Der Beitrag der BIL-Leitungsauskunft zur Infrastruktursicherheit in Deutschland

Eine hochentwickelte Gesellschaft glaubt naturgemäß, ihre Risiken abgeschafft zu haben. Versicherungen, Verkehrshinweise, Sozialsysteme, Gesetzgebung, letztendlich Vorgaben aller Art wägen uns in einem Korsett von Sicherheit des eigenen Handelns, welches kaum zu negativen Konsequenzen führen kann. Infrastruktur- und Leitungssicherheit ist dabei ein hohes Gut, auf dessen Funktionieren wir Tag für Tag angewiesen sind. Gerade die COVID-19-Krise macht uns deutlich, dass Digitalisierung zu einer volkswirtschaftlichen Pflichtaufgabe geworden ist.

Der Beitrag der BIL-Leitungsauskunft zur Infrastruktursicherheit in Deutschland
Bauarbeiter bei der Inspektion | Foto: iStock

Die Anzahl an Bauaktivitäten in Deutschland haben in den letzten Jahren rasant zugenommen und eine Abschwächung dieses Trends ist nicht in Sicht. Die Enge im Raum führt zunehmend zu Parallelverlegungen unterirdischer Infrastruktur und Bündelung von Trassen. Wenn sich der Preis der Risikovorsorge erst im Schadensmoment stellt, ist dies nicht nur zu spät, sondern im Falle der Anforderungen an die Energiewende und Digitalisierung fahrlässig.

Leitungsauskunft ist mehr als nur eine Auskunft

Der Gesamtprozess der Leitungsauskunft ist bei genauerer Betrachtung weitaus komplexer als der Wortsinn zunächst suggeriert. Der Kreis der Beteiligten lässt sich jedoch klar in zwei Teilgruppen zerlegen: in die Suchenden und die zu Findenden. Was sind ihre Aufgaben? Was sind ihre Herausforderungen? Dieses Verständnis hilft, den Prozess in Gänze zu verstehen und mögliche Verbesserungspotentiale durch Einsatz digitaler Lösungen zu heben.

1. Gruppe an Beteiligten: Der Netzbetreiber

Der Betreiber unterhält ein unterirdisches Leitungssystem, welches unsichtbar im Boden liegt und unterbrechungsfrei funktioniert, solange es keine externen Eingriffe gibt. Er ist per Rechtsprechung und Regelwerk dazu verpflichtet, unternehmenseigene Auskunft bzgl. seiner Leitungslagen zu geben, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt. Er hat somit die Pflicht, sich bemerkbar zu machen, wenn er angefragt wird. Wird er nicht angefragt, so ist er automatisch nicht in den Prozess der Leitungsauskunft involviert.

Die Ereignisstatistik des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) benennt seit 1920 die Korrosion und die mechanischen Fremdeinwirkungen als DIE beiden Hauptschadensursachen an der Infrastruktur ihrer Mitglieder. Angegeben wird ein Schadensanteil von über 60 % aufgrund mechanischer Fremdeinwirkung, zumeist von Baugeräten.

Diese Statistik lässt sich auch auf andere Sparten übertragen. Aus Sicht der Leitungsbetreiber sind die Bauanfrage und der Auskunftsprozess somit eine hochgradig sicherheitsrelevante Angelegenheit. Für den Leitungsbetrieb ist es einerseits essenziell, über alle Aktivitäten entlang seiner Leitungen und Trassen informiert zu sein. Andererseits sollte die Dokumentationsabteilung des Betreibers digitale Infrastrukturdaten kurzfristig bereitstellen können, damit diese (gemeinsam mit Daten anderer Betreiber) homogenisiert auf der Baustelle und den Baugeräten eingesetzt werden können.

2. Gruppe an Beteiligten: Der leitungssuchende Tiefbauer

Die Schadensbilanzen kolportieren gerne den Baggerfahrer als letztes Glied in der Kette der möglichen Schuldigen. Doch ungenügende Bauvorbereitung, bspw. durch unvollständige Unterlagen vor Ort bzgl. Leitungslagen, und Begleitung des Bauvorhabens sind nicht selten der Grund für das Schadensereignis.

Die Planung einer Baumaßnahme erfordert die frühzeitige Erkundigung der Umgebung nach Leitungslagen. Der Bautätige kann häufig nachweisen, tatsächlich eine Anfrage zur Leitungsauskunft gestellt zu haben. Diese hat den geschädigten Leitungsbetreiber jedoch nicht erreicht. Dies geschieht nicht selten aufgrund von Unwissenheit des Anfragenden über die Existenz des Betreibers. In der Vergangenheit galt das lokale Stadtwerk (mit eben auch diesem Namen) als zentraler Ansprechpartner, der seine Informationen auch an die benachbarten Betreiber weitergegeben hat. Die zwischenzeitlich zugenommene Anzahl von Betreibern, weiterer Medienträger und die vielfachen Konzessions- und Namensänderungen aller Branchen halten die etablierten Recherchedienste ordentlich auf Trab.

Diese Herausforderung an den Bauanfragenden, das Unsichtbare – die unterirdische Infrastruktur – sichtbar zu machen, ist somit mit einem enormen Rechercheaufwand verbunden ohne Gewährleistung, „alles Unterirdische“ vollständig identifiziert zu haben. Wie schön wäre da ein zentrales bundesweites und Sparten übergreifendes Bauanfrageportal für Deutschland mit dem alle Netzbetreiber verlässlich identifiziert und adressiert werden können.

