Zement auf dem Weg zur Klimaneutralität

Beton hat ein in der Öffentlichkeit schlechtes Image. Der für die Betonherstellung verwendete Zement belastet das Klima. Wäre die Zementindustrie ein Staat, läge sie bei den CO2-Emissionen an dritter Stelle, hinter China und den USA. Die Zementhersteller arbeiten aber schon länger an klimafreundlichen Lösungen und Möglichkeiten, die CO2-Emissionen bei der Zementherstellung zu senken.

Klimaneutrales Bauen: Beton und Zement auf dem Weg zur Klimaneutralität
Das Zementwerk Lägerdorf in Schleswig-Holstein: Hier wird das CO₂ aus der Klinkerproduktion zu nahezu komplett abgeschieden. | Foto: Holcim Deutschland GmbH

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Beton ist günstig, robust und es lässt sich in beinahe beliebige Form gießen und damit vielseitig einsetzen. Aufgrund dieser Vorzüge ist Beton nach Wasser die industriell zweitmeiste genutzte Substanz. Bei Beton handelt es sich eigentlich um ein recht einfaches Material: Er besteht aus Sand als wesentlichem Rohstoff, sowie aus eventuellen Zusätzen wie Kies, Wasser und dem Bindemittel Zement. Letzteres basiert in der Regel auf gebranntem Kalk. Allerdings drückt Beton aufs Klima – genauer gesagt dessen Bestandteil Zement sowie die zur Produktion notwendige Energie. Die Zementherstellung ist, je nach Rechenweg und einbezogenen Produktionsprozessen, verantwortlich für etwa 8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Wäre die Zementindustrie ein Staat, läge sie bei den CO2-Emissionen an dritter Stelle, hinter China und den USA.

Hersteller

Zementproduktion pro Jahr

LafargeHolcim (Schweiz)

287 Mio. t

HeidelbergCement (Deutschland)

184 Mio. t

Cemex (Mexico)

92 Mio. t

(Quelle: The Global Cement Report, 14. Auflage 2021/VDZ)

Um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, müssten die jährlichen Treibhausgasemissionen in den nächsten zehn Jahren um mindestens 16 Prozent sinken. Ohne einen Beitrag der Zementindustrie ist das kaum zu schaffen. Allerdings war die Zementindustrie in Deutschland in den letzten Jahren nicht untätig: Seit 1990 hat sie die CO2-Emissionen um 20 bis 25 Prozent reduzieren können.

Weltweit werden derzeit rund vier Milliarden Tonnen Zement pro Jahr hergestellt. Dabei entstehen 2,8 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, also acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Auffallend ist die globale Verteilung des Zementverbrauchs: Während in Asien und in den arabischen Ländern der Pro-Kopf-Verbrauch 2.000 Kilogramm beträgt, liegt er in Deutschland beispielsweise bei etwa 350 Kilogramm.

Entwicklung der Zementherstellung in ausgewählten Ländern in den Jahren 2008 bis 2014

Land

2008

2014

China

1.388 Mio. t

2.465 Mio. t

Indien

185 Mio. t

280 Mio. t

USA

86 Mio. t

83 Mio. t

Russland

53 Mio. t

68 Mio. t

Deutschland

33 Mio. t

32 Mio. t

(Quelle: VDZ)

Energie einsparen oder Klinker ersetzen

Um Zement herzustellen wird Kalkstein auf bis zu 1.400 Grad erhitzt und zu Klinker gebrannt, aus dem schließlich Zement hergestellt werden kann. Dabei werden prozessbedingt hohe CO2-Mengen freigesetzt. Die Erzeugung der großen Hitze verursacht noch einmal rund ein Drittel der bei der Zementherstellung insgesamt anfallenden CO2-Emissionen.

