Klimaschutz und nachhaltiges Bauen mit Pflanzenkohle
Pflanzenkohle hat sich als wirkungsvoller Bodenhilfsstoff in Landwirtschaft und Stadtgrün sowie als Zuschlagstoff in einer Vielzahl von Produkten bereits bewährt. Ihre Eigenschaft als Kohlenstoff-Senke wurde beim German Biochar Forum 2023 in Berlin in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Im Exklusiv-Interview mit Sonja Bauer von der Redaktion B_I galabau nimmt Benedikt Zimmermann, 1. Vorsitzender von German Biochar, Stellung zum State-of-the-Art.
Der gemeinnützige Verein German Biochar vertritt 126 Unternehmen, acht Forschungseinrichtungen sowie zahlreiche Akteure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Beim German Biochar Forum trafen sich im November 2023 über 190 Experten und Interessierte, um dem Klimaschutz und dem neuen Industriezweig „Biochar Carbon Removal (BCR) – made in Germany“ den Weg zu ebnen. Als Vorsitzender von German Biochar, dem ehemaligen Fachverband Pflanzenkohle, informiert Benedikt Zimmermann aus erster Hand über Klimaschutz und nachhaltiges Bauen mit Pflanzenkohle.
B_I galabau: Herr Zimmermann, was hat Pflanzenkohle (Biochar) mit Klimaschutz zu tun?
Benedikt Zimmermann: Pflanzen entnehmen der Luft Kohlendioxid (CO2) und machen daraus Biomasse. Im natürlichen Kohlenstoff-Kreislauf wird diese Biomasse von Menschen, Tieren und Mikroorganismen wieder in CO2 umgewandelt, zum Beispiel durch Essen, Verbrennen oder Verrotten. Durch Pyrolyse machen wir aus Biomasse einen Teil Energie und einen Teil chemisch stabile Pflanzenkohle. Wenn wir diese Pflanzenkohle in Boden, Gewässer oder in langlebige Produkte einbringen, haben wir der Atmosphäre CO2 entzogen. Deshalb gilt Bioenergie-Nutzung mit CO2-Abscheidung als Negative Treibhausgas-Emission. Pflanzenkohle ist die Negativ-Emissionstechnologie, die die meisten positiven Nebeneffekte bringt. Folglich ist sie auch die günstigste Art, CO2 technisch aus der Luft zu holen.“
Inwiefern belebt Pflanzenkohle den Markt nachhaltiger Baustoffe?
Mit dem Zusatz von Pflanzenkohle im Beton können Restemissionen durch CO2-Entnahme neutralisiert werden. Einige Studien zeigen auch verbesserte technische Eigenschaften, wenn Pflanzenkohle als Betonzusatz genutzt wird. Die Pflanzenkohle wird im Gegenzug vor Verbrennung geschützt und auch wenn der Beton recycelt wird, bleibt Pflanzenkohle darin erhalten. Man spricht hier von Insetting. Im Vergleich zum Offsetting, also dem Einkauf eines Zertifikats aus einem völlig fremden Prozess, wird die CO2-Senke beim Insetting dort geschaffen, wo die Emission verursacht wurde. Das Insetting von Emissionen durch Pflanzenkohle ist auch in anderen Baumaterialien möglich, beispielsweise Mörteln, Asphalt oder in langlebigen Kunststoffprodukten, wie Wasserrohren.
Wie kann die Politik die Potenziale der Kohlenstoff-Senke Pflanzenkohle zur Umsetzung der Klimaziele nutzen?
Zimmermann: Wenn die Politik von Klimaneutralität 2035, 2045 oder 2050 spricht, ist damit normalerweise eine bilanzielle CO2-Neutralität oder Treibhausgas-Neutralität gemeint. Das heißt, es gibt immer noch CO2-Emissionen bzw. Treibhausgas-Emissionen, aber diese werden durch negative Emissionen, also Kohlenstoff-Senken, kompensiert. Um das zu erreichen, müssen wir schnell und massiv fossile Emissionen zurückfahren und gleichzeitig Senken schaffen. Wenn wir die Pariser Klimaziele von 1,5°C oder 2°C bis zum Jahr 2100 erreichen wollen, müssen wir ab 2050 dann sogar mehr Treibhausgase aus der Luft holen, als wir zu diesem Zeitpunkt noch ausstoßen. In den Szenarien des Weltklimarats werden wir die Erderhitzungs-Grenzlinie von 1,5°C zeitweise überschreiten und nur durch Entzug der Treibhausgase aus der Atmosphäre in großem Stil kommen wir zum Ende des Jahrhunderts zurück auf ein erträgliches Niveau.
Wie muss der politische und wirtschaftliche Rahmen gestaltet sein, damit Pflanzenkohle-Zertifikate an Bedeutung gewinnen?
Zimmermann: Aktuell berücksichtigt der Gesetzgeber Pflanzenkohle so gut wie gar nicht. Dennoch wächst die Branche dank privater Kohlenstoff-Senken-Zertifikate kräftig. Zunächst einmal muss eine faire Förderung für Anlagenbauer eingerichtet werden. Pyrolyse-Kraftwerke, die neben Energie auch Pflanzenkohle erzeugen, sollen mindestens so gefördert werden, wie jedes andere Biomasse-Kraftwerk auch und unsinnige Hemmnisse, wie das Anwendungsverbot von recyclierten Nährstoffen aus der Klärschlamm-Pyrolyse müssen sofort zurückgenommen werden. Wenn man weiter geht, sollte die Politik jenen Bioenergie-Anlagen Vorrang geben, die Negative Emissionen erzeugen. Bioenergie ohne Kohlenstoff-Senke ist auf Dauer eine vergebene Chance fürs Klima und Biomasse nun einmal ein begrenzter Rohstoff.
