Auf rechtswidrige Aufhebung eines Vergabeverfahrens hat Unternehmen Anspruch auf Schadensersatz
Eine Gemeinde hebt ein Vergabeverfahren zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses, um Flüchtlinge unterzubringen, rechtswidrig auf. Das Bauunternehmen, welches den Zuschlag erhalten sollte, verlangt Schadensersatz. Wofür das Unternehmen Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, hat der Bundesgerichtshof nun festgelegt.
BGH, Urteil vom 08.12.2020, XIII ZR 19 / 19
Eine Gemeinde – hier die Beklagte – schrieb 2016 eine Bauleistung für die schlüsselfertige Errichtung eines Mehrfamilienhauses zur Unterbringung von Flüchtlingen aus. Die Klägerin – hier ein Bauunternehmen – nahm an der Ausschreibung teil und gab am 31. März 2016 das günstigste Angebot ab. Klägerin und Beklagte vereinbarten die Angebotsbindefrist bis zum 13. Mai 2016 zu verlängern. Als die Beklagte erneut um eine Verlängerung der Frist bat, lehnte die Klägerin dies ab. Am 8. Juni 2016 teilte die Gemeinde per Schreiben mit, dass die Ausschreibung aufgrund des Wegfalls des Beschaffungsbedarfs aufgehoben werde. Die Gemeinde forderte am 26. September 2016 die Klägerin erneut auf, ein Angebot zur schlüsselfertigen Errichtung eines Mehrfamilienhauses abzugeben. Das Bauprojekt befand sich in derselben Lage und das gleiche Leistungsverzeichnis wie bei der ersten Ausschreibung war gefordert. Das Bauunternehmen gab diesmal nicht das günstigste Urteil ab und ein anderes Unternehmen erhielt den Zuschlag. Die benachteiligte Baufirma verlangte daraufhin Schadensersatz in Höhe von 56.000 Euro. Während das Landgericht Baden-Baden der Klägerin einen Ersatz der Kosten von 150 € für die Unterlagen zusprach, urteilte das Oberlandesgericht Karlsruhe hingegen, dass dem Unternehmen zusätzlich Schadenersatz für die Angebotserstellung und für den entgangenen Gewinn in Höhe von 50.000 € zustehen würden. Die Klägerin wehrte sich vor dem BGH gegen das Urteil des OLG.
Vergabeverfahren unrechtmäßig aufgehoben
Dem Bieter, dessen Angebot den Zuschlag erhalten hätte, steht ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der öffentliche Auftraggeber seine Rücksichtsnahmepflicht im vorvertraglichen Schuldverhältnis nach § 17 Abs. 1 VOB/A nicht nachkommt und das Vergabeverfahren rechtswidrig aufhebt. Der Schaden bezieht sich auf die Anwendungen, die der Bieter vorgenommen hat, um eine Chance für den Zuschlag zu erhalten. Ein Anspruch auf Schadensersatz kommt grundsätzlich nur dann in Frage, wenn das Vergabeverfahren mit dem Zuschlag für ein Bieterangebot abgeschlossen wird, dass den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen. Ähnlich verhält es sich, wenn der Auftraggeber das Verfahren ohne anerkannten Aufhebungsgrund aufhebt, um außerhalb eines förmlichen Verfahrens den Zuschlag an den gewünschten Bieter erteilt. Vorausgesetzt, dass sich der später vergebene Auftrag auf das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand bezieht.
Zur Entscheidung des BGH
Das Vergabeverfahren wurde zwar rechtswidrig aufgehoben, allerdings nicht, um einem anderen Unternehmen bevorzugt den Auftrag zu erteilen. Deshalb hat die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz was den entgangenen Gewinn betrifft. Da die Gemeinde Zweifel am Bedarf des Mehrfamilienhauses als Unterbringung für Flüchtlinge hegte und erst einmal “abwarten” wollte, bat sie um eine erneute Verlängerung der Angebotsbindefrist. Da der Bedarf aber auch noch im Herbst bestand, schrieb sie das Verfahren erneut aus. Ein anderes Unternehmen konnte bei der zweiten Vergabe das günstigste Angebot abgeben und erhielt deshalb rechtmäßig den Zuschlag. Der BGH gab an, dass das OLG zu Recht Schadensersatz für die an der Teilnahme verbundenen Aufwendungen ausgesprochen hatte. Das Bauunternehmen habe aber keinen Anspruch auf Schadensersatz, was den entgangenen Gewinn betrifft.
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Quelle: Bundesgerichtshof | B_I MEDIEN
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