Bereits seit längerem sucht die Zementindustrie nach Wegen und Möglichkeiten, die CO2-Emissionen bei der Zementherstellung zu senken. Dabei gibt es zwei Wege:

  1. Durch Nutzung alternativer Brennstoffe (z.B. Autoreifen, Biomasse) und eine höhere Energieeffizienz in den Produktionsprozessen.
  2. Durch Reduzierung des Klinkeranteils am Zement. Aktuell beträgt er rund 70 Prozent, eine Reduzierung auf 50 Prozent ist laut HeidelbergCement denkbar. Aus Nebenprodukten anderer Industrien, wie Schlacke aus der Stahlproduktion oder Flugasche aus Kohlefeuerungen lassen sich mit deutlich geringeren Emissionen zementähnliche Materialien herstellen.
Grundstoff für die Zementherstellung: Aus Kalkstein gebrannter Klinker. | Foto: HeidelbergCement
Grundstoff für die Zementherstellung: Aus Kalkstein gebrannter Klinker. | Foto: HeidelbergCement

Aus CO2 wird Kraftstoff und Plastik

Der Zementhersteller Lafarge plant, abgeschiedenes Kohlendioxid aus der Zementherstellung zukünftig als Rohstoff für die Fertigung von Kunststoffen, Olefinen und Kraftstoffen zu verwenden. Ein neues Projekt von österreichischen Industrieunternehmen – das Project Carbon-2-Product-Austria (C2PAT) – will diese Idee bis zum Jahr 2030 im großindustriellen Maßstab umsetzen. Mit Hilfe von Wasserstoff will der Kraftstoffhersteller OMV das abgeschiedene CO2 zu Kohlenwasserstoffen verarbeiten, die im weiteren Produktionsprozess für die Herstellung von Kraftstoffen sowie für die Produktion hochwertiger Kunststoffe genutzt werden kann. So soll ein nahezu vollständiger Kreislauf entstehen. „CO2 ist nicht nur ein Treibhausgas, das wir reduzieren müssen, es ist auch ein wertvoller Rohstoff, aus dem wir synthetische Kraftstoffe und Ausgangsstoffe für die chemische Industrie herstellen können“, sagt OMV-Vorstandsvorsitzender Rainer Seele. Und Lafarge-Chef José Antonio Primo ergänzt: „Schlussendlich ist eine CO2-neutrale Zementproduktion nur unter Anwendung bahnbrechender Technologien, wie die Kohlenstoffabscheidung möglich, weshalb wir große Hoffnungen in das C2PAT Projekt setzen.“ Mit der neuen Technologie ließe sich der jährliche Ausstoß von 700.000 Tonnen CO2 im Lafarge-Zementwerk Mannersdorf zu fast hundert Prozent nutzen.

Pionierprojekt: Zementwerk Lägerdorf

Mit Allianzen aus den Bereichen Grüne Energie, Wasserstoffproduktion, Wärme, Grundstoffindustrie und Mobilität will auch Holcim seinen CO2-Abdruck verringern. Mit der 2019 in Schleswig-Holstein gebildeten branchenübergreifenden Partnerschaft „Westküste100“ wird das Ziel verfolgt, aus Offshore-Windenergie grünen Wasserstoff zu produzieren. Im Zementwerk Lägerdorf im Kreis Steinburg soll der bei der grünen Wasserstoffproduktion entstehende überschüssige Sauerstoff (O2) künftig im Zementwerk in den Verbrennungsprozess eingespeist werden. Dabei werden nahezu 100 Prozent der CO2-Emissionen bei der Zementherstellung abgeschieden. Das Abgas wird anschließend weiter zu einem hochreinen CO2-Gas als Ausgangsstoff für die chemische Industrie aufbereitet und als Rohstoff für andere Industrien eingesetzt. Aus dem abgeschiedenen Kohlendioxid und grünem Wasserstoff aus Windenergie könnte schließlich Methanol erzeugt werden, aus dem wiederum grüner Kraftstoff wie Kerosin oder Olefine für die Kunststoffindustrie entstehen sollen. Fachleute sprechen hier von Carbon Capture and Usage (CCU).

