing. Rainer Grzeschkowitz (rechts) berichtete über die Schwierigkei- ten der Ingenieurbüros, geeigneten Nach- wuchs zu finden. Links Dr.-Ing. Gero Mar- zahn. | Foto: bi
Brückenbau beschleunigen? Nur mit mehr Personal! – Dr.-Ing. Rainer Grzeschkowitz (rechts) berichtete über die Schwierigkei- ten der Ingenieurbüros, geeigneten Nach- wuchs zu finden. Links Dr.-Ing. Gero Mar- zahn. | Foto: bi
„Wir sind gefordert, unseren Bestand besser zu pflegen, d.h. zu ertüchtigen, fit zu machen für die Zukunft“, war daher Marzahns Botschaft. Probleme erwachsen dabei nicht nur aus dem Alter der Bauwerke, sondern ganz deutlich auch aus der Tatsache, dass sie nicht mehr wie seinerzeit „auf der grünen Wiese“, sondern „unter laufendem Rad“ gebaut werden müssen. Ein Vorgehen, das der ADAC übrigens ausdrücklich begrüßt, damit die Verkehrsströme möglichst wenig gestört werden. In den meisten Fällen müsse jedoch unter fließendem Verkehr saniert oder neu gebaut werden, und zwar wegen der großen Auswirkungen auf die überregionalen Verkehrsströme keinesfalls punktuell, sondern möglichst streckenweise, sagte Marzahn mit Blick auf die große Deutschlandkarte. Dort sind sämtliche „Sorgenkinder“ des Bundes eingetragen, die sich auffällig wie an einer Perlenschnur entlang alter Autobahnen wie A1, A7 oder A45 aufreihen. „Wir können nicht einzelne Brücken herauspicken, wir müssen uns über Strecken und Korridore Gedanken machen“, sagte Marzahn. Sie müssten gezielt angegangen werden, während der Verkehr über die Ausweichstrecken laufe. Dort dürften dann in dieser Zeit keine Baumaßnahmen ablaufen.

Eine derartige Koordination wünscht sich auch Dr.-Ing. Rainer Grzeschkowitz vom Hamburger Ingenieurbüro WK Consult. Er vermisst eine konstante, planbare Auftragslage bei Ingenieurbüros und Baufirmen: Wie viele Mitarbeiter brauche ich? Lohnen sich Anschaffungen? „Es ist schwierig, ohne langfristige Vorschau das zum notwendigen Termin bereitzustellende, qualifizierte Personal bzw. die optimale Gerätschaft vorzuhalten“, so Grzeschkowitz. Dr.-Ing. Stefan Klotz wandte ein, dass in Lübeck und vielen anderen Städten diese Planbarkeit durchaus gegeben sei, aber die Verlässlichkeit in der Finanzierung fehle.

Zur Planbarkeit gehört für die Ingenieurbüros aber auch, überhaupt geeignete Mitarbeiter zu finden, und das bereitet ihnen größere Probleme denn je. Hier wirkt sicher noch die Baukrise der Jahre 1995 bis 2005 nach, als Hunderttausende Arbeitskräfte freigesetzt wurden. Trotz des zwischenzeitlichen Anstiegs bei den Studierendenzahlen, aktuell sind es zwischen 11.000 und 12.000, fehlen Experten zufolge in Deutschland noch immer etwa 7.000 Ingenieure. Bauingenieurnachwuchs sei, so Grzeschkowitz, immer schwerer zu bekommen, und sein schleswig-holsteinischer Kollege Dirk Vielhaben (Böger + Jäckle, Henstedt-Ulzburg) pflichtete ihm mit Blick auf die ganze Zunft bei: „Der Markt ist derzeit leergefegt. Wir klauen uns gegenseitig die Ingenieure.“

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Grzeschkowitz rief daher seine Kollegen in anderen Büros dazu auf, mehr Werbung für ihren Beruf zu machen und der Gesellschaft ein positives Bild dieser Tätigkeit zu vermitteln, damit die anstehenden, mittel- und langfristigen Aufgaben auch personell zu bewältigen seien. „Fachlichkeit tut not – ganz besonders in den Verwaltungen. Der Abbau ist spürbar. Es ist dringend nötig, dass wir wieder Fachkräfte bekommen“, bestätigte Dr.-Ing. Stefan Klotz.

Dr. Stefan Klotz wirbt bei den Bürgern um Akzeptanz für not- wendige Straßenbaumaßnahmen. Sie sei zum großen Teil auch eine Frage der Kommunikation, sagte er.
Dr. Stefan Klotz wirbt bei den Bürgern um Akzeptanz für not- wendige Straßenbaumaßnahmen. Sie sei zum großen Teil auch eine Frage der Kommunikation, sagte er.
Wie sollen aber nun mehr Bauprojekte abgewickelt werden, wenn dafür das Personal – sowohl in den Ingenieurbüros als auch bei den Baufirmen – fehlt? Doppelt so viele Projekte würden auch doppelt so viel Personal erfordern, mahnte Ingenieur Vielhaben. Über weitere Möglichkeiten, den Bau von Brücken zu beschleunigen, um den Sanierungsstau schneller abarbeiten zu können, gingen die Meinungen auseinander. Möglich seien zum Beispiel die Verkürzung der Bauzeit durch eine stringente Bauzeitkontrolle, das Einplanen von Nacht- und Wochenendarbeit schon in den Ausschreibungen und die Förderung von Winterbaumaßnahmen, meinte Dr.-Ing. Stefan Klotz. Dr.-Ing. Gero Marzahn nannte den Einsatz von Fertigteilen oder – auf vertraglicher Seite – Bonus-Malus-Regelungen als Möglichkeiten zur Bauzeitverkürzung. Schon jetzt verlange seine Behörde außerdem detaillierte Bauzeitenberechnungen in den Angeboten.

ADAC-Verkehrsvorstand Hans-Jürgen Feldhusen riet, lange Rechtsstreitigkeiten bei der Planung bis zur Baureife abzustellen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, sei, für den Klageweg nur noch eine Rechtsinstanz, das Bundesverwaltungsgericht, zuzulassen. „Das wäre ein Weg, die Verfahren zu verkürzen und Erneuerungen zu beschleunigen“, so Feldhusen. Vieles an Widerstand könne aber schon im Vorfeld von Baumaßnahmen vermieden werden, sagte Stefan Klotz. Akzeptanz bei den Bürgern als den Nutzern der Verkehrsinfrastruktur sei in vielen Fällen aber auch eine Frage der Kommunikation. Er habe in Lübeck die Erfahrung gemacht, dass die Bürger dabei oft viel weiter seien als in der politischen Diskussion vielfach beklagt werde.

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