Kein Ausschluss bei klarstellenden Ergänzungen
Klarstellende Ergänzungen von Unternehmensbezeichnungen stellen keine Änderungen der Vergabeunterlagen dar, die zum Ausschluss führen.
Wie ist mit einem Angebot umzugehen, in dem der Bieter im Vordruck "Eigenerklärung zur Eignung" klarstellende Ergänzungen an den Unternehmensbezeichnungen vorgenommen hat? Mit dieser Frage haben sich die Vergabekammer (VK) Berlin im Beschluss vom 06.01.2020 (VK B 1-39/19) und nach sofortiger Beschwerde das Kammergericht (KG) Berlin im (Beschluss vom 04.05.2020 - Verg 2/20) beschäftigt.
Was war geschehen?
Ausgeschrieben waren Sicherheitsdienstleistungen für Flüchtlingsunterkünfte in drei Losen. An dieser Ausschreibung beteiligte sich der spätere Antragsteller mit einem Angebot u.a. für das Los 2.
Der Antragsteller war früher ein „Geschäftsbereich" der A… GmbH. Die A… GmbH verschmolz mit der A… B… SE. Im Wege eines Betriebsübergangs übernahm der Antragsteller die A… GmbH. Die A… GmbH erlosch 2016.
Mit dem Angebot reichte der Antragsteller das Dokument „Vordruck 1- Eigenerklärung zur Eignung 1" ein. Hier war u.a. die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten in eine Tabelle einzutragen.
In der eingereichten Eigenerklärung hatte der Antragsteller den Kopf der Tabelle wie folgt ergänzt:
Angaben 2016 2017 2017
A… GmbH A… GmbH A… GmbH
Darunter trug er - wie gefordert - jeweils die Anzahl der Beschäftigten ein.
Nach Wertung der Angebote informierte der Auftraggeber den Antragsteller, dass sein Angebot wegen Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden solle.
Das rügte der Antragsteller. Es handele sich nicht um eine Abweichung vom geforderten Leistungsinhalt bzw. von den geforderten Angaben zur Eignung. Er habe mit der Ergänzung der Unternehmensbezeichnungen keine andere Leistung als die ausgeschriebene angeboten.
Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab. Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, da bei Änderungen an den Vergabeunterlagen ein Ausschluss ohne Aufklärung zwingend sei. Zudem seien mit den Eintragungen falsche Unternehmens- und Jahresbezeichnungen eingetragen worden.
Im Nachprüfungsverfahren verpflichtete die Vergabekammer des Landes Berlin (Beschluss vom 06.01.2020, VK - B 1 - 39/19) den Auftraggeber, den Angebotsausschluss zurückzunehmen und die Wertung unter Einbeziehung des Angebots des Antragstellers zu wiederholen. Dagegen legte der Auftraggeber sofortige Beschwerde ein.
Entscheidung des Kammergerichts
Das Kammergericht Berlin schloss sich in ihrem Beschluss vom 04.05.2020 - Verg 2/20 - der von der Vergabekammer angestellten Betrachtung an:
Der Antragsteller sei weder insgesamt von dem Vergabeverfahren, noch sei sein Angebot von der Wertung auszuschließen.
Gemäß § 122 Abs.1 GWB würden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 der 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Dabei sei ein Unternehmen geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfülle (§ 122 Abs. 2 S. 1 GWB, § 6 EU Abs. 2 S. 1 VOB/A), die den Anforderungen nach § 122 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 GWB, § 6 EU Abs. 2 S. 2 und 3 VOB/A genügen müssen.
Im vorliegenden Fall gäbe es keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Antragstellers und könnten insbesondere auch nicht aus den von dem Antragsgegner beanstandeten Ergänzungen des Antragstellers in der Tabelle Beschäftigtenzahlen in der "Eigenerklärung zur Eignung" hergeleitet werden.
Der Antragsteller habe seine Eignung durch eine Eigenerklärung gemäß Vordruck 1 (Erklärungen und Angaben zur Eignungsprüfung) vorläufig nachweisen können. Aufgrund dieser Eigenerklärung habe der Auftraggeber in einem ersten Schritt die Eignung des Antragstellers prüfen können.
Der Antragsteller habe die Eigenerklärung gemäß Vordruck 1 vollständig ausgefüllt vorgelegt und somit die geforderte technische und berufliche Eignung in für den Auftraggeber ohne Weiteres nachvollziehbarer Weise durch Auflistung der beschäftigten Mitarbeiter belegt.
Die vom Antragsteller eingetragenen Ergänzungen in die Kopfzeile der Tabelle gäben keinen Anlass, diese Eignung in Zweifel zu ziehen. Sie hätten lediglich zum besseren Verständnis durch den Auftraggeber klargestellt, dass die aufgeführten Mitarbeiter in den früheren Jahren bei der Rechtsvorgängerin beschäftigt waren und die geforderten Beschäftigtenzahlen nicht durch sie in der identischen Rechtspersönlichkeit, sondern durch ihre Rechtsvorgängerin erbracht worden waren.
Das Angebot der Antragstellerin sei auch nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung auszuschließen. Nach dieser Vorschrift werden von der Wertung ausgeschlossen Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, und Angebote, die nicht den Erfordernissen des § 53 genügen, insbesondere (Nr. 4) Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind.
Das Angebot der Antragstellerin enthielte aber keine solchen unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen. Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liege vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht und eine andere Leistung anbietet als vom Auftraggeber ausgeschrieben.
Grund zum Ausschluss dürfe auch nicht das unzutreffend übertragene Datum sein. Wie für den Antragsgegner ohne Weiteres erkennbar und auch so erkannt, sei dem Antragsteller insoweit ein offensichtlicher Schreibfehler unterlaufen, der keine im obigen Sinne inhaltliche Änderung darstelle.
Fazit
Änderungen und Ergänzungen an den Vergabeunterlagen i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV liegen nicht schon in lediglich klarstellenden, dem besseren Verständnis dienenden Zusätzen und offensichtlich irrtümlichen Eintragungen wie Schreibfehlern. (Leitsatz des KG).
Hier geht es zur Entscheidung der Vergabekammer Berlin, Beschluss vom 06.01.2020, VK - B 1 - 39/19
Hier geht es zur Entscheidung des Kammergerichts Berlin, Beschluss vom 04.05.2020 - Verg 2/20
Mehr Informationen dazu im folgenden ausführlichen Beitrag:
Kein Ausschluss bei bloßen Kleinigkeiten! (VK Berlin, Beschl. v. 06.01.2020 – VK B 1-39/19) Von Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, Vergabeblog.de vom 23/07/2020, Nr. 44552 | B_I MEDIEN
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