Klimaneutrales Zementwerk in Schweden geplant

In Großbritannien hat eine Tochtergesellschaft von HeidelbergCement erfolgreich ein komplett klimaneutrales Brennstoffgemisch eingesetzt. Damit könnten in der Produktionsanlage in Ribblesdale jährlich bis zu 180.000 Tonnen CO2 vermieden werden. Bei dem Versuch wurde in einem Brennofen Wasserstoff sowie Biomassebestandteile und Glyzerin eingesetzt. Ein klimaneutrales Zementwerk wird HeidelbergCement auf der schwedischen Insel Gotland errichten. Neben der Verwendung von Biomasse als Brennstoff soll die Dekarbonisierung des Werkes durch die komplette Abscheidung des Kohlendioxids bis 2030 erfolgen. Die jährlich anfallenden 1,8 Millionen Tonnen CO2 sollen sicher zu einer dauerhaften Lagerstätte in mehreren Kilometer Tiefe im Grundgestein unter dem Meer gelagert werden - ein Beispiel für Carbon Capture and Storage (CCS).

Abwärme aus der Zementproduktion erwärmt in einem Wärmetauscher Wasser, das
zur Stromerzeugung dient. | Foto: Cemex
Abwärme aus der Zementproduktion erwärmt in einem Wärmetauscher Wasser, das zur Stromerzeugung dient. | Foto: Cemex

Strom aus Abwärme für Zementproduktion nutzen

Der Zementhersteller Cemex verfolgt das ehrgeizige Ziel, seine CO2-Emissionen EU-weit bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Dass es bei dem Bemühen um CO2-Reduzierung nicht ohne Allianzen geht, zeigt auch das Beispiel des Cemex-Standortes Rüdersdorf. Um einen Teil der Abwärme der Klinkerkühlgase für die Stromerzeugung zu nutzen, wird in der Rohrleitung hinter dem Filter des Klinkerkühlers ein Wärmetauscher installiert. Dieser erwärmt Wasser, das zu sechs Modulen zur Stromerzeugung geführt wird. Der CO2-freie Strom wird für den Eigenbedarf ins werkseigene System eingespeist und deckt künftig einen Teil des Eigenbedarfs des Standorts ab.

Beton konstruktiv einsparen

Neben dem Bemühen, CO2-Emissionen zu reduzieren oder zu neutralisieren, gibt es die Möglichkeit, im konstruktiven Bereich Ressourcen und CO2 einzusparen. Experten verweisen darauf, dass beispielsweise mit vorgespannten Flach- oder Hohldecken der Materialeinsatz optimiert und um bis zu 50 Prozent weniger Stahl und Beton eingespart werden kann. Gefordert wird auch seit längerem, beim Rückbau eines Gebäudes einzelne Bestandteile für neue Bauten zu verwenden, statt als Beton-Bauschutt zu deponieren oder als Unterbau im Straßenbau zu verwenden. Auch das würde Ressourcen sparen. Erfolgreich erprobt ist ein in der Schweiz entwickeltes Verfahren, bei dem Beton mit flüssigem CO2 geflutet und so dauerhaft im Beton eingeschlossen wird (siehe B_I baumagazin 5+6/2021, Seite 81f.).

Wie lässt sich CO2 nutzen oder speichern?

Zu Problemen der CO2-Einsparung bei der Zementherstellung fragten wir beim Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) nach. Der VDZ ist sicher: Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die CO2-Abscheidung unerlässlich.

B_I: Gibt es zum Bindemittel Zement Alternativen (z.B. Harze o.ä.)?

VDZ: Derzeit existiert kein durchgängiges Bindemittelkonzept, um Portlandzementklinker oder Zemente großflächig zu ersetzen. Alle uns bislang bekannten neuen Technologien und Weiterentwicklungen bestehender Konzepte dürften Portlandzementklinker bis 2050 nur in geringem Umfang substituieren, schätzungsweise in einer Größenordnung von bis zu 5 Prozent. Dies wären dann allenfalls Nischenprodukte im Bereich der Bauchemie oder mit regionaler Bedeutung wie etwa Schnell-/Reparaturzemente.

B_I Gibt es Alternativen zu den hohen Temperaturen bei der Klinkerherstellung? Es soll Versuche mit Elektrolyse geben.

