Stadtreinigung Hamburg zieht Zwischenbilanz
Bereits 2018 präsentierte die Brock Kehrtechnik GmbH die vollelektrische Großkehrmaschine des Typs VS6e auf der IFAT in München. Im Anschluss erfolgte eine Testphase in verschiedenen Städten und Kommunen. Seit Mai 2020 ist die Maschine in einem Langzeittest bei der Stadtreinigung Hamburg (SRH). Thomas Maas, Abteilungsleiter Technischer Service bei der SRH, kommentiert die Erfahrungen mit der VS6e im Vergleich zur konventionellen Dieseltechnik.
Die lange Testphase der vollelektrischen Großkehrmaschine des Typs VS6e von Brock Kehrtechnik bei der Stadtreinigung Hamburg (SRH) dient dazu, das Fahrzeug in dieser Zeit im Einschicht-Betrieb zu nutzen, wie ein konventionelles Dieselfahrzeug. Dabei wird beobachtet, ob das Elektro-Modell an die Leistungswerte der Dieselvariante heranreicht. Auch die benötigten Akku-Ladezeiten und die Einsatzfähigkeit der Maschine bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen sind Gegenstand des Testeinsatzes. Und schließlich geht es auch um die Erfahrungen, welche die Anwender:innen mit dem Fahrzeug machen.
Überzeugende Leistungsdaten
Eine erste Bilanz zog der SRH-Abteilungsleiter Technischer Service, Thomas Maas, im Sommer 2021. In seinem Bericht in den September-News des Verbandes Kommunale Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (VKS) stellte er der VS6e ein gutes Zeugnis aus und verglich zunächst die Maschinendaten mit dem Kehrmaschinenaufbau SL 200 K von Brock mit Dieselmotorantrieb auf Mercedes-Benz-Kehrmaschinen-Fahrgestell vom Typ Atego 1518. Von dieser Dieselvariante setzt die SRH aktuell 45 Stück verschiedener Baujahre ein.
Antrieb und Nebenaggregate der Elektro-Maschine werden von einem ausreichend dimensionierten Akkupack mit Energie versorgt. Bei komplett leerem Akku und einer Ladeleistung von 22 kW dauerte das Aufladen bei ca. 160 kWh Netto-Akku-Kapazität etwa acht Stunden. „Die SRH hat stets eine komplette Schicht, also ca. sieben bis acht Stunden unter „normalen“ Rahmenbedingungen mit der Maschine arbeiten können. In der aktuellen Laubzeit reicht die Akku-Kapazität aufgrund der hohen Leistungsanforderung nicht mehr ganz für eine Schichtlänge, ein kurzes Zwischenladen (ca. 30 Minuten) ist erforderlich geworden.“, berichtet Thomas Maas. Ebenso wie die saisonalen Leistungsanforderungs-Unterschiede haben auch unterschiedliche Witterungsbedingungen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Maschine. „Wenn es kalt ist, sinkt die Akku-Kapazität noch immer erheblich. Dennoch ist unter unseren Rahmenbedingungen auch dann noch eine komplette Schichtlänge möglich.“, erläutert Maas. Das Laden des Akkus erfolgt seinen Aussagen zufolge etwas „rückständig" über einen 400-V/32-A-Stecker-Anschluss. „Hier gibt es aktuell sicher die Möglichkeit, auf die derzeit üblichen AC-Varianten mit Mennekes-Typ-2-Stecker bis 22 kW oder auch auf DC-CCS Ladestations-Varianten mit bis zu 150 kW Ladeleistung auszuweichen.“, meint der SRH-Abteilungsleiter Technischer Service mit Blick auf Optimierungsmöglichkeiten. Ansonsten gäbe es mit der neuen Technik zunächst einmal keine Einbußen in der Leistungsfähigkeit. Thomas Maas bestätigte auch, dass die in drei Stufen schaltbare Turbinen-/Saugleistung mindestens der Leistung der Dieselmaschinen entspricht.
Fahrzeug arbeitet effektiv und leise
„Natürlich kann dieser Unterdruck erzeugende Turbinenbetrieb nicht vollkommen ohne Arbeitsgeräusche vonstattengehen, dieses aber in Abhängigkeit der gewählten Turbinenleistungsstufe (1-3) mit für den Fahrer um 8 bis 6 dB(A) reduziertem Schallpegel am Ohr. Auch die Umgebung der Maschine profitiert vom elektrischen Aufbau-Antrieb, hier reduzieren sich die Schallpegel, abhängig von der Stufe, um 2 bis 7 dB(A). Dies bezogen auf den Haupteinsatzbereich des Kehrens bzw. Arbeitens. Im reinen Fahrbetrieb durch die Stadt liegen die Schallpegel-Reduzierungen bei 7 dB(A) für den Fahrer und bis zu 20 dB(A) für die Maschinen-Umgebung.“, führt Maas in seinem Bericht aus.
Weniger gestresste Fahrer:innen
Die leicht reduzierte zulässige Nutzlast (ca. 350 kg) der Maschine im Vergleich zum Dieselmodell mache sich für die Fahrer:innen im Regel-Alltag kaum bemerkbar. „Was sich aber subjektiv bei allen unseren Mitarbeitenden, die bislang an dem Test teilgenommen haben, bemerkbar gemacht hat, ist die wesentlich geringere körperliche Belastung in der Schicht mit der Elektro-Maschine. Das geringe Geräuschniveau in Verbindung mit den völlig fehlenden Vibrationen der Elektro-Maschine hat bei allen zu einem wesentlich verbessertem Wohlbefinden nach dem Dienst gesorgt, sodass alle Fahrer:innen über deutlich weniger Erholungsbedarf berichtet haben. Das Fehlen des Verbrennungsmotors ist hier als ein großer gesundheitsfördernder Baustein für das eingesetzte Personal zu bewerten.“, berichtet Thomas Maas. Nicht zuletzt senke der Einsatz eines solchen Fahrzeuges auch die Immissionen einer Stadt und komme somit gleichwohl auch den Hamburger:innen zugute.
Werden die Anforderungen der SRH erfüllt?
Die hohe Leistungsfähigkeit der vollelektrischen Kehrmaschine und die gesundheitliche Entlastung der Mitarbeiter:innen seien ebenso positive Kriterien wie der immer wichtiger werdende Klimaschutz-Effekt: Im Einschicht-Betrieb werden ca. 11.500 l Diesel oder entsprechend ca. 30.000 kg CO2 bei der Nutzung dieser alternativen Antriebstechnik eingespart. Doch aktuell reiche, laut Maas, die Energiemenge der Maschine bzw. des Akkus noch nicht, um problemlos einen Zweischicht-Betrieb zu realisieren (Energiebedarf pro Schicht ca. 100 kWh im Durchschnitt). Da die meisten Kehrmaschinen der SRH im Zweischicht-Einsatz genutzt werden, sei hier entweder eine Erhöhung der Akku-Kapazität bei nicht zu vergrößerndem Einbauraum und keiner Erhöhung des Leergewichtes umzusetzen, oder es müsse zwischen den beiden Schichten eine Zwischenladung mit hoher Ladeleistung erfolgen. Aktuell kümmert sich nach Aussagen von Thomas Maas die SRH um beide Thematiken als nächsten Schritt in der Entwicklung bzw. Umsetzung einer weiter effizienten und maximal ausgelasteten Nutzung dieser neuen Antriebstechnik. Ein damit in Verbindung stehender sehr enger Dialog mit der betrieblichen Leitung in Bezug auf Schichtmodelle bzw. Arbeitsorganisation sei hier dringend erforderlich. Eine Anpassung der betrieblichen Anforderungen an die neue Technik werde in Maßen angestrebt, ohne Minderung der effizienten Leistungs-Erbringung des Betriebes und unter Berücksichtigung der Mitarbeiter:innen-Belange.
Kostensituation ruft nach Förderprogrammen
Da die Investitionskosten der rein batterieelektrischen Variante fast dreimal höher ausfallen als beim Diesel-Standard, gibt es auch hier ein Problem. Es handle sich um eine Kostensituation, die auch in der Nutzungsphase durch verringerte Energiekosten und gegebenenfalls geringere Betreuungs-/Wartungskosten nur zu einem kleinen Teil wieder ausgeglichen werden könne. Der Gesetzgeber sei aufgerufen, mit passenden Förderprogrammen ein Hochfahren der Produktionszahlen und über die erhöhten Stückzahlen eine zu erwartende Anpassung der Kosten nach unten zu bewirken.
Insgesamt beurteilt Thomas Maas die alternative Antriebstechnik positiv: „Die Technik scheint auf dem besten Weg zu sein, die Restaufgaben auf dem Weg zum Erfolg der Antriebsalternative liegen auch bei Arbeitsorganisation, Ladeinfrastruktur- und Anschaffungskosten-Problematik. Die SRH ist nach über zwölf Monaten Test so überzeugt von der Maschine, dass es mit der VS6e von Brock Kehrtechnik bei uns weitergeht.“ Das bedeutet, dass die Maschine weiter angemietet und der Langzeittest verlängert wird. Hier seien laut Maas auch die ggf. zu erwartenden technischen Problemstellungen zu überprüfen, die aufgrund der dann höheren Betriebsstundenzahl wahrscheinlicher werden sollten. Auch besondere Rahmenbedingungen sollen nochmals mit betrieblichen Lösungsmöglichkeiten ausprobiert werden können. Da die SRH in absehbarer Zeit ihren Fuhrpark elektrifizieren möchte, arbeitet sie mit den Herstellern intensiv an passenden Produkten. Ob sich hierbei auch eine Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lösung anbietet, soll mit bereits beauftragten zwei Testmaschinen, beginnend im Jahr 2022, bei der SRH erprobt werden.
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Innovative Technik soll einfach bedienbar sein
Brock Kehrtechnik ist im Moment dabei, zu optimieren und die Kehrmaschine VS6e noch leistungsfähiger zu gestalten. Der Hersteller will z.B. auch den Bedienkomfort noch weiter erhöhen, damit die Fahrer:innen das Nutzfahrzeug möglichst intuitiv bedienen können. Emissionsarme, aber gleichzeitig leistungsstarke Antriebskonzepte stehen bei dem Maschinenbauunternehmen aus dem Ruhrpott im Fokus.
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