VK Nordbayern: Bieter muss keine Referenz-Bescheinigungen von Dritten vorlegen
Bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen kann der öffentliche Auftraggeber zur Prüfung der Leistungsfähigkeit die Angabe von geeigneten Referenzen verlangen, nicht jedoch die Vorlage von Referenzbescheinigungen Dritter, so die VK Nordbayern.
In ihrer Entscheidung vom 07.11.2019, Az.: RMF - SG 21-3194-4-48, hatte die Vergabekammer Nordbayern u.a. zu klären, ob ein öffentlicher Auftraggeber vom Bieter zum Nachweis der Eignung Bescheinigungen von Referenz-Auftraggebern verlangen darf.
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Jana Urbank, B_I MEDIEN
Was war geschehen?
Die Vergabestelle schrieb die Lieferung von 3-Achs-Lastkraftwagen im Amtsblatt der EU im offenen Verfahren aus. Unter III.1.3 (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der Auftragsbekanntmachung setzte die Vergabestelle einen Link, der auf das unbearbeitete Formblatt L 124 EU Eigenerklärung zur Eignung führte, d.h. aus dem verlinkten Formblatt war nicht erkennbar, dass der Bieter unter IV. des Formblattes L 124 EU drei vergleichbare Referenzleistungen zu benennen hatte. Unter III.1.3 (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der Auftragsbekanntmachung setzte die Vergabestelle einen Link, der auf das unbearbeitete Formblatt L 124 EU (Eigenerklärung zur Eignung) führte, d.h. aus dem verlinkten Formblatt war nicht erkennbar, dass der Bieter unter IV. des Formblattes L 124 EU drei vergleichbare Referenzleistungen zu benennen hatte.
In den herunterzuladenden Vergabeunterlagen befand sich ein Formblatt L 124 des VHL Bayern. In diesem Formblatt war unter IV. (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der entsprechende Platzhalter angekreuzt, d.h. der Bieter musste gem. den Vergabeunterlagen drei geeignete Referenzen benennen. In dem Formblatt L 124 VHL Bayern befindet sich unter IV. folgender Passus: „ Falls mein(e)/unser(e) Bewerbung/Angebot in die engere Wahl kommt, werde(n) ich/wir für die oben genannten Leistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis auf gesondertes Verlangen vorlegen.“
Die Antragstellerin gab ein Angebot ab. Unter IV. des Formblattes L 124 benannte sie drei Referenzen.
Sie rügte die Vorgabe, Referenzbeschreinigungen vorzulegen. Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab, darauf stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag mit der Begründung, dass eine Referenzbescheinigung nicht unbedingt gefordert werden dürfe. Ein Ausschluss, weil ein Referenzgeber keine Bescheinigungen ausstelle, dürfe nicht zum Ausschluss des Angebotes führen.
Nach Übermittlung des Nachprüfungsantrages teilte die Vergabestelle mit, dass sie das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen zurückversetze, da das in der Bekanntmachung verlinkte Formblatt nicht die notwendigen Angaben enthalten habe und ausgetauscht werden müsse. Die Antragstellerin rügte auch die Zurückversetzung des Verfahrens.
Dazu die Vergabekammer Nordbayern:
Die Vergabekammer stellte fest, dass die Antragstellerin durch die Aufforderung zur fristgerechten Vorlage von Referenzbescheinigungen, verbunden mit der Androhung des Angebotsausschlusses sowie durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Auftragsbekanntmachung in ihren Rechten verletzt sei.
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Termin vereinbaren"Eine Vergabestelle kann zur Beurteilung der Eignung eines Bieters die in § 122 GWB, § 42 ff. VgV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Gemäß § 46 Abs. 3 VgV kann zur Prüfung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ausschließlich die Vorlage der dort genannten Unterlagen von den Bietern verlangt werden, unter anderem gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV die Angabe von geeigneten Referenzen in Form einer Liste."
Es sei der Vergabestelle jedoch nicht gestattet, die Vorlage von Referenzbescheinigungen, ausgestellt durch die jeweiligen Auftraggeber, zu verlangen, da derartige Unterlagen nicht im Katalog des § 46 Abs. 3 VgV genannt sind. "Die Vergabekammer sieht deshalb die Verpflichtung zur Vorlage von Referenzbescheinigungen Dritter bei der Vergabe von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen durch die Bieter an sich bereits als vergaberechtswidrig an, so dass das Fehlen einer Vorlage der Referenzbescheinigungen auf Nachforderung hin nicht als Ausschlussgrund gem. § 57 Abs1 Nr. 2 VgV tauglich ist." Belegt werde diese Auffassung durch Anhang XII; Teil 2 a ii) RL 2014/24 EU. Hier werde nur von „Verzeichnissen“ ausgegangen, die der Bieter als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit vorlegen muss.
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"Bei Bauleistungen gem. Anhang XII Teil 2 a i) RL 2014/24 EU können hingegen für die wichtigsten Bauleistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis
verlangt werden. Bei Bauaufträgen kann der Auftraggeber die Vorlage einer Referenzbescheinigung verlangen, bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ist dagegen die verpflichtende Vorlage von Referenzbescheinigungen nicht zulässig, zumindest darf die Vergabestelle nicht ein Angebot gem. § 57 Abs1 Nr. 2 VgV ausschließen, wenn die angeforderten Referenzbescheinigungen nicht (fristgerecht) vorgelegt werden."
Unabhängig davon habe eine Vergabestelle die Möglichkeit, die Eignung eines Bieters durch eigene Recherche weiter zu überprüfen. Sie könne sich auch Ansprechpartner zur Prüfung der Referenzen nennen lassen.
Die Zurückversetzung der Ausschreibung sei rechtswidrig, weil die Vergabestelle in der Auftragsbekanntmachung fehlerhaft ein unbearbeitetes Formblatt L 124 EU verlinkt und damit die Eignungsanforderungen nicht wirksam bekanntgemacht habe. Nach § 63 Abs. 1 VgV könne eine Ausschreibung nur dann rechtmäßig zurückversetzt werden, wenn die Gründe der Zurückversetzung nicht schuldhaft vom Auftraggeber verursacht wurden. Die Rückversetzung sei aber dennoch wirksam, weil sie einen sachlichen Grund habe und nicht willkürlich und diskriminierend erfolgt sei.
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(Quelle: VK Nordbayern) | B_I MEDIEN
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