VDZ: Die Klinkerherstellung erfordert zur Bildung der Klinkermineralien eine Temperatur von 1.450 Grad Celsius und angesichts des Materialstroms eine sehr effiziente Wärmeübertragung, die über die Flamme im Drehrohrofen erreicht wird. Technologien zur Elektrifizierung der Wärmeübertragung werden seit Langem erforscht. Weiterhin offen ist vor allem, ob Plasmatechnologien oder Materialien für eine indirekte elektrische Wärmeübertragung effizient und beständig genug sind, um das Klinkerbrennen zu ermöglichen.

Aus heutiger Sicht scheint auch der Einsatz von Wasserstoff (H2), der über eine Elektrolyse aus Strom erzeugt werden kann, für eine indirekte Elektrifizierung geeignet. Dies könnte den (derzeit bei etwa 70 Prozent liegenden) Anteil alternativer Brennstoffe an der insgesamt genutzten thermischen Energie weiter erhöhen. Die Kombination von Alternativbrennstoffen und H2 dürfte - wie in der CO2-Roadmap des VDZ dargestellt – mittelfristig den nachhaltigen Einsatz von Biomasse aus Abfällen weiter steigern und fossile Primärbrennstoffe wie Kohle bei der Klinkerherstellung ganz einsparen. Allerdings erfordert die Herstellung des Wasserstoffs viel CO2-freie elektrische Energie. Diese, oder eben der dafür nötige Wasserstoff, müssen verfügbar und auch in industriellem Maßstab wirtschaftlich einsetzbar sein.

B_I: Das bei der Dekarbonisierung anfallende CO2 (Carbon Capture) kann entweder gespeichert oder verwertet werden. Da die Speicherung umstritten ist: Welche Möglichkeiten der Verwertung sind jetzt oder zukünftig denkbar?

VDZ: Der VDZ setzt sich mit einem Positionspapier für die Entwicklung einer umfassenden CO2-Strategie für Deutschland ein. Dies umfasst auch einen nötigen gesellschaftlichen Dialog zu Klimaschutztechnologien wie die Abscheidung von CO2 im Zementwerk und dessen Nutzung bzw. Speicherung („Carbon Capture and Utilisation/Storage“ – CCUS). In Nordrhein-Westfalen hat das Wirtschaftsministerium im Oktober eine Carbon-Management-Strategie veröffentlicht, die beide Technologiepfade anspricht. Die CO2-Abscheidung ist bei der Zementherstellung wegen des hauptsächlich aus dem Rohstoff entstehenden Kohlenstoffdioxids auf dem Weg zur Klimaneutralität unerlässlich. Dieser prozessbedingte Anteil macht zwei Drittel des im Zementwerk entstehenden CO2 aus.

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Bei der Nutzung sind besonders die chemische Industrie und ihr Bedarf an Kohlenstoff für die Produktion von Grundstoffen von Bedeutung. In seiner CO2-Roadmap zur Klimaneutralität hat der VDZ die technologische Reife einzelner Prozesse zur CO2-Nutzung dargestellt, entsprechend den Verlautbarungen der chemischen Industrie. Erforscht wird auch eine Nutzung von CO2 aus Industrieprozessen für synthetische Kraftstoffe (reFuels) – überall dort, wo eine Elektrifizierung im Verkehrssektor heute schwer möglich erscheint, z.B. beim Flugverkehr. Beim Einsatz von CO2 für neue Kraftstoffe im Bereich Mobilität scheint eine hohe Wertschöpfung für erste Projekte zur CO2-Abscheidung und -Nutzung (CCU) möglich. Innerhalb der Wertschöpfungskette Zement, Beton, Bau ist eine CO2-Nutzung in begrenztem Umfang bei der Herstellung von Betonprodukten sowie beim Recycling von Beton und dessen Aufbereitung für eine neue Nutzung möglich. Dies ist Gegenstand laufender Forschungsprojekte und technologischer Entwicklungen zur zusätzlichen Bindung von CO2 an Produkte aus Zement.


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