Als nächstes geht es um die Zertifikate: Es ist politisch noch nicht klar, ob Pflanzenkohle als technische Kohlenstoff-Senke in der europäischen Rahmengesetzgebung überhaupt berücksichtigt wird. Die Politik konzentriert sich bisher vor allem auf die Verpressung von verflüssigtem CO2. Kohlenstoff in fester Form wird ignoriert. Hier wünschen wir uns ein schnelles Umdenken bei den Verantwortlichen, bevor starre Definitionen Klimaschutz verhindern.
Für die Anwendung im Bau und das Thema Insetting allgemein muss es klare Regeln geben, wie Emissionen und Negative Emissionen verrechnet werden. Gleichzeitig warne ich davor, dass wir einfach CO2-Emissionen und Negativ-Emissionen eins zu eins verrechnen. Das führt zu fatalen Fehlanreizen. CO2-Vermeidung, zumindest auf dem jetzigen Emissions-Level ist wesentlich billiger als negative Emissionen und das ist gut so, denn die Emissionen müssen massiv runter. Gleichzeitig müssen alle Negativ-Emissionstechnologien sehr schnell wachsen und dafür braucht die Branche Geld. Im ETS geht es darum, möglichst günstig CO2-Zertifikate zu bekommen, Vermeidung ist dank erneuerbarer Energie heute ein Selbstläufer. Wenn wir Negativ-Emissionen in diesen volatilen Markt werfen, verhungert die ganze Senken-Branche. Die Politik muss aber jetzt die Wachstumsanreize setzen, damit wir 2050 genug negative Emissionen haben, um die verbliebenen Emissionen zu neutralisieren.
Das führt mich zum letzten Punkt, denn Pflanzenkohle wird nur dann zur Kohlenstoff-Senke, wenn sie nicht mehr verbrannt werden kann. Viele Pflanzenkohlen eigenen sich auch hervorragend als Brennstoff oder zur Reduktion von Erzen. Damit wird der Kohlenstoff aber wieder zu CO2. Der Einsatz von Pflanzenkohle in der Metallurgie ist eine Möglichkeit, Metall klimaneutral herzustellen, aber damit entsteht keine Senke mehr. Als Pflanzenkohle-Hersteller kann man sich nun überlegen was attraktiver ist: Stoffliche Nutzung mit Senken-Zertifikat oder Verbrennen ohne Senke?
Das heißt, wenn die Politik will, dass der Senken-Pfad beschritten wird, dann muss sie möglicherweise auch die entsprechenden Anwendungen fördern. Insbesondere in der Landwirtschaft würden finanzielle Anreize Großes bewirken.
Wo gibt es noch Forschungsbedarf zum Thema Pflanzenkohle?
Zimmermann: Es gibt einen regelrechten Boom bei wissenschaftlichen Studien zum Thema Pflanzenkohle, in den letzten Jahren sind die Fachartikel in wissenschaftlichen Publikationen exponentiell gewachsen. Die Forschung konzentriert sich aber mittlerweile sehr auf Detailfragen. Ich will nicht sagen, dass es gar keine offenen Punkte mehr gibt, aber das Thema ist bereits außergewöhnlich gut erforscht. Wichtig wäre jetzt, dass die Politik auf die neuesten Forschungsergebnisse hört. Viele politische Entscheider und Berater beziehen sich immer noch auf hoffnungslos veraltete Studien. Im Kontext der vielen Publikationen in jüngster Zeit, heißt das, dass eine Studie, die fünf oder sechs Jahre alt ist, bereits völlig überholt sein kann. Man muss auch beachten, dass eine Studie aus 2015 teilweise auf Daten zurückgreift, die vor 2010 erhoben wurden – damals war die Qualität der Pflanzenkohlen größtenteils nicht vergleichbar mit den Produkten, die wir heute haben. Ich habe von 2011 bis 2015 im Bereich Lithium-Akkus geforscht. Keiner würde heute mehr eine Akku-Studie als State-of-the-Art bezeichnen, die 2015 erschienen ist. Bei Pflanzenkohle ist der Fortschritt tatsächlich vergleichbar.
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Was nun wichtig wird, ist, dass die Pflanzenkohle-Branche mit Partnern in der Industrie Produkte erforscht und auf den Markt bringt, also klassische Innovation. In der Batterieforschung haben wir das damals auch beobachtet: Die Industrie hat irgendwann ein Tempo vorgelegt, bei dem die Forschung kaum mehr hinterherkam. Allein perfektionierte Produktionsmethoden haben mehr verbessert als man sich damals hat träumen lassen. So eine Entwicklung brauchen wir auch für Pflanzenkohle.
Vielen Dank, Herr Zimmermann, für dieses Statement, das die Kernaussagen des German Biochar Forums 2023 auf den Punkt bringt.
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