Herausforderungen an die Beteiligten

In Deutschland zeigt sich, dass sich die föderale Struktur in der Gesetzgebung sowie die Vielzahl an Branchenverbänden äußerst schwertun, einen gesetzlichen Standard für die Leitungsauskunft zu schaffen. Ein Einigungsprozess setzt eine hohe Kompromissbereitschaft aller Beteiligten voraus, wenn es bspw. darum geht, sich auf einheitliche digitale Standards zur Datenbereitstellung und deren Austausch zu einigen.

Doch beinhaltet der Einigungsprozess gerade mal drei wesentliche Aspekte:

  • Das Verfahren sollte unter den bereits beschriebenen Eingangsvoraussetzungen durchführbar sein, auch wenn Systemvoraussetzungen der angefragten Betreiber unterschiedlich oder nicht vorhanden sind.
  • Die durchführende Organisation sollte branchenübergreifend akzeptiert sein und den rechtlichen Anforderungen und dem geltenden Regelwerk genügen (siehe nächster Absatz).
  • Die Attraktivität sollte zur Nutzung motivieren und möglichweise zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten drängen.

Pflichtenkreis des Tiefbauers

Die Beschädigungen von Leitungen stellen Eigentumsverletzungen im Sinne der §§ 823 ff. BGB dar.

Gemäß dieser Rechtsprechung hat der Tiefbauer stets vor Beginn jeglicher Tiefbauarbeiten – erfasst sind hierbei nicht nur Grabarbeiten, sondern jegliche Maßnahme mit größeren Auswirkungen auf die Beschaffenheit des Erdreichs, also beispielsweise auch das Befahren mit besonders schwerem Gerät oder Verdichtungen – eine Planauskunft einzuholen . Diese muss dort eingeholt werden, wo zuverlässige Unterlagen vorhanden sind, was nur beim Netzbetreiber selbst der Fall ist oder bei einem Dienstleister, welcher sich vertraglich dem Netzbetreiber gegenüber zur Erteilung von Auskünften verpflichtet hat.

Kostenlast für Auskünfte

Gemäß elementaren Rechtsgrundsätzen spricht alles für eine Verpflichtung des Netzbetreibers, mindestens einen Weg der Auskunftserteilung kostenlos anzubieten, wobei insoweit am praktikabelsten die Online-Planauskunft ist. Leitungs- und Kabelnetzbetreiber sind wie oben bereits erläutert als Betreiber von Leitungen als Gefahrenquellen dafür verantwortlich, dass von diesen keine Gefahren für Dritte ausgehen (Verkehrssicherungspflicht). Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen trägt die Kostenlast für Präventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit Verkehrssicherungspflichten stets der Pflichtenträger.

BIL als Best Practice als Grundlage für Regelwerke und Gesetze?

Gut vier Jahre nach Inbetriebnahme des BIL Portals sind aus den ursprünglich 17 über 100 Leitungs- und Netzbetreiber (siehe 1. Gruppe der Beteiligten) aller Sparten geworden, die ihre Leitungsauskunft über das BIL Portal abwickeln und eigene Ansätze zu Gunsten der Gemeinschaftslösung aufgegeben haben. Dabei ist eine vollständige Mitwirkung der Betreiber aus den Branchen Gashochdruck und Mineralöl zu verzeichnen. Als Rechtsform wurde die eingetragene Genossenschaft (eG) gewählt, denn als eG verfolgt BIL keine Gewinnerzielungsabsicht und die Betriebskosten des Portals werden in Abhängigkeit von der Leitungslänge oder Versorgungsgebietsgröße auf die teilnehmenden Unternehmen umgelegt.

Um eine hohe Akzeptanz zur Formulierung der Anfrage zu erreichen, hat BIL den Recherchedienst der ALIZ GmbH&Co.KG integriert, um dem Bautätigen optional zu gestatten mit der einmal formulierten Bauanfrage jeden bekannten Leitungsbetreiber in Deutschland zu erreichen.

Das eingesetzte Portal erzeugt durch die automatisierte vorgeschaltete Zuständigkeitsprüfung bei den mitwirkenden Betreibern eine Reduktion der tatsächlich zu bearbeitenden Bauanfragen von

10 % bis zu 80 % und kann zusätzlich erhebliche Effektivitätssteigerungen erzielen. Fast 50 % der Anfragen, in denen zuständige Netzbetreiber identifiziert wurden, konnten 2019 innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden. Die in BIL standardisierte und vollständige Erfassung der Anfragen und die Möglichkeit zur softwaregestützten Bearbeitung erlaubt in vielen Fällen sogar weitgehend unmittelbare Auskünfte: 14 % aller Anfragen wurden innerhalb von 15 Minuten beantwortet. Außerdem zeigt sich, dass die überwiegende Zahl der Anfragenden (50 %) relativ kurzfristig vor dem geplanten Ausführungsbeginn (eine Woche vorher) eine Auskunft einholen, was die Erwartungshaltung des Leitungssuchenden (2. und 3. Gruppe der Beteiligten) in Bezug auf die gewünschte Bearbeitungsdauer verdeutlicht. Jedoch ist bei komplexeren und langlaufenden Baumaßnahmen (z. B. Hochbau, Genehmigungsverfahren, Energieerzeugung) ein Trend zur langfristigeren Anfragestellung (durchschnittliche Vorlaufzeit: zw. 80 und 160 Tagen) sichtbar.

Die Digitalisierung und deren Möglichkeit zur Vereinfachung und Beschleunigung von Geschäftsprozessen mit hohem Kommunikationsbedarf ist hier keine Einzelaufgabe, sondern Chance und Verpflichtung zur Zusammenarbeit und kann nur gemeinschaftlich gelöst